Galatasaray Istanbul in der Krise: Die Hölle ist Geschichte
Das Ali-Sami-Yen-Stadion wird abgerissen, Galatasaray Istanbul zieht in die moderne Türk Telekom Arena. Vielleicht findet der Traditionsclub dort zum Erfolg zurück.
KARLSRUHE taz | Sie nannten diesen Ort "Cehennem" - die Hölle. Dienstagnacht wurde die Hölle, das Ali-Sami-Yen-Stadion von Galatasaray Istanbul, der Geschichte übergeben. Alle waren sie zum letzten Fußballspiel dort gekommen: Meistertrainer wie Fatih Terim und Mustafa Denizli und große Spieler wie Tanju Colak oder Hakan Sükür sagten jenem Ort Adieu, an dem sie zu Legenden des Galatasaray Spor Kulübü wurden.
Der Sänger Barbaros Büyükakkan erwies der maroden Stätte mit einem Lied seine letzte Reverenz, ehemalige Stars kickten gegeneinander, und Präsident Adnan Polat sorgte für Pathos: "Wir müssen uns vom Ali-Sami-Yen-Stadion trennen, in dem wir unser Leben verbracht haben. Aber es wird ewig in unserem Herzen bleiben." Die Bagger stehen bereit in Mecidiyeköy auf der europäischen Seite der Millionenmetropole am Bosporus, um das alte Stadion abzureißen.
1943 begann der Bau, eingeweiht wurde das Stadion aber erst mit einem Freundschaftsspiel zwischen der Türkei und Bulgarien 1964. Mitten in einem Wohngebiet gelegen und nur durch einen schmalen Fußweg von einer Stadtautobahn getrennt, bot das Ali Sami Yen nur knapp 23.000 Zuschauern Platz. Der Lärm konnte aber so ohrenbetäubend sein, dass gegnerische Teams hier oft in Ehrfurcht erstarrten.
AC-Mailand-Legende Paolo Maldini sagte nach einer Niederlage bei Galatasaray 1999: "Niemand kann mir sagen, dass das nur 20.000 Zuschauer sein sollen." Auf Sätze wie diesen sind sie bis heute stolz bei den "Löwen" von Galatasaray. Der Sieg gegen Milan fiel in eine Zeit, als der Klub mit Trainer Fatih Terim viermal hintereinander türkischer Meister wurde. 2000 gewann als er bis heute einziges türkisches Team den Uefa-Cup.
Die großen Zeiten sind vorbei, der Galatasaray steht nach der Hinrunde der Süperlig mit 19 Punkten Rückstand hinter Tabellenführer Trabzonspor im Niemandsland der Tabelle. Noch immer leiden die großen Klubs aus Istanbul an der Meisterschaft von Bursaspor in der letzten Saison, dem ersten Titel für einen Klub aus Anatolien seit 26 Jahren.
Und sie leiden an ihrer eigenen Rivalität. Wie viel Energie der Hass aufeinander die Großvereine Istanbuls kostet, zeigte sich erst vor knapp drei Wochen wieder. Fans von Galatasaray stürmten während eines U-17-Spiels gegen Fenerbahce den Platz und droschen auf die Fener-Talente ein – 13 Spieler wurden verletzt, es gab einen Nasenbeinbruch.
Als jüngst Colin Kazim-Richards, ein in London geborener türkischer Nationalspieler, von Fenerbahce zu Galatasaray wechselte, gab es einen Aufstand der Galatasaray-Fans. Doch gleich im ersten Pflichtspieleinsatz erzielte der schnelle Offensivspieler beim 3:1 in der Pokalpartie gegen Sekerspor am Dienstag beim Abschied aus dem Ali-Sami-Yen-Stadion ein Tor. Die Fans machen Präsidenten Adnan Polat für die Krise des Klubs verantwortlich. Trainer Frank Rijkaard musste gehen, mit Nachfolger Gheorghe Hagi läuft es nicht besser. Der divenhafte Rumäne war schon mal als Trainer bei Galatasaray grandios gescheitert.
Am Samstag wird mit einem Freundschaftsspiel gegen Ajax Amsterdam die neue Heimstätte eingeweiht. Die "Türk Telekom Arena" fasst 52.500 Zuschauer und ist das erste Stadion der Türkei mit mobilem Dach. Nach undurchsichtigen Finanzierungsschwierigkeiten verzögerte sich der Bau. Offiziell 230 Millionen soll die Arena gekostet haben, geplant hat sie ein deutsches Architektenbüro aus Stuttgart.
Ein Bauarbeiter, der mit einem Fenerbahce-Schal in der neuen Arena posierte, soll entlassen worden sein. Nach einer Zeitenwende hört sich das nicht an, auch wenn "die Hölle" Geschichte ist.
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