Palästinenser gedenken der Vertreibung: Krawalle am Jahrestag
Zehntausende Palästinenser begehen den 63. Jahrestag der Flucht und Vertreibung. An Kontrollpunkten der israelischen Armee wird auf die Demonstranten geschossen.
BERLIN taz | Heftige Zusammenstöße zwischen palästinensischen Demonstranten und israelischen Sicherheitskräften markierten am Sonntag das Gedenken an die Flucht und Vertreibung von rund 750.000 Palästinensern im Mai 1948. Zum "Yom al-Nakba", dem "Tag der Katastrophe", heulten in der Westbank und im Gazastreifen um 12 Uhr die Sirenen, als tausende Palästinenser auf die Straße gingen, um an das Recht auf Rückkehr in ihre Heimat zu erinnern.
In Ramallah im Westjordanland marschierten tausende Menschen zum zentralen Manara-Platz. Die Teilnehmer der Kundgebung trugen schwarze Flaggen und palästinensische Fahnen. Viele hatten sich einen großen hölzernen Schlüssel umgebunden, als Symbol für den Wunsch nach Rückkehr.
Im Gazastreifen bewegte sich eine Menge von mehreren tausend Menschen auf den Erez-Kontrollpunkt zu. Nach Angaben der israelischen Armee feuerten Soldaten zuerst Warnschüsse ab, danach sei gezielt auf die Beine von Demonstranten geschossen worden. Nach palästinensischen Angaben bewarfen Demonstranten auch einen israelischen Panzer mit Steinen, der daraufhin das Feuer eröffnet habe.
Dabei wurden nach Angaben palästinensischer Sanitäter mindestens 15 Menschen verletzt. Andere Berichte nennen sogar 60 Verletzte. Der Führer der Hamas im Gazastreifen, Ismael Hanijeh, erklärte bei einer Ansprache in einer Moschee, er hoffe auf "ein Ende des zionistischen Projekts in Palästina".
Tränengas und Gummigeschosse
Schwere Krawalle gab es am Sonntag am zentralen Checkpoint Kalandia bei Jerusalem. Auch hier bewarfen palästinensische Jugendliche die Soldaten mit Steinen, die mit Tränengas und Hartgummimunition antworteten. Dabei wurde ein Palästinenser von einem Gummigeschoss am Kopf schwer verletzt.
Auf den Golan-Höhen durchbrachen palästinensische Demonstranten von syrischer Seite aus die israelischen Grenzbefestigungen und marschierten durch ein früheres Minenfeld, wie die Nachrichtenagentur Maan meldete. Die israelische Armee reagierte mit Schüssen und Tränengas. Mindestens ein Demonstrant kam dabei ums Leben. Unbestätigten Berichten zufolge soll die Zahl der Opfer sogar bei vier liegen.
Auch im Libanon waren am Sonntagmorgen tausende Palästinenser aus den Flüchtlingslagern in Richtung israelische Grenze marschiert. Im Grenzort Marun al-Ras fand eine Kundgebung unter dem Motto "Marsch für die Rückkehr nach Palästina" statt. Durch Schüsse, die nach unterschiedlicher Angaben von libanesischen oder israelischen Soldaten abgegeben worden sein sollen, wurden mindestens zehn Menschen verletzt.
Die israelische Armee hatte in der Nacht das Westjordanland abgeriegelt und zehntausend Soldaten an neuralgischen Punkten in den Einsatz geschickt. In Ostjerusalem wurden seit Freitag insgesamt 63 Palästinenser festgenommen. Im Ortsteil Ras al-Amud hatten die Ausschreitungen begonnen, nachdem ein 14-jähriger Palästinenser erschossen worden war.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Künstler Mike Spike Froidl über Punk
„Das Ziellose, das ist doch Punk“
Abschiebung erstmal verhindert
Pflegeheim muss doch nicht schließen
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour