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70 Jahre Wannsee-Konferenz"Beteiligte Zentralinstanzen"

Die Teilnehmer der Konferenz hatten umzusetzen, was die NS-Spitze um Hitler, Himmler und Göring zuvor beschlossen hatte. Mit dabei: "Judenreferent" Adolf Eichmann.

Dokumente des Grauens: Die Protokolle im Haus der Wannsee-Konferenz in Berlin. Bild: dpa

Die Teilnehmerliste der Besprechung am Großen Wannsee auf den ersten beiden Seiten des Protokolls macht deutlich, dass hier 15 spezialisierte Bürokraten zusammenkamen, um über die Organisation von Deportation und Vernichtung der europäischen Juden zu diskutieren. Den Beschluss selbst konnte nur die Staatsspitze um Adolf Hitler fällen. Am 20. Januar 1942 ging es darum, in den Vernichtungsprozess involvierte Behördenvertreter in die beabsichtigte Politik einzubinden, Kompetenzen abzuklären und damit bürokratische Reibungsverluste zu verringern.

Ranghöchster Vertreter bei der Besprechung war Reinhard Heydrich, damals Chef der Sicherheitspolizei, des SD sowie der Terrorzentrale Reichssicherheitshauptamt (RSHA), zudem seit wenigen Monaten stellvertretender Reichsprotektor Böhmen und Mähren. Aber auch er zählte nicht zur Staatsspitze, sondern war vielmehr seinem Chef, dem Reichsführer SS Heinrich Himmler, untergeordnet.

Gleich zu Beginn teilte Heydrich mit, er sei vom Reichsmarschall Hermann Göring mit der "Vorbereitung der Endlösung" beauftragt worden. Damit machte Heydrich gegenüber konkurrierenden Interessen den anwesenden Spitzenbürokraten deutlich, dass er die alleinige Kompetenz in dieser Angelegenheit beanspruchte. Die 15 Teilnehmer zählten zur Funktionselite des Nazi-Regimes. Sie waren es, die umsetzten, was die NS-Spitze um Hitler, Himmler und Göring beschlossen hatte.

Dr. Alfred Meyer, Dr. Gerhard Leibbrandt und Dr. Rudolf Lange waren als Vertreter aus den besetzten sowjetischen Gebieten anwesend. Dort war der Mord an den Juden, betrieben vornehmlich durch SS-Einsatzgruppen und Polizeieinheiten, bereits seit Sommer 1941 im Gang. Dabei galt Lange als der Praktiker von Massenexekutionen. In seinem Einsatzraum Lettland waren bis zum Dezember 1941 bereits etwa 60.000 Juden ermordet worden.

Als Spezialisten für die geplante Aufnahme von Deportierten in das kolonieähnliche "Generalgouvernement" auf einem Teil des Staatsgebiets von Polen nahmen Dr. Josef Bühler und Dr. Eberhard Schöngarth teil. Unter Schöngarths Verantwortung waren bis zum September 1941 etwa 4.000 Juden in Ostgalizien getötet worden.

Wannsee-Konferenz

Wie fünfzehn Nazi-Bürokraten die Deportation und Ermordung der europäischen Juden planten: Die taz dokumentiert und erläutert das "Besprechungsprotokoll" vom 20. Januar 1942 in der Freitagsausgabe der taz, am e-kiosk und am Kiosk.

Für die Organisation der Deportationen aus ganz Europa standen Adolf Eichmann und Martin Luther. Ersterer war als "Judenreferent" des RSHA u. a. mit der Koordination der Zugfahrten betraut. Er fertigte das Protokoll der Sitzung an. Luthers Ressort "Judenfrage, Rassenpolitik" im Auswärtigen Amt kümmerte sich darum, die Deportationen aus befreundeten Staaten diplomatisch vorzubereiten.

Gestapo-Chef Heinrich Müller war der Vorgesetzte von Adolf Eichmann. Er verantwortete u. a. die Befehle an die Einsatzgruppen in der Sowjetunion.

Erich Neumann kam als Vertreter von Görings Vierjahresplan-Behörde, dem daran gelegen war, dass die geplanten Deportationen nicht zu einem Mangel an jüdischen Zwangsarbeitern führten.

Otto Hofmann, Dr. Wilhelm Stuckart und Wilhelm Kritzinger galten als "Rasse-Experten" und damit als zuständig für die Frage, welche "Mischlinge" deportiert werden sollten. Hofmann verantwortete die "Germanisierungspolitik" auf den Gebieten Polens und der Sowjetunion.

Dr. Gerhard Klopfer verantworte die Zusammenarbeit zwischen RSHA und der Parteikanzlei der NSDAP. Er galt als einer der am besten informierten Parteibürokraten.

Dr. Roland Freisler war als Staatssekretär des Reichsjustizministeriums für die systematische Entrechtung der deutschen Juden zuständig.

Außerdem war ein namentlich nicht bekannter Stenograf anwesend.

Den ganzen Text und alle Dokumente lesen Sie in der Freitagsausgabe der taz. Darin dokumentiert und erläutert die taz das "Besprechungsprotokoll" vom 20. Januar 1942. Die taz am e-kiosk und am Kiosk.

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6 Kommentare

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  • KK
    Karl K

    Allen an diesem Unterfangen Beteiligten, namentlich den  Herrn Klein und Hillenbrand meinen tiefen Dank.

     

    Auch wenn's mir - zu Recht - eine schlaflose Nacht eingebracht hat.

     

    Anyway. Kleine Anmerkung.

    Herr Hillebrand, ihre Ausführungen auf Seite 5 zu " Giftgas " und " Giftgaswagen" führen etwas auf den falschen Weg.

    Wenn ich dem, was ich darüber weiß und den Berichten eines meiner Lehrer( Name fällt mir partout nicht ein; Freud) uber Giftgaswagen trauen darf, funktionierten diese, indem mittels Schläuchen die Auspuffgase in den Innenraum während einer vorgeblichen Transportfahrt geleitet wurden.

    Weil dies zwar final war, aber nicht die erwünschte Kapazität " lieferte", suchte und fanden die Nazi-Schergen das System Giftgas mittels Zyklon-B in den Gaskammern.

     

    Auf die Seite 7 war ich besonders gespannt.

    Nur Klopfer und Hofmann gelang es,

    bis zu ihrem Ableben unbehelligt

    " ihren Lebensabend zu genießen".

    Her Hillenbrand, Sie haben die ein oder andere Einlassung dieses technokratischen Todesschwadron zu der Teilnahme an dieser " Konferenz" angeführt.

    Mir ist - wenn mich nicht die Erinnerung an ähnliche Akten täuscht - eine besonders bizarre im Gedächtnis geblieben.

     

    " Er habe zwar teilgenommen, aber als es um die wesentlichen, ihm jetzt vorgehaltenen "Verwaltungsgegenstände" gegangen sei, habe er gar nicht am Tisch in der Runde gesessen, sondern habe hinter einer Säule ( Foto-taz) gestanden, wo er nichts habe hören können.

    Frage: war das einer von den beiden oben?

     

    Stichwort "Lebensabend" ( was mich, sorry, immer an " Lebensborn" erinnert).

    Es war ja nicht nur die Witwe von Freissler, sondern eine Vielzahl der Nazi-Schergen, die in Ansehung des

    " G 131" ( Gesetz zur Ausführung des - unscheinbaren, aber wirkmächtigen - Art. 131 des Grundgesetzes) ihren Lebensabend mit völlig ungerechtfertigten Staatsleistungen vergoldeten.

     

    Klopfer ist Rechtsanwalt geworden.

    Hat auch er bei Eintritt in den Ruhestand plötzlich die " vergoldenden Eier" des $ 72 G 131 entdeckt?

     

    Es erinnert mich an einen 2-er-Juristen

    (NSStudentenschaft/Obersturmbannführer / Nazi-Karriere via Rasseschandegesetze ), der es nach WK II auch vorgezogen hatte RA zu werden und sodann den $ 72 G 131 entdeckte.

     

    Dank penibler preußischer Aktenführung konnte ich - eingedenk des großartigen Fritz Bauer - einfach die verschiedenen Akteninhalte :

     

    NSZeit/Entnazifizierungsausschuß/

    jetziger Vortrag

     

    in den Tabestand stellen.

     

    Die Urteilsbegründung bestand sodann lediglich aus dem Gesetzestext.

    Hat selbst ihn überzeugt: so viel zu biegende Balken, immer juristisch abgewichst wie unser Herr Wuff, gibt es einfach nicht.

     

    Hat ähnliches Herr Klopfer auch versucht? eventuell mit welchem Ergebnis?

  • KK
    Karl K

    Sehr geehrter Herr Hillenbrand,

     

    ich habe meinen Kommentar zeitlich kurz

    nach Herrn Gerstemmeir wie hier abgesandt und

    dann noch drei mal.

    Bisher erfolglos.

     

    Da ich nicht erkennen kann , dass mein Beitrag in irgendeiner

    Weise zu beanstanden wäre, wäre ich für eine Mitteilung

    Ihrer Gründe dankbar.

     

    MfG

     

    Karl K

  • W
    Webmarxist

    Jede Diktatur braucht einen Beamtenappparat der ihm bedingungslos und loyal zur Seite steht. Sollte sich einer sich weigern oder gar widersprechen wird er selbst zum Opfer dieses Regimes.

     

    Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen.

  • RT
    Reinhard Treudler

    Neben Freisler war 1938 Wolfgang Hefermehl für die Umsetzung der Gesetze zur Entjudung der deutschen Wirtschaft zuständig. Hefermehl war Ehrenmitglied im GRUR-Verein. 1996 wurde von dem GRUR-Verein eine Hefermehl-Festschrift veröffentlich, an dem zahlreiche deutsche Richter mitgewirkt haben (z.B. BGH-Richter Erdmann). Der bekannte Fachbuchautor Fezer (Konstanz) war Hefermehl-Schüler (siehe erste Ausgabe Markenrecht 1996). Der GRUR-Verein und die Bundesjustizministerin Frau LS halten die Namen aller Richter aus Datenschutzgründen geheim, die GRUR-Mitglieder sind. Im Jahr 1996 war die Bundesjustziministerin LS selbst GRUR-Mitglied. Interessant ist auch, welche Medien GRUR-Mitglieder sind.

  • NP
    Nadja Podbregar

    Großes Kompliment für die Idee, das Original-Protokoll in der taz abzudrucken und zu kommentieren. Denn wie vermutlich die meisten wusste ich zwar inhaltlich grob Bescheid, kannte aber nicht den Wortlaut. Dieser gibt einen entlarvenden Einblick in die Denkweise der Beteiligten und macht das Ganze noch greifbarer. Dickes Danke dafür! Genau solche Aktionen sind es, die die taz besonders machen und weswegen ich sie abonniert habe!

  • KG
    Kurt Gerstenmeir

    Kein Wort zur zweifelhaften Herkunft der Abschrift des Protokolls, kein Wort zu all den Berufszeugen auf welchen die fragwürdige Nürnberger Siegerjustiz aufbaute.

    Man lese was der selber in Dachau gefangene Münchner Weihbischof Dr. Johannes Neuhäusler dazu veröffentlichte!