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65 Millionen Dollar verschwundenSomalia-Hilfsgelder "gestohlen"

Fast die gesamte internationale Somaliahilfe der letzten Jahre fehlt. Rechnungsprüfer sagen, die Übergangsregierung habe das Geld veruntreut.

Nahrungsausgabe in Mogadischu: viele Hilfsgelder kommen nicht an. Bild: dapd

BERLIN taz | Während die UNO Milliardenhilfen gegen die Hungersnot in Somalia sucht, hat die UN-unterstützte Übergangsregierung in der somalischen Hauptstadt Mogadischu den Großteil der ihr bisher zur Verfügung gestellten Hilfsgelder veruntreut. Dies geht aus einem Bericht der somalischen Rechnungsprüfbehörde PFMU über die Staatsfinanzen der Jahre 2009 und 2010 hervor, der der taz vorliegt.

Den Prüfern der Behörde PFMU zufolge, die dem Premierminister unterstellt ist, erhielt Somalias Regierung laut eigenen Unterlagen im Jahr 2009 42,875 Millionen US-Dollar Auslandshilfe, im Jahr 2010 32,725 Millionen.

In den offiziellen Haushaltszahlen tauchten aber nur 2,875 Millionen beziehungsweise 6,516 Millionen auf. Insgesamt seien also von 75,6 Millionen Dollar Hilfsgeldern über 65 Millionen verschwunden. Der Bericht selbst nennt sogar die Summe von 72,725 Millionen Dollar als "gestohlen", bezieht darin aber die selbst ermittelten Zahlen für 2010 nicht genau ein.

Die ordnungsgemäß verbuchten Hilfsgelder des Jahres 2009 stammen aus Libyen (1,6 Mio. Dollar), China (0,5 Mio.), den USA (0,5 Mio.) und Ruanda (0,25 Mio.). Parallel und unverbucht habe aber Libyen weitere 23 Millionen Dollar an Mogadischu gezahlt, Sudan 10 Millionen und die Vereinigten Arabischen Emirate 7 Millionen.

"Diese insgesamt 40 Millionen Dollar wurden von der Regierung veruntreut", schreiben die Rechnungsprüfer und verlangen Ermittlungen gegen die Zuständigen. Auch fällige Steuern und Gebühren wurden meist nicht eingetrieben, so beim Handel mit der Droge Khat sowie im Mobiltelefonsektor. Dem somalischen Staat würden damit Einnahmen von mehreren hundert Millionen Dollar im Jahr entgehen.

Libyen und Sudan wichtiger Unterstützer

Wenn der Bericht stimmt, waren ausgerechnet Libyen unter Muammar al-Gaddafi und Sudan unter seinem international geächteten Präsidenten Omar al-Bashir die wichtigsten Geldgeber der Übergangsregierung in Mogadischu, die als Bollwerk des Westens gegen Somalias islamistische Shabaab-Kämpfer gilt.

Der Prüfbericht weist monatliche Zahlungen aus Tripoli und Khartum von zwei beziehungsweise einer Million Dollar an Mogadischu aus, die nirgends verbucht sind. Die Regierung lässt sich derweil militärisch von Eingreiftruppen der AU (Afrikanische Union) mit Unterstützung der EU und der USA verteidigen.

Eigentlich sollte das Übergangsparlament in Mogadischu den Prüfbericht vergangene Woche diskutieren. Der Parlamentspräsident nahm den Bericht kurzfristig von der Tagesordnung, berichteten somalische Medien. Der Autor des Berichts lebt mittlerweile in Kenia. Der Premierminister, in dessen Auftrag der Bericht erstellt wurde, verlor im Juni sein Amt.

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8 Kommentare

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  • K
    Korruptionsfrei

    Mensch, was soll denn das?!

    hier und an anderer Stelle wird mit Verweis auf die Korruption platt der Geiz ausgebreitet: "an Afrika spende ich nichts" Das ist ja total pauschal gegen "die Afrikaner".

     

    Ich kenne einen Nigerianer, der hat über Korruption in Deutschland promoviert, im internationalen Vergleich.

    Also hier ist auch ne Menge intransparent.

     

    Im übrigen gehört es zum Ehrenkodex der islamischen Gruppen oder der Imame, Korruption nicht zu dulden. Korrupt sind da schon eher Karsai und seine Familie.

    Und das ist ein Dilemma.

     

    Besser mensch sagt offen: Hilfsgüter müssen auch zur Verteilung an die Shabab übergeben werden, nach Absprachen, als dass so getan wird, alles sei einwandfrei.

  • M
    Micha

    Nun mal ehrlichen, was erwarten sie, wenn in Länder wie Somalia, Haiti, Pakistan, Sri Lanka usw völlig unkontrolliert zig Millarden fließen? Hatten sie wirklich geglaubt, das Geld würde jemand anderem als den die aktuelle Herrschaft ausübenden zukommen? Deshalb sollte sich gut überlegen, wer einem Spendenaufruf folgt. Na, wo sind z.B. die Pakistani-Flutopfer-Milliarden hin?

  • D
    daniel56

    @SlickRights

    Das ist doch das allerletzte, bei einer Hungerkatastrophe gegen Spenden Stimmung zu machen (wer "Spendengelder dort hinschickt, unterstützt die korrupte Regierung und nicht das hungernde Volk")!

    Das ist etwa so, wie wenn man einem auf See ins Wasser Gefallenen ertrinken lässt mit den Worten: "Wenn ich dir jetzt raushelfe, unterstütze ich nur den Kapitän deines Bootes, der selbst schuld ist, dass er dir nicht helfen kann und will"

    Man muss doch unterscheiden zwischen Nothilfe und Entwicklungshilfe; die Unterstellung, dass die Hilfsorganisationen, an die die Spendengelder gehen, diese vollständig in die Korruption versickern lassen, ist ein Schlag ins Gesicht der verhungernden Menschen. Sowas kann nur ein satter Europäer sagen, der nie ins Gesicht einer Mutter sah, deren Kind vermeidbar elendig zugrunde ging.

    Was Entwicklungshilfe NACH der Nothilfe betrifft, ist der Einwand berechtigt, da muss man genau hinschauen, WAS für Projekte untestützt werden und WIE gut die gemacht werden. Diese Unterstellung, die Nothelfer würden alle Gelder nur in korrupte Taschen stecken ist aber angesichts der vermeidbar Verhungernden ein menschenverachtender Zynismus!

  • D
    daniel56

    Danke für die interessante Information, allein einige Formulierungen verwundern mich sehr. Ein ausgewiesener Afrika-Experte wie Johnson sollte doch wissen, dass die Regierung der Volks-Dschamahirija in Libyen in ganz Afrika nicht nur (meistens) sehr faire Geschäfte gamacht hat, sondern auch viele, viele Regierungen finanziell unterstützt hatte, und zwar insbesondere solche, deren Länder weniger mit Rohstoffen gesegnet sind und die u.a. deshalb zu den aller-allerärmsten gehören (insbesondere sog LDC-Länder). Warum tut er im Artikel so, als sei die Unterstützung für die Somalische Überrgangsregierung eine kuriose Ausnahme ("waren ausgerechnet Libyen unter Muammar al-Gaddafi [...] die wichtigsten Geldgeber der Übergangsregierung in Mogadischu")?

    Etwa weil diese die islamistischen Al-Schabaab-Banditen bekämpft? Nun ist weder Ghaddafi noch Al-Baschir Islamist, entgegen den Fehlinterpretationen der westlichen Propaganda.

    Dass afrikanische Regierungen sehr oft so korrupt und kleptoman sind, dass bei den Völkern leider sehr wenig von der Budgethilfe ankommt, ist ebenfalls eine bekannte Tatsache. Warum sollte das bei der Somalischen Übergangsregierung anders sein? Etwa weil die politisch vom Westen untersützt wird und deshalb die "Guten" sind?

    Übrigens: Ob die von NATO, USA und EU militärisch unterstützten libyschen "Rebellen" nicht korrupt sind, ist höchst fragwürdig; auch, ob aus den Gewinnen aus dem libyschen Öl weiterhin ärmere Länder und ärmere Libyer unerstützt werden, ist eher unwahrscheinlich. Viele Regierungen sind auch deshalb strikt gegen die NATO-Aggression in Libyen, auch darüber könnte man mal berichten.

  • M
    Mika

    Und dann sollen wir verhassten "Westler" spenden. Keinen Cent!

  • T
    Typisch

    Es ist doch immer wieder dasselbe. Entwicklungshilfe kommt nahezu nie bei denen an, die sie brauchen. Afrika ist einfach zu korrupt. Ich frage mich langsam, ob die Entkolonialisierung die Situation jener Länder wirklich verbessert hat.

     

    Ich habe in meinem Leben schon oft für die verschiedensten Zwecke und Organisationen gespendet, aber noch nie für Afrika. Und solange nicht ein paar Diktatoren wegen Korruption ins Gefängnis wandern, werde ich auch weiterhin nicht spenden.

  • V
    vic

    Kann der mutige Westen wirklich nur aus der Luft bombardieren?

    Ist es wirklich nicht möglich, dafür zu sorgen, dass Hilfe da ankommt wo sie gebraucht wird?

    Wie soll ich spenden, wenn ich davon ausgehen muss, das ich irgendeinem Clanchef goldene Wasserhähne finanziere?

  • S
    SlickRights

    Leute, man kann sich nicht von seiner Verantwortung freikaufen. Wer Gelder, auch Spendengelder dort hinschickt, unterstützt die korrupte Regierung und nicht das hungernde Volk. Diese Tatsachen sind seit vielen Jahren bekannt, aber es werden immer noch Milliarden "Hilfsgelder" eingesammelt. Wenn man dort ernsthaft etwas verändern will, muss man standhaft bleiben, und die Hilfen an Bedingungen knüpfen. Gerne lässt man sich erweichen, weil man von der dortigen Regierung regelrecht erpresst wird. Das muss aufhören! Diese Zustände dort werden sich nicht verbessern, wenn wir so weitermachen wie bisher.Daß was dort passiert ist auch unsere Schuld, weil wir uns diesen Systemen unterordnen, weil wir glauben, nichts daran ändern zu können, und weil wir uns vormachen lassen, es würde noch viel schlimmer werden, wenn wir uns nicht darauf einlassen.Aber kann es noch schlimmer werden? Ich sage euch, wenn diese korrupten Regierungen erst einmal kein Geld mehr haben um im Luxus zu schwelgen während ihr Volk in Armut und Hunger darbt, dann werde die sich das zwei Mal überlegen, ob sie UNS nochmal erpressen wollen!