piwik no script img

Gegen AKW im ErdbebengebietOhne Geld kein Atomkraftwerk

Die Umweltorganisation Urgewald will die Finanzierung neuer Atomkraftwerke verhindern. Teil 3 der taz-Serie über die Anti-Atom-Bewegung.

Der Energiekonzern RWE muss noch davon überzeugt werden, sich aus der Finanzierung des Belene-Projektes zurückzuziehen. Bild: dpa

MÜNSTER taz Eigentlich wollten sie schon am Freitag vor zwei Wochen Weihnachten feiern. Doch dann kamen für die Mitarbeiter der Umweltorganisation Urgewald zwei schlechte Nachrichten auf einmal: Morgens erfahren sie, dass Kritiker des Atomkraftprojekts Belene in Bulgarien Morddrohungen erhalten haben. Und am Abend: Die Verträge zum Bau des neuen AKWs sind unterzeichnet.

Atom-Proteste

Der jüngste Castor-Transport im November hat es gezeigt: Die Anti-Atom-Bewegung ist lebendig. Doch woher kommen die vielen tausend Menschen, die rund um Gorleben auf Straßen und Schienen protestierten - und was machen sie eigentlich, wenn gerade kein Atommüll-Transport durchs Land rollt? Während die Politiker über den Ausstieg aus dem Ausstieg diskutieren, engagieren sich im ganzen Land Initiativen gegen Atomkraft. Und zwar auf unterschiedliche Weise: Die einen versuchen, die Finanzierung von Atomkraft-Projekten zu verhindern; andere drehen einen Film über Uranabbau in Australien oder versuchen, Atomkritiker per Internet zu vernetzen. Zum Beginn des Wahljahrs, in dem wichtige Atom-Entscheidungen fallen, stellt die taz täglich eine Anti-Atom-Initiative vor.

Eigentlich versteht sich Urgewald nicht als Anti-Atomkraft-Organisation. Doch in den letzten Jahren ist der Verein aus dem kleinen Ort Sassenberg im Münsterland vor allem durch seine Kampagne gegen den geplanten AKW-Neubau in einem bulgarischen Erdbebengebiet bekannt geworden. Der Ansatz: Ohne Geld kein AKW. Wenn keine Bank bereit ist, dem bulgarischen Energieversorger einen Kredit für das Kraftwerk in Belene zu geben, dann wird es auch nicht gebaut.

Als Urgewald vor 16 Jahren gegründet wurde, war die Arbeit noch auf die Tätigkeiten der Weltbank fokussiert, deren Großprojekte die Regenwälder zerstören. "Wir wussten, dass die Finanzierung ein entscheidender Hebel sein kann, um Projekte zu verhindern", sagt Heffa Schücking, die von Anfang an dabei ist. Heute ist sie Geschäftsführerin und für die Kampagne gegen das Belene-AKW zuständig.

Vor zwei Jahren hat Urgewald zu einer bundesweiten Aktionswoche gegen die Deutsche Bank und die HypoVereinsbank aufgerufen, nachdem die beiden Banken eine Finanzierung des Belene-Projekts angeboten hatten. In 60 Städten protestierten Menschen vor den Filialen der Kreditinstitute. Die Banken zogen sich schnell aus dem umstrittenen Geschäft zurück.

Jetzt will der Energiekonzern RWE als Investor zwei Milliarden Euro in das Projekt schießen, dessen Gesamtkosten bei sieben Milliarden Euro liegen. Schücking hat dafür kein Verständnis: "Zwei Milliarden zu investieren, ohne vorher die Alternativen zu prüfen, ist ökonomischer Unsinn", sagt sie. Es sei billiger, den Strom durch erneuerbare Energien zu gewinnen. Und selbst der Standort sei von RWE nicht in Frage gestellt worden, obwohl der Bau eines Atomkraftwerks im Erdbebengebiet nicht nur höhere Risiken, sondern auch zusätzliche Kosten bedeute.

Obwohl der Vertrag am Freitag unterzeichnet wurde, gibt Schücking nicht auf: Schließlich sei er so formuliert, dass RWE jederzeit wieder aussteigen könne. "Wir werden deshalb weiterhin Druck machen, damit die Aufsichtsräte diese unverantwortliche Investition streichen." Mit Atomabenteuern wie Belene steuere RWE geradewegs auf einen "Reputations-Super-GAU" zu. Sie sieht deshalb "gute Chancen", das Projekt noch zu verhindern.

Das sieht auch Christoph Benze so. Er hat vor zehn Jahren bei Urgewald mit der Anti-Atom-Arbeit begonnen. Jetzt arbeitet er beim Umweltsenator in Bremen, sitzt aber im Vorstand des Vereins. Urgewald zeichne sich nicht nur durch "seriöse Informationen" aus, sagt er, sondern vor allem auch durch einen "langen Atem". Schücking: "Wo wir uns einmal reinbeißen, da bleiben wir dran."

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

1 Kommentar

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • E
    emil

    urgewald macht ihre/seine sache wirklich gut. und von den bekannten akw risiken, noch dazu im erdbebengebiet, abgesehen, was allein die baukosten angeht, die würden sicher nicht bei 7 milliarden bleiben. es ist ja bekannt, wie solche kostenvoranschläge meist am ende weit übertroffen werden. und für 10 milliarden euro könnte bulgarien sehr viele anlagen für solar- und windenergie errichten, insbesondere, wenn für diese technologien auch im eigenen land mehr ausbildungs- und produktionsanlagen gebaut würden.

    neben großen mengen windenergie, v.a. im schwarzen meer, dazu auch viel biogas wegen der vielen landwirtschaft, ist das sonnenreiche bulgarien für solarenergie geradezu paradiesisch.

     

    wo schon nach einer studie einer hochschule in der norddeutschen stadt osnabrück diese stadt den gesamten strom ihrer privathaushalte übers jahr gerechnet allein aus solaranlagen auf guten und sehr gut geeigneten dächern der stadt erzeugen könnte, wie viel mehr würde das erst für bulgarien gelten?! - wobei die dörfer und kleineren städte viele überschüsse erzeugen könnten, die den größeren städten zugute kommen könnten. im süden könnten außerdem noch ein paar heliostat-oder parabolrinnenkraftwerke errichtet werden (zwischen deren spiegeln im schatten zugleich gras wachsen könnte & sollte!).

     

    mit biogas- wind- und sonnenenergie könnte bulgarien schon in weniger als 10 jahren viel überschuss an elektrizität für den export erzeugen - und das für weniger als 10 mrd. euro investitionskosten - und vor allem ohne gau-risiken.