Revolution in Ägypten: "Wir leben in einer Militärdiktatur"
Die Generäle spielen nur auf Zeit, meint der Leiter des Züricher Instituts für Strategische Studien, Albert A. Stahel. Die Jüngeren in der Armee sind unzufrieden.
taz: Herr Stahel, nach dem Rücktritt von Husni Mubarak hat in Ägypten der Oberste Militärrat die Macht übernommen. Was bedeutet das?
Albert A. Stahel: Wir hatten vorher eine Militärregierung und jetzt haben wir immer noch eine Militärregierung. Grundsätzlich hat sich nichts geändert, abgesehen davon, dass Mubarak gestürzt wurde, und zwar durch seine Kollegen im Militärrat. Der Grund dafür ist der, dass Mubarak seinen Sohn Gamal an die Macht bringen wollte und er keinen militärischen Hintergrund hat. Also hat man ihn abgesetzt.
Wie ist die Armee strukturiert?
Das Offizierskorps besteht aus Berufsoldaten und das Heer, 340.000 Mann, aus Wehrpflichtigen. Da spielt der Bezug zur Bevölkerung eine wichtige Rolle.
Unter Mubarak haben die Generäle Privilegien genossen. Gibt es Konflikte mit den mittleren Rängen?
Ja, die unteren Ränge sind still gehalten worden, da gibt es ein Unzufriedenheitspotenzial. Es ist durchaus denkbar, dass von dort noch mehr Druck ausgeübt wird. Man vermutet übrigens, dass diese Kreise so viel Druck ausgeübt haben, dass Mubarak gestürzt worden ist.
ALBERT A. STAHEL, geboren 1943, ist Professor für Strategische Studien an der ETH Zürich und der Universität Zürich. Er ist Autor zahlreicher Fachbücher zur Geopolitik und Geostrategie und Leiter des Züricher Instituts für Strategische Studien.
Die ägyptische Armee kontrolliert etwa 10 Prozent der Wirtschaft, sie besitzt Fabiken und Strandclubs für ihre Mitglieder. Geht es der Führung auch um den Erhalt ihrer Pfründen?
Den Generälen sicher, sie sind eigentlich das alte Regime. Die werden alles daransetzen, ihre Interessen zu bewahren, aber die jüngeren Kaderleute möchten natürlich daran partizipieren. Da erhebt sich die Frage: Wie kann man sie zufriedenstellen? Das wird die Krux innerhalb der Militärregierung sein.
In der Erklärung des Militärrates ist nicht die Rede von einer zivilen Übergangsregierung.
Das wundert mich nicht. Die Generäle spielen auf Zeit. Sie möchten zuerst einmal Klarheit haben, wer überhaupt hinter dem Aufruhr steckt, welche Kreise es sind, wen es neben den Muslimbrüdern noch gibt. Die Jüngeren werden darauf drängen, Änderungen vorzunehemen. Aber sie sind natürlich auch nicht demokratisch ausgerichtet. Sie möchten sowieso eine Militärherrschaft, aber unter anderen Vorzeichen.
Marschieren wir in Richtung Militärdiktatur?
Es ist eigentlich schon eine Militärdiktatur. Es wird sich nur ändern, wenn man so viel Druck ausübt, und zwar von außen, dass die Militärs so schnell wie möglich eine wirklich zivile Regierung und einen zivilen Präsidenten einsetzen und Wahlen organisieren.
Meinen Sie mit Druck von außen Druck seitens der Bevölkerung oder Druck des Auslands, namentlich der USA?
Das können nur die USA machen. Alle anderen Staaten haben keinen Einfluss und keine Beziehungen zu den ägyptischen Militärs. Sonst wird es weiterhin eine Militärregierung geben. Dann wird sich herausstellen, ob es nochmal einen Aufstand gibt, und wenn ja, wie er gesteuert wird.
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