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die wahrheitKaffee und Kuchen bei Gsella

Bei Thomas Gsella im Titanic-Büro gab es immer gut zu essen, das war damals allgemein bekannt. Zu ihm ging man, wenn man vor Hunger nicht mehr weiterwusste...

... Die Möglichkeit, sich bei Gsella auf Redaktionskosten durchzufressen, war trotz der Gefahr, dass er dann Klavier spielte, oft die Rettung.

Eines Tages enthielt mein Kühlschrank nur eine Damenarmbanduhr, doch ich wusste: Bei Gsella würde ich sofort Kaffee und Kuchen bekommen. Wenn er nur nicht wieder Klavier spielte! Aber das musste man riskieren. Ich ging also hin. Die Tür stand wie immer offen, Robert Gernhardt und F. K. Waechter spielten im Flur Fußball mit dem Kopf von Gsella.

Ich rief, allen Respekt hintanstellend: "Das können Sie doch nicht machen!" Na, wie sich dann herausstellte, war es doch nicht der Kopf von Gsella, sondern irgend etwas anderes. Ich war damals nur so auf Thomas Gsella fixiert, dass ich ihn beziehungsweise seinen Kopf überall sah: im Fernsehen, draußen, drinnen, auf der Eisbahn, im Traum, überall. Gernhardt und Waechter lachten sich kaputt über meinen Irrtum.

In der Küche röchelte die Kaffeemaschine. Gsella holte soeben den längst fertigen Kaffee und lud mich ein, ihm in sein geschmackvoll eingerichtetes Büro zu folgen. "Setzen Sie sich", sagte er, und ich nahm meinen gewohnten Platz ein. Da erst fiel mir auf, wie unmöglich der Tisch gedeckt war. So ziemlich alles stand an der falschen Stelle. Gsella platzierte die volle Glaskanne links von sich hart am Tischrand. Seine Kaffeetasse stand rechts neben der Untertasse, die Kuchengabel lag links vom Teller.

Nachdem er sich gesetzt hatte, hob er den rechten Arm, hielt ratlos inne, näherte die Hand mal der Kanne, mal der Milch, ergriff zuletzt aber den Süßstoff. Sowie zwei Sacharin-Tabletten aus dem zylinderförmigen Spender in seine Tasse gefallen waren, blickte Gsella in diese hinein, um dann aufzuschreien: "Beide sind aufrecht stehen geblieben! Wenn man das absichtlich hinkriegen wollte, würde es einem nicht in hundert Jahren gelingen!"

Ich wurde dringend aufgefordert, es mir ansehen. Jedes Mal, wenn Gsella einen Schluck getrunken hatte, setzte er die Tasse wieder rechts von der Untertasse ab. Bis zum Schluss behielt er diese Praxis bei. Mit der rechten Hand ergriff er, über seinen Teller hinweg, die weit links außen stehende Kaffeekanne, füllte seine Tasse und stellte die Kanne an den Tischrand zurück. Um sie zu erreichen, musste ich mich über den ganzen Tisch beugen.

Was wir sprachen, weiß ich nicht mehr. Ich hatte auch andere Sorgen, als darauf zu achten, denn jeden Augenblick konnte Gsella anfangen, Klavier zu spielen. Wie stets in dieser Situation, hatte ich das Bedürfnis, ihn abzulenken. Deshalb erkundigte ich mich bei ihm, was denn am Wochenende geschehen sei. Gsella gab einen unverständlichen Laut von sich und schien einzuschlafen. Unbeweglich und stumm saß er da. Nachdem ich seinen Berliner Ballen verspeist hatte, stand ich vom Tisch auf und verließ das Büro. Inzwischen war schon die Polizei da, um Gsella abzuholen.

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