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SPD & Bahn-PrivatisierungUnauflösbarer Widerspruch

Ab Montag diskutiert die Arbeitsgruppe Bahnreform der Partei mit Parteichef Kurt Beck und Stellvertretern. Es geht um die Bahn - und um den Kurs der SPD.

Monatelang lag die geplante Privatisierung der Bahn auf Eis. Nun soll alles plötzlich ganz schnell gehen: Am heutigen Montag legt die Deutsche Bahn AG ihre Jahresbilanz vor, um dabei erneut für einen Teilverkauf des Unternehmens zu werben. Gleichzeitig nimmt heute die Arbeitsgruppe Bahnreform in der SPD ihre Arbeit auf - die die Bahn zukunftsfähig machen will.

Der SPD ist die AG Bahn so wichtig, dass die gesamte Parteispitze darin zu finden ist. Der schwer angeschlagene Parteichef Kurt Beck sitzt ebenso in dem Gremium wie sein mutmaßlicher Konkurrent um die Kanzlerkandidatur, Frank-Walter Steinmeier. Sie werden sich aufmerksam beäugen. Denn der Umgang mit dem staatlichen Dienstleister Bahn steht prototypisch für den Kurs der SPD - dem Volk aufs Maul schauen oder die große Koalition stärken.

Die Partei hat jüngst beschlossen, dass "private Investoren keinen Einfluss auf die Unternehmenspolitik der Bahn ausüben dürfen". In der Arbeitsgruppe der SPD aber haben jene eine Mehrheit, die eine Bahn-Privatisierung befürworten - und dieses trotz gegenteiligen Parteitagsbeschlusses in den Gremien durchsetzen wollen.

Schon die Einsetzung der AG war ein Deal zwischen Beck und seinen Stellvertretern Steinmeier und Steinbrück, auch Stones genannt. Die Stones hatten, so ist aus der Parteispitze zu erfahren, zur Bedingung gemacht, dass Beck die Bahn nicht nur zur Chefsache macht, sondern auch innerparteilich Druck für den Bahn-Verkauf macht. Ohne dieses Zugeständnis hätten die beiden Kurt Beck bei seiner misslungenen Öffnung hin zur Linkspartei nicht weiter gestützt.

Trotz des Drucks von ganz oben dürfte es dennoch kein leichtes Unterfangen sein, die Bahn-Privatisierung innerhalb der SPD durchzudrücken. Die Parteibasis lehnt die Pläne ab - genau wie die Bevölkerung insgesamt. Da nutzt es auch wenig, dass der Öffentlichkeit bislang kein aussagefähiges Modell für die Teilprivatisierung vorliegt. Denn, so viel ist klar: Investoren werden in jedem Fall erheblichen Einfluss auf die Geschäftspolitik der Bahn haben - und damit auch auf den Fahrplan und das Netz. Genau das, was die SPD-Delegierten des Hamburger Parteitags verhindern wollten.

"Ein Privatinvestor hat nur ein Ziel: seine Rendite", sagt etwa der Unternehmensberater Michael Holzhey. Er hat im vergangenen Jahr im Auftrag der Bundesländer ein umfangreiches Gutachten zur Bahnprivatisierung erstellt. Selbst ein Minderheitseigentümer, so Holzhey, habe viele Möglichkeiten, Maßnahmen zur Effizienzsteigerung durchzusetzen. "Man kann einem Eigentümer auf lange Sicht nicht verwehren, etwas aus seinem Eigentum zu machen." Bei der Telekom etwa habe der Finanzinvestor Blackstone schon mit einem Anteil von 4,9 Prozent entscheidenden Einfluss genommen. Sobald private Investoren mehr als 25 Prozent hielten und damit ein Vetorecht hätten, bestimmten sie faktisch die Politik eines Unternehmens. "Dafür sorgt schon deren ausgebuffte Rechtsabteilung." Groß sei die Gefahr, dass der Fernverkehr der Bahn ausgedünnt werde.

Bekannt ist vom Holding Model bisher, dass die Deutsche Bahn aufgespalten wird. Unter dem Dach der DB AG, die im Besitz des Bundes bleibt, soll in Form einer Aktiengesellschaft eine Verkehrs- und Logistikholding entstehen. Sie umfasst die Bereiche Fern-, Nah- und Güterverkehr sowie die Logistikdienstleistungen. An dieser Holding sollen sich private Investoren zu 49,9 Prozent beteiligen können. Das Schienennetz und die Bahnhöfe gehören zur Infrastrukturholding, die im Besitz der Bahn AG und damit des Bundes bleibt. Die Befürchtung der Kritiker: Auch wenn der Bund das Netz ganz behält und er in der Verkehrsholding im Besitz der Mehrheit sein wird, so wäre der künftige Kurs der Bahn außer Kontrolle. Das wichtige Infrastrukturunternehmen Bahn könne Privatinteressen geopfert werden.

"Letztlich könnte bei der Bahn am Ende eine dürre Netzspinne mit sechs oder sieben Strecken im Fernverkehr übrig bleiben", befürchtet Wolfgang Hesse. Er ist Mathematiker und Entwickler für Fahrplansoftware an der Universität Marburg. Bei einer Profitbahn könnten, so sein Negativszenario, nur Hauptrouten wie Berlin-Hannover-Köln, Hamburg-Frankfurt-Basel oder Köln-Frankfurt-München übrig bleiben, weil Investoren die Möglichkeit hätten, die Streichung jeder unrentablen Verbindung im Fernverkehr zu erzwingen. Am Ende hieße das: Ganze Strecken würden gestrichen, sagte Hesse der taz.

Nicht anders denkt man in der Bundesarbeitsgemeinschaft Schienenverkehr. "Das Prinzip von Herrn Mehdorns Börsengangmodellen ist immer dasselbe: Die Kosten werden auf die Länder und Fahrgäste abgewälzt, die Gewinne privatisiert", sagt Bernhard Wewers von der Arbeitsgemeinschaft, die den deutschen Nahverkehr bestellt. Der Grund: Die Privatinvestoren müssten bei Laune gehalten werden, indem der teilprivatisierte DB-Fernverkehr entlastet werde - zu Lasten der Nahverkehre, für die die Bundesländer geradestehen müssen.

Nicht einmal das Bundesverkehrsministerium geht davon aus, dass die Privatisierung der Bahn ohne Einschnitte ins Schienennetz machbar sei. In einem Gutachten zum Holding-Modell der Anwaltskanzlei Hölters & Elsing, das Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee in Auftrag gegeben hat und das der taz vorliegt, heißt es: "Konfliktpotenziale mit den Interessen außenstehender Aktionäre der Verkehrs- und Logistik AG [sind] möglichst zu vermeiden" - anderenfalls drohten "Nachteilsausgleichs- und Schadensersatzpflichten". Die komplizierten Sätze der Wirtschaftsanwälte bedeuten auf gut Deutsch: Setzt der Bund als Eigner der Bahn etwas durch, was die Investorenrendite schmälert, so kann er sofort verklagt werden. Das wäre das glatte Gegenteil von dem, was die SPD-Delegierten beschlossen haben: "Eine zentrale Aufgabe [der Bahn] ist dabei die Erreichbarkeit und Mobilität in der Fläche."

Christian Böttger, Bahnexperte an der Berliner Fachhochschule für Technik und Wirtschaft, glaubt sogar, dass die Bahnprivatisierung gegen das Aktienrecht verstößt. Nach bisherigen Plänen soll Hartmut Mehdorn gleichzeitig Chef der staatlichen DB AG und der privaten Verkehrsholding sein. "Dadurch könnte er in unlösbare Interessenkonflikte geraten", sagt Böttger. In seiner einen Rolle müsste er für hohe Trassenpreise kämpfen - und in der anderen für niedrige Trassenpreise. Falls ein Zug der DB Transportholding entgleise und die Netzgesellschaft auf Schadenersatz verklagt werde, säße Mehdorn im Prozess auf beiden Seiten.

Die Anhänger einer Bahnprivatisierung argumentieren damit, dass der Bund ein gutes Geschäft machen würde. Aus der Sicht vieler Kritiker stimmt nicht einmal das. Verkehrsminister Tiefensee rechnet beim Verkauf von 49,9 Prozent der Verkehrsholding mit einem hohen einstelligen oder knapp zweistelligen Milliardenbetrag - also rund 10 Milliarden Euro. Diese Summe würde sich der Bund mit der Bahn selbst teilen. Gleichzeitig hat der Bund zugesagt, 2,5 Milliarden Euro pro Jahr in die Eisenbahninfrastruktur zu stecken. Das bedeutet aber, dass der Bund seine Einnahmen nach wenigen Jahren wieder los wäre. Ein hoher Preis dafür, sich renditeinteressierte Investoren ins Unternehmen zu holen. Die Einnahmen hält Bahn-Gutachter Holzhey für "geradezu lächerlich".

Bei einer Zerschlagung des Konzerns könnte deutlich mehr erzielt werden. "Darum ist der Schritt zur Vollprivatisierung dann nicht mehr weit", fürchtet Holzhey. Schon heute würden die Transportgesellschaften der Bahn nur mühsam zusammengehalten. "Wenn es dem Bund um reine Geldbeschaffung geht, wäre es sinnvoller, nur den Logistikbereich zu verkaufen." Ähnlich sieht es Verkehrsexperte Wolfgang Hesse. Er plädiert dafür, die notwendigen Investitionen ins Schienennetz aus dem Verkauf der Spedition Schenker oder dem Verzicht auf teure Großprojekte wie den unterirdischen Bahnhof "Stuttgart 21" zu finanzieren.

Dass der Bahn ohne Börsengang Mittel für ein besseres Angebot und neue Züge fehlen würden, wie die Bundesregierung betont, darf bezweifelt werden. Bahnchef Hartmut Mehrdorn macht keinen Hehl daraus, dass er das Geld vor allem für die internationale Expansion einsetzen will. Diese Strategie hält Christian Böttger von der Berliner Fachhochschule für fraglich. "Die Logistikbranche ist ungeeignet, einen großen Weltkonzern aufzubauen." Die gesamte Wertschöpfungskette haben zu wollen, widerspreche der Tendenz, dass Unternehmen sich auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren sollten. "Die Bahn will Geld, um sich Lkw-Flotten in Rumänien zu kaufen", kritisiert Böttger. Das sei nicht ihre Aufgabe. Sie solle lieber das Schienennetz ausbauen und mehr Verkehr auf die Schiene verlagern.

Mitarbeit: Malte Kreutzfeldt

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