Börsencrash und Arbeitsmarkt: Wie die Finanzkrise Jobs gefährdet
In den USA hat die Finanzkrise die Probleme der Automobilindustrie dramatisch verschärft. Doch auch die Exportnation Deutschland leidet. Zehntausende Jobs könnten verloren gehen.
BERLIN taz Wie stark berührt die Finanzkrise den Arbeitsmarkt? Sind Jobs in Deutschland gefährdet? Diese Frage stellen sich Millionen von Erwerbstätigen, und für sie ist es keine Beruhigung, dass Bundesarbeitsminister Olaf Scholz (SPD) am Freitag erklärte, die Finanzmarktkrise werde vorerst nicht zu einem Anstieg der Arbeitslosenquote führen. Denn die Beschäftigung hängt stark von den Wachstumsprognosen ab. Und diesbezüglich kursieren mehrere Szenarien.
Der Bankenverband rechnet mit einer Stagnation in der zweiten Hälfte 2008 und einem leichten Plus von 0,5 Prozent Wachstum 2009. Auch das Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hält inzwischen für 2009 "ein Wirtschaftswachstum von 0,5 Prozent für das wahrscheinlichste Szenario", so IAB-Sprecher Wolfgang Braun. Bei der 0,5-Prozent-Variante würde die saisonbereinigte Arbeitslosigkeit im Verlauf des kommenden Jahres zunehmen - allerdings um weniger als 200.000 im Jahr, wie sich aus der Grafik des IAB ergibt. Konkrete Zahlen liegen zum Jahresverlauf nicht vor. Die Zahl der Erwerbstätigen würde um einen ähnlichen Wert sinken. Bei rund 40 Millionen Menschen in Beschäftigung wäre also etwa ein halbes Prozent von den Verschlechterungen betroffen.
Günstiger sieht es aus, wenn man in den Prognosen nicht den Jahresverlauf, sondern die Jahresdurchschnitte von 2008 und 2009 vergleicht. Dann nämlich läge auch beim 0,5-Prozent-Szenario die Zahl der Arbeitslosen im kommenden Jahr immer noch unter dem Durchschnittswert von 2008 und auch den Jahren davor. Einfach deshalb, weil die Zahl der Erwerbstätigen im Jahresverlauf 2008 deutlich angestiegen ist. Es brauchte eine länger anhaltende schlechte Wirtschaftsentwicklung, um dies wieder völlig rückgängig zu machen.
Was aber nun, wenn das Wachstum völlig zum Erliegen kommt oder sogar ins Minus rutscht? Nach Schätzungen des Internationalen Währungsfonds müssen die Industrieländer - auch bedingt durch die Finanzkrise - mit einem Nullwachstum rechnen. Für dieses Szenario gibt es keine Beschäftigungsprognose des IAB. Aber die Arbeitsmarktforscher haben optimistische Szenarien mit 1 und mit 1,5 Prozent Wachstum durchgespielt. Danach hat jedes halbe Prozent weniger Wachstum im Vergleich der Jahresdurchschnitte rund 60.000 Arbeitslose mehr zur Folge. Auch hier sieht der Jahresverlauf noch ungünstiger aus. Bei einem Nullwachstum könnten im Verlauf des Jahres 2009 saisonbereinigt rund 300.000 Erwerbslose hinzukommen. Die Dynamik, die Finanzkrisen entfachen können, vermag in solchen Rechnungen allerdings kaum abgeschätzt zu werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Sicherheitsleck in der JVA Burg
Sensibler Lageplan kursierte unter Gefangenen