piwik no script img

SprachentandemSprachen lernen im Doppelpack

Training der Sprachkenntnisse durch selbst gesteuertes Lernen, aber vor allem beim Kommunizieren über konkrete Themen. Lernende im Tandem sind motivierter, weil der Dialog mit einem Muttersprachler über selbst gewählte Themen Spaß macht

Volkshochschule Reutlingen: Französisch-Crashkurs im TGV Bild: dpa

Inga, Studentin der Medizin an der Ruhr-Universität Bochum, möchte für ihr kommendes Auslandssemester in Madrid dringend ihre Spanischkenntnisse verbessern. Aber für einen Sprachkurs fehlt ihr die Zeit. Gezielt will sie sich auf konkrete Situationen an der Gastuniversität vorbereiten: sich auf Spanisch um ein Zimmer zu kümmern, in Sprechstunden-Gesprächen mit Dozenten "überleben" oder sich einfach mit ihren Kommilitonen zu unterhalten.

Carlos, ein spanischer Erasmus-Stipendiat, der für ein Jahr an der Ruhr-Universität Ingenieurwissenschaften studiert, merkt sehr schnell, dass er den Vorlesungen nicht immer folgen kann. Und die Deutschen verstehen ihn häufig nicht, weil sein Akzent so stark ist. Aber in seinem normalen Deutschkurs hat er oft Hemmungen, sich vor den anderen Kursteilnehmern in der Fremdsprache zu äußern. Aus Inga und Carlos wurde ein Paar - ein Tandempaar.

Beide treffen sich zwei Stunden in der Woche für ihre Arbeit im Tandem: In der ersten Stunde des Treffens hilft Inga dem spanischen Studenten, seine Vorlesungsskripte besser zu verstehen, seine Notizen zu korrigieren, auf Aussprachefehler zu achten. Beide sprechen in dieser Zeit vor allem Deutsch. In der zweiten Hälfte des Treffens unterstützt Carlos seine deutsche Tandempartnerin gern dabei, wichtige Situationen an einer spanischen Uni auf Spanisch zu üben. Er berichtet auch von dem Studienalltag in seiner Heimatstadt, Inga notiert sich dabei alle Ausdrücke, die sie lernen will. Als Studierende interessieren sie sich für die Lebensbedingungen in ihren jeweiligen Ländern.

Was genau ist also ein Sprachentandem? Beim Sprachenlernen im Tandem kommunizieren zwei Personen mit unterschiedlichen Muttersprachen miteinander, um gemeinsam und voneinander zu lernen. Dabei bringt jeder die Kompetenzen ein, über die er schon verfügt und die der andere erwerben will: seine kommunikativen Gewohnheiten in der Muttersprache, sein kulturelles Hintergrundwissen, sein Sachwissen über den eigenen Lebensbereich. Zusätzliche Qualifikationen benötigt er in der Regel nicht. Die Lernenden trainieren ihre sprachlichen Fertigkeiten dadurch, dass sie jeweils vom "Modell" des anderen lernen, aus dessen Korrekturen, Verständnis- und Formulierungshilfen. Nachfragen, um Hilfe bitten, Erklären - von diesem wechselseitigen Engagement profitieren beide, auch wenn jeder sein eigenes Lernziel verfolgt. Tandemlernende sind motivierter, weil das Kommunizieren mit einem native speaker und über selbst gewählte Themen Spaß macht. Hier ist praxisbezogenes und auf individuelle Bedürfnisse zugeschnittenes Lernen möglich, und Fortschritte werden unmittelbar erlebt: Was gelernt wird, wird sofort angewandt.

Die Ruhr-Universität Bochum war an der Entwicklung des Tandemkonzepts maßgeblich beteiligt und vermittelt nun schon seit über zwanzig Jahren Tandem-Lernpartnerschaften. Mehr als 150.000 Tandempaare haben sich seit dem Jahr 2000 über den eTandem-Server der Ruhr-Universität Bochum gefunden: In einem sogenannten elektronischen Tandem kommunizieren Lernende auf der ganzen Welt via E-Mail oder Webcam und Headset miteinander.

Das Spektrum der eTandem-Lernenden reicht dabei von Studierenden und Schulklassen über Berufskollegen bis zu Rentnern. Die anhaltend steigenden Zahlen der Tandeminteressierten zeigen: Das Konzept des Tandemlernens ist kein "Trend", sondern eine begründete Antwort auf aktuelle Forderungen nach der Befähigung zu lebenslangem und selbst gesteuertem Lernen.

www.slf.rub.de, www.rub.de/zfa/sgl/tandem

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!