Alarmierende Honig-Studie: Bienen sammeln fleißig süßes Gift
Honig ist oft mit einem krebsauslösenden Pflanzenstoff belastet. Stark davon betroffen ist Rohware aus Süd- und Mittelamerika, hat das Bundesinstitut für Risikobewertung festgestellt.
BERLIN taz | Viele Honige enthalten krebsauslösende und sehr giftige Pflanzenstoffe in bedenklichen Konzentrationen. In neun Prozent der rund 1.300 seit 2009 untersuchten Proben Fertigware haben Labore Pyrrolizidin-Alkaloide gefunden, wie das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) in einer Studie schreibt. Besonders betroffen sei Rohhonig aus Süd- und Mittelamerika, aus dem die Abfüller Fertigware mischen. Nach einer Schätzung der taz auf Grundlage von Branchenzahlen kommt der meiste Honig für den deutschen Verbrauch aus dieser Region.
Pflanzen wie das Jakobskreuzkraut oder das Gemeine Greiskraut bilden Pyrrolizidin-Alkaloide (PA), um sich gegen Fressfeinde schützen. Mehrere Menschen sind gestorben, weil sie PA-haltige Pflanzenteile etwa zusammen mit Getreide oder Kräutertees zu sich genommen hatten. Andere überlebten, trugen aber zum Beispiel Leberschäden davon. In Tierversuchen erhöhten PA zudem das Risiko, an Krebs zu erkranken.
In Honig können die Substanzen gelangen, wenn Bienen Nektar aus PA-haltigen Pflanzen saugen. Besonders häufig tun sie das offenbar in Uruguay: Alle 376 untersuchten Rohhonig-Proben waren PA-positiv. Von den 815 chilenischen waren es immerhin 84 Prozent und von den 157 brasilianischen 83 Prozent. In Europa lag die Quote insgesamt bei vergleichsweise niedrigen, aber immer noch stattlichen 59 Prozent.
Grenzwerte gibt's nicht
Das BfR rät aufgrund etwa von Tierversuchen, dass niemand sein Leben lang pro Tag im Schnitt mehr als 0,007 Mikrogramm ungesättigter PA je Kilogramm Körpergewicht essen sollte. "Insbesondere Vielverzehrer von Honig" nehmen möglicherweise aber größere Mengen auf, hat das BfR errechnet - selbst, wenn sie ständig zwischen höher und niedriger belasteter Ware wechseln. Als Vielverzehrer gelten etwa 60 Kilogramm schwere Menschen, wenn sie jeden Tag im Schnitt 17 Gramm Honig essen. Wer nur durchschnittlich viel Honig verzehrt - für den 60-Kilo-Menschen wären das 3 Gramm täglich - liegt unter der schädlichen Grenze. Doch Kinder, die immer dieselbe möglicherweise belastete Honigmarke essen, können den kritischen Wert aufgrund ihres niedrigeren Körpergewichts leicht überschreiten.
Das BfR empfiehlt daher den Herstellern, Rohhonig auszuwählen, der überhaupt nicht belastet ist. "Das tun wir bereits", sagt allerdings Katrin Langner, Geschäftsführerin des Honig-Verbandes.
Einen Grenzwert, bei dem die Ware aus dem Verkehr gezogen werden muss, gibt es bisher nicht. Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) setzt sich bisher auch nicht dafür ein. "Eine umfassende Risikoeinschätzung ist aufgrund der bisher nur lückenhaft geklärten Toxikologie der einzelnen Pyrrolizidinalkaloide noch nicht möglich", erklärt Ministeriumssprecherin Sandra Pabst. Die Behörde habe aber das BfR beauftragt, weiter zu forschen.
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