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Das Positive am Klimakompromiss"Besser als nichts"

Nach dem Klimagipfel-Desaster suchen Delegierte und Klimaschützer nach dem Positiven von Kopenhagen - und werden sogar fündig.

UN-Klimakonferenz am frühen Samstagmorgen. Bild: dpa

"Der größte Erfolg an diesem Papier ist, dass es überhaupt zustande gekommen ist", sagte ein sichtlich müder und enttäuschter EU-Kommissionspräsident Manuel Barroso morgens um halb drei am Samstag im Kopenhagener Kongresszentrum. Er findet das gerade von der EU akzeptierte windelweiche Dokument "besser als nichts". Und der schwedische Ministerpräsident Frederik Reinfeld an seiner Seite hat auch keinen wirklichen Trost zu bieten: "Das ist eine Enttäuschung, wenn man unsere ehrgeizigen Vorgaben betrachtet", sagt der EU-Ratspräsident.

Und doch: Manche Delegierte und Klimaschützer suchen nach dem Ende des Klimagipfels nach dem Positiven in dem Abkommens von Kopenhagen. Und sie finden überraschend viele positive Punkte:

- Ein Forum für die großen Verschmutzer: Zum ersten Mal verhandeln die USA und China auf Augenhöhe - auch wenn die Augen sich etwa in Kniehöhe befinden. Das Abkommen, auf das der "Copenhagen Accord" hinzielt, wird beide Klima-Supermächte einschließen. Bislang beharrte China auf dem Kioto-Protokoll, die USA dagegen weigerten sich bislang, es zu unterschreiben.

- Schützenhilfe für Obama: Der US-Präsident kehrt gestärkt nach Hause zurück. Er hat nichts getan, was die USA juristisch bindet, und er hat gleichzeitig den Chinesen Regeln zur Transparenz abgetrotzt. Er hat dem heimischen Publikum verkündet, es gehe um die Sicherheit und die Jobs der USA - gute Stimmung kann er gebrauchen, um sein Klimagesetz durch den Kongress zu bekommen. Dafür sind die Chancen mit dem "Copenhagen Accord" gestiegen.

- Geld: Zwischen 2010 und 2012 wollen die Industrieländer 30 Milliarden Dollar für Klimaschutz, Anpassung und Technologie in den Entwicklungsländern bereitstellen. Neu ist auch, dass sich die USA an den 100 Milliarden ab 2020 beteiligen - die Höhe ist aber noch offen. Auf Anregung des UN-Generalsekretärs Ban Ki Moon soll ein "High Level Panel" aus etwa zehn international renommierten Persönlichkeiten die Aufbringung dieses Geldes überwachen. Sie sollen verhindern, dass viel Geld versprochen, aber wenig geleistet wird, wie etwa bei den UN-Millenniumszielen.

- Transparenz: China und Indien haben akzeptiert, dass die Berechnung ihrer Kohlendioxid-Emissionen nach internationalen Standards passiert. Zwar behalten sie weiterhin die Hoheit über die Anrechnung, aber die Standards, nach denen das passiert, sind nun zwischen den Ländern vergleichbar. "Wir werden deutlich mehr und bessere Daten bekommen", sagte der Schweizer Umweltminister Moritz Leuenberger. Erstmals haben die Schwellenländer zugestanden, dass Klimaschutz die nationale Souveränität nicht einschränken muss - ein Punkt, der ihnen aus kolonialer Vergangenheit wichtig ist.

- Soforthilfe für den Wald: Der Text besagt, dass ab sofort ein internationaler Mechanismus eingerichtet werden kann, der die Finanzierung von Waldschutzmaßnahmen regelt. Damit kann eines der wichtigsten Projekte zum Schutz der Regenwälder angeschoben werden. Denn das Plenum der COP war clever genug, den "Copenhagen Accord" trotz aller seiner Schwächen nicht abzulehnen, sondern "zur Kenntnis zu nehmen" - was bedeutet, dass die dort vorgesehenen Gelder fließen können.

- Ernsthafte Verpflichtungen der Schwellenländer: China, Indien, Brasilien und Südafrika haben nicht nur ehrgeizige Ziele für Klimaschutz zu Hause vorgelegt, sie haben im Laufe der Konferenz auch zugesagt, diese Politikmaßnahmen als nationale Gesetze zu formulieren und umzusetzen. Diese Länder, die mit den USA den schwachen "Copenhagen Accord" geprägt haben, haben seit der Konferenz in Bali vor zwei Jahren enorme Fortschritte beim Ausbau der erneuerbaren Energien oder bei der Steigerung der Energieeffizienz gemacht und ehrgeizige Ziele für sich festgelegt - nur eben nicht international bindend.

"Ich hoffe, der Frust nimmt nicht überhand", sagt Christoph Bals, politischer Geschäftsführer der NGO Germanwatch. Nach dem Scheitern sollte erst einmal Nachdenken über die nächsten Schritte einsetzen. So müsse man den UN-Prozess zwar fortsetzen, aber über andere Entscheidungsgremien nachdenken: "Bei den Reduktionszielen der Industrieländer, bei mehr Energieeffizienz oder beim Regenwaldschutz ist es nicht sinnvoll, dass alle Staaten der Welt darüber entscheiden", so Bals. Man müsse allerdings dafür sorgen, dass diese kleinen Gruppen ambitionierte Ziele finden.

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