Saudisches Gerichtsurteil: Hiebe für Vergewaltigungsopfer
Peitschenhiebe und Gefängnis für eine siebenfach vergewaltigte Frau - dieses Urteil verdeutlicht die Macht der Richter in Saudi Arabien und die Probleme des dortigen Rechtssystems.
KAIRO taz Ein Vergewaltigungsfall macht erneut die Auswüchse des bizarren saudischen Rechtsystems deutlich. Ein saudisches Gericht in Qatif hat in einem Berufungsverfahren im Fall einer Gang-Vergewaltigung das Opfer zu 200 Peitschenhieben und einer sechsmonatigen Gefängnisstrafe verurteilt.
Nach der saudischen Scharia-Interpretation ist es Frauen in der Öffentlichkeit nur erlaubt, sich mit ihren männlichen Verwandten zu treffen. Die Frau war bei einem Treffen mit anderen Studenten vor zwei Jahren von sieben Männern vergewaltigt worden.
Der Fall hatte im ersten Verfahren vor einem Jahr im Königreich eine seltene Debatte über Vergewaltigungen und deren Bestrafung ausgelöst, als das 19jährige Opfer damals bereits zu 90 Peitschenhieben und die Täter zu Gefängnisstrafen zwischen 10 Monaten und fünf Jahren verurteilt worden waren. Die Strafe gegen das Opfer wurde nun im Berufungsverfahren erhöht, weil, wie es in der in saudischen Zeitungen zitierten Begründung des Richters heißt, "das Opfer durch die Medien versucht hat die Richterschaft zu beeinflussen". Auch die Strafen der Täter wurden auf zwei bis neun Jahren verdoppelt.
Ursprünglich war der Fall in Berufung gegangen, weil der Verteidiger erklärte, dass die erste Strafe für die Täter als zu milde und das Urteil gegen seine Mandantin ungerecht sei. Das Berufungsgericht hat den Verteidiger dann vom Verfahren ausgeschlossen. Seine Lizenz wurde entzogen und er muss sich nun selbst Ende des Monats in einem Disziplinarverfahren verantworten. "Alles was ich getan habe, war meine Arbeit zu machen und meine Mandantin zu verteidigen", erklärt Abdul Rahman Al-Lahem gegenüber der saudischen Zeitung Arab News.
Der Fall macht erneut die Macht der Richter in Saudi Arabien deutlich, die sich nicht auf kodifiziertes Recht, sondern auf ihre persönlichen Rechtsinterpretation und Auslegung des Islamischen Rechts stützen. Der Koran gilt als Verfassung, die Scharia als Rechtgrundlage. In der Praxis wird oft auf königliche Dekrete zurückgegriffen. Ein Vergewaltiger kann je nach Richter danach mit einer milden Strafe von ein paar Monaten bis hin zum Tode verurteilt werden.
Erst im Oktober hat der saudische König Abdullah eine Reformierung des saudischen Rechtssystems angekündigt, das immer wieder durch Fälle, wie den jetzigen auch in der saudischen Öffentlichkeit und Beschuss geraten ist. Abdullah möchte erstmals spezialisierte Gerichte, ein oberstes Verwaltungsgericht, Handels, Arbeits- und Familiengerichte einrichten. Sie sollen die religiösen Gerichte ablösen. Der saudische Justizminister Abdullah Al-Scheich kündigte damals ein "qualitativ vollkommen neues Rechtssystem an. Laut königlichen Dekret soll die Modernisierung des Rechsystems mit 1,8 Milliarden Dollar finanziert werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!