piwik no script img

Vor der Fußball-EMDas Medien-Spielchen des DFB

Vier Monate vor der Fussball-Europameisterschaft erklärt der DFB der Sportpresse, wie sie die Spieler während des Turniers zu interviewen hat.

FRANKFURT AM MAIN taz Die Jagd nach dem gesprochenen Wort hat begonnen. Im Juni erst beginnt die Fußball-Europameisterschaft in Österreich und der Schweiz, diese Woche hat der Deutsche Fußballbund (DFB) die Sportpresse, vor allem die schreibende, in einem Workshop schon auf das vorbereitet, was in den EM-Tagen auf sie zukommt: Die Journalisten müssen es mitmachen, das Medienspielchen des DFB.

Denn sonst gibt es während der EM kein Interview mit einem Fußballer zu lesen, sondern nur das weiterzugeben, als das, was auf den offiziellen Pressekonferenzen aus dem Trainingslager verkündet wird. "In aller Offenheit" wollte DFB-Mediendirektor Harald Stenger mit den Journalisten darüber reden, was möglich sein wird bei der Euro 2008.

Weit weg von Turniergeschehen, in Tenero am Lago Maggiore, wird die Auswahl trainieren. Eine Sporthalle soll zum Medienzentrum umfunktioniert werden. Neben dem Saal für die große Pressekonferenz, wird es sechs abgetrennte Kämmerchen geben, in denen die heiß begehrten Einzelinterviews mit den Spielern stattfinden sollen.

Einzelinterviews ist dabei purer Euphemismus: Zehn bis zwölf Medienvertreter sitzen 20 Minuten mit einem Spieler am Tisch. Nachfragen ist so gut wie nicht möglich, eine vertrauensvolle Gesprächsatmosphäre kann gar nicht erst aufkommen. Der Boulevardreporter will wissen, wie oft der junge Superstar an der Playstation sitzt, ein Vertreter einer Regionalzeitung fragt, ob der Spieler verfolge, wie seine Leistungen in seinem Heimatkaff bewertet werden, und wer wissen will, warum sich der Stürmer im letzten Spiel so schwer getan hat, kommt eventuell gar nicht zu Wort. Und am Ende bastelt jeder daraus sein Interview.

Unter den bei der EM anwesenden Journalisten sind zudem etliche, die nicht nur für das Medium arbeiten, für das sie akkreditiert sind: Viele Kollegen schließen sich zu einem so genannten Pool zusammen und schicken dann einen Vertreter zum "Einzelinterview". Anschließend können alle Poolmitglieder über das Material verfügen und haben das, was die Redaktion von ihnen will: ein "exklusives" Spielerinterview.

DFB-Sprecher Stenger forderte explizit zur Bildung von Pools auf. "Dass erhöht auf jeden Fall die Chancen, ein Einzelinterview zu bekommen."

Stenger, der lange Jahre bei der Frankfurter Rundschau in der Sportredaktion tätig war, weiß, dass es diese Art von Stiller-Post-Journalismus fragwürdig ist: "Viele von Ihnen sehen das problematisch", sagte er am Montag. Aber es sei eben gar nicht anders möglich. Die sportliche Leitung habe ohnehin kaum Zeit, um die Mannschaft auf die Spiele vorzubereiten. "Wir tun unser Möglichstes", sagte er und verwies auf andere Fußballverbände, die nicht viel mehr anbieten würden als die Pressekonferenz vor dem jeweiligen Spiel, die vom Veranstalter, der Europäischen Fußballunion (Uefa), vorgeschrieben sei.

Dankbar sollen die Journalisten dem DFB also sein, und die deutsche Nationamannschaft bitte schön möglichst in Ruhe lassen. Die soll nämlich nicht nur das Turnier gewinnen, die soll auch helfen, den Reichtum des DFB zu mehren. Am Mittwoch nächster Woche tritt die deutschen Auswahl zum Testspiel in Wien an. Und Oliver Bierhoff, Manager der Nationalmannschaft, beklagt laut die knappe Zeit für die sportliche Vorbereitung. Doch daran sind nicht die Journalisten schuld. Der nationale Terminkalender ist auch deshalb so prall gefüllt, weil Hauptsponsor Mercedes-Benz am Montag mit den Spielern einen Werbefilm drehen darf. - "Sie sehen, für Einzelinterviews bleibt da wirklich keine Zeit", kommentiert DFB-Mann Stenger. Und damit die Presse gar nicht erst auf die Idee kommt, auf den Autobauer sauer zu werden, wurde am Montag schon einmal zur großen Presse-Party vor dem EM-Start eingeladen, zum "Media-Kickoff" von Mercedes-Benz und DFB - Anfang Juni in der mondänen Delta Beach Lounge in Ascona .

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!