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Leben im KosovoWeniger als ein Euro pro Tag

Zwei Jahre nach der Unabhängigkeit ist die wirtschaftliche Lage in der früheren serbischen Provinz immer noch prekär. Die ethnischen Spannungen haben aber nachgelassen.

Fahnen, aufgehängt in Kacanik zum zweiten Nationalfeiertag des Kosovo. Bild: reuters

SARAJEVO taz | Die Pessimisten haben sich geirrt. In dem nun von 65 Staaten diplomatisch anerkannten unabhängigen Kosovo wurden seit 2008 weder Serben noch Roma Opfer tödlicher Übergriffe, noch hat die Drogenmafia die Macht übernommen. Auch der islamische Fundamentalismus hat nicht Fuß gefasst. Am zweiten Jahrestag der Unabhängigkeit blieb es ruhig. Spektakulär war lediglich das Feuerwerk, das zur Feier des Tages gezündet wurde.

Dennoch: Viele Probleme der Menschen sind nach wie vor nicht gelöst. Vor allem macht vielen die hohe Arbeitslosigkeit von offiziell 45 Prozent zu schaffen, die zumindest in den ländlichen Gebieten weitaus höher liegen dürfte. Die Statistiken sind nicht vertrauenswürdig. Fast ein Fünftel der Bevölkerung lebt von weniger als einem Euro am Tag. Zwar ist die Wirtschaft gewachsen, benötigt wird jedoch ein nachhaltiger Investitionsschub.

Dass dieser bislang ausgeblieben ist, hat nicht nur mit der weltweiten Krise, sondern auch mit den internationalen Institutionen zu tun. Die UN-Mission, die das Land nach dem Einmarsch der Nato 1999 verwaltete, hat auf diesem Gebiet kläglich versagt. Dabei hätte es sich gelohnt, der Landwirtschaft auf die Beine zu helfen und die schon vorhandene verarbeitende Industrie mit billigen Krediten zu stützen.

Was geschah wirklich? Die EU pumpte ihre subventionierten Agrarprodukte ins Kosovo und zerstörte damit Ansätze einer wirtschaftlichen Erholung nach dem Krieg. Die internationalen Banken verlangen vom "Krisengebiet" Kosovo Zinsen im zweistelligen Bereich. Und damit werden Investitionen so teuer, dass potentielle Investoren zurückschrecken.

Das von zwei Millionen Menschen bewohnte Land hat zwar seit der Unabhängigkeit eine Regierung, die auch über Kompetenzen verfügt, aber die internationalen Institutionen haben dem Land bisher nur eine "begrenzte Souveränität" zugestanden. Sie verfügen damit über ein Instrument, um selbst in der Innenpolitik mitzureden. Zwar erklärte der holländische EU-Kosovobeauftragte und Chef des International Civil Office, Piether Feith, im vergangenen Sommer gegenüber der taz, man werde die Wirtschaftspolitik verändern. Geschehen ist jedoch seither wenig.

Dennoch ist die Regierung ist nicht untätig geblieben. Straßen werden gebaut, Schulen und Universitäten reformiert. Ein soziales Netz wurde geschaffen. Die Zivilgesellschaft entwickelt sich, Arbeiter kämpfen wieder für ihre Rechte.

Vor allem aber: Die ethnischen Spannungen zwischen der Mehrheitsbevölkerung der Kosovoalbaner (fast 90 Prozent) und der serbischen Minderheit (6 Prozent) haben nachgelassen. Die Gemeindereform, die den serbischen Gemeinden weitgehende Rechte einräumt, wird trotz des Widerstands aus Belgrad und der serbischen nationalistischen Parteien zunehmend akzeptiert, was sich bei den Gemeindewahlen im letzten Herbst niederschlug. Trotz der Boykottaufrufe aus Belgrad nahmen Serben erstmals in größerer Zahl an Wahlen im Kosovo teil.

Anlass zur Beunruhigung gibt die Abschiebung von tausenden von Roma aus Deutschland und der Schweiz. Niemand weiß, wo und wovon diese Menschen leben sollen. Auch im Kampf gegen die Korruption in manchen Ministerien und im Justizsystem sind bislang kaum Erfolge zu verzeichnen. Die Hilfe, die von der EU-Rechtsmission Eulex angeboten wird, hat noch nicht zu einer Besserung geführt. "Wir sind noch ein Krabbelkind, das Hilfe braucht, aber grundsätzlich sehen wir optimistisch in die Zukunft", erklärte der Parlamentsabgeordnete Bujar Bukoshi der taz.

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18 Kommentare

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  • G
    Gjon
  • I
    ivan

    es ist schlim wen man behauptet das die vorubergehenden istutitionen in kosovo auf demokratische weise gewehlt worden sind, wen man weiss das sie sich selbst zum staat ernant haben gegen das völkerrecht un-rez-1244 und gegen die vereinten nationen die im kosovo ein protektorat mandat haben, des wegen ist kein wunder das 132 länder der welt oder mehr als zwei tritel der vereinten nationen sie nicht anerkenen wolen, das bedeutet fuer serben nicht nachlasen sondern mit allen mitteln neue status geschpreche erzwingen die sitution ist sehr gunstig den in kosovo sind 50% erbeitslos die nichts gegen autonomie inerhalb serbiens haben, und so schneler zum eu kommen können sonst ist der veto von serbien unausweichlich das merkt kein k. albaner aber meine rechtschreibfeler schon die felern können kein veto einlegen aber staat serbien schon durch die vereinten nationen mit kosovo un-rez.1244 anerkanter staat serbien helsinkier un-rez.1975 die sagt nur durch vn anerkante staaten können mit zustimmung des anderen anerkanten staates unerbhängigkeit erklären zbs. serbien und montenegro, bosnien und herzegovina. gus staaten russland weisrussland ukraine kasachstan können ausernandergehen wen alle zustimmen sonst keine sonce fuer die albanische minderheit im staat serbien.

  • A
    AlienNation

    Wunderbar das Bild am Beginn des Artikels, nur eine Frage bleibt.

     

    Warum wird die "Albanische Staatsflagge" im Kosovo gehisst und nicht die Kosovarische?

     

    In diesem Sinne

  • I
    ivan

    amselfeld ist kein gejamer sondern bestätigt den mitelartelichen staat serbien, wo albaner nicht dagegen reden können, wo war eurer heer 1389 in sizilien, ha,ha,ha.

  • B
    Beaumarchais

    Schade, dass die Gegner einer kosovarischen Unabhängigkeit meistens mit uraltem nationalistischem Unsinn, mit Blut und Boden und mit Amselfeld-Gejammer argumentieren. Sie erweisen sich damit als rückständig und tun ihrer Sache keinen Dienst. Von der schlechten Sprache ganz zu schweigen...

  • AA
    an Andrea

    liebe andrea warum respektieren sie nicht das völkerrecht un-rez.1244 kosovo gehort noch immer zu serbien, u. es wird sich nichts daran endern kosovo hat noch ein par hunderttausend serbische soldaten skelets die über 600 jahren alt sind wir die serb. nation geben es nicht her so denken alle 14000000 serben weltweit cao andrea.

  • I
    ivan

    warum versteckt die westliche presse die warcheit, kosovo ist serbien nachschaun un-rez.1244 zwei vetos,russ-china es kan nicht durch vereinten nationen als staat anerkant werden ,damit auch nie ein mitglied der eu werden,weil 5 staaten der eu kosovo nicht anerkenen wolen ,auch wen mus zuerst mitglied der vn werden, und

    das ist unmöglich nur eine breite autonomie inerhalb serbien were die lösung,weil serbien wird sie nie anerkenen besonderes nicht nach dem euserung von ing-in den haag,alle eu-länder wiesen das es zum gunsten serbiens ausfalen wird, aber leugnen es noch immer was bringt das? In ein paar monaten ist der gutachten da, dan werden serbien russland neue geschpreche starten da wird der westen nicht mehr ausweichen können und den albaner klar machen müssen das sie zu einer lösung mit belgrad,kommen müssen sonst reskieren sie einen sehr schlechten ausgang was fuer sie weniger rechte in der autonomie inerhalb serbiens bedeutet.

  • A
    Andrea

    @Beaumarchais & Friends,

    Serbien hatte nur eine südliche Provinz und eine im Norden, aber auch sonst scheinen Ihre Kenntnisse recht beschränkt.

     

    Die Ressourcen des Kosovo sind außergewöhnlich,

    Neben Steinkohle, finden sich große Mengen an Bor (nicht zu verwechseln mit Bohr), Blei und Chrom. Untersuchungen der letzten Jahre lassen auf nennenswerte Ölvorkommen schließen. Dass es immernoch zu Unterbrechungen der Stromversorgung kommt ist zwar paradox, aber der Korruption geschuldet, wobei die UN-Behörden sich als mindestens so korrupt wie heimischen Machthaber erwiesen haben. Das ist nichts Kosovo spezifisches, es sind Probleme die bei ernsthaftem Willen gelöst werden können. Im Kosovo sind die Ansätze dazu, zwar zaghaft aber sicher vorhanden. Es gibt vermehrt innländische NGO's die mit bewundernswerter Beharrlichkeit Probleme ansprechen und korrupte Richter, Politiker und Ärzte bloßstellen.

    Die Aussichten des Kosovo sind überhaupt nicht schlecht, ganz im Gegenteil, Kosovo hat sehr gute Chancen sich zum Erfolgsmodell zu mausern!

  • PB
    Peter Bitterli

    In der Tat, "Montezuma": Wieso kehren Sie nicht in den Kosovo zurück?

  • B
    Beaumarchais

    Die südlichen Provinzen Serbiens sind geradezu das Musterbeispiel dessen, was man einen "failed state" nennt: keine Ressourcen, keine Industrie, keinen rentablen Dienstleistungssektor (ausser Prostitution), keine wirtschaftliche Perspektive, keine Demokratie, kein Rechtsstaat, keine Justiz, keine Sicherheit, keine Bildung, dafür eine "Regierung", die mit Terror, Völkermord und Verbrechen engstens verbandelt ist. Es handelt sich schlicht um den Tross, der mit der US-Armee mitläuft, welche im Moment im Lager "Bond Steel" parkiert ist. Ueber diese Gesellschaften kann man sich etwa bei Schiller (Wallensteins Lager) oder Brecht (Courage) informieren. Das steht auf der wackligen Basis einer hastig zusammengeschusterten "Verfassung" und weiss nicht einmal, ob seine Landesflagge jetzt eigentlich blau oder rot ist. Knapp ein Drittel der UNO-Staaten haben das Ding anerkannt. Fünf EU-Staaten haben es nicht. Es wird kein einziger Staat dazukommen. Also: Abblasen die Farce!

  • M
    montezuma

    Warum wird immer wieder von den Serben behauptet das die Flüchtlinge nicht in den Kosovo zurück dürfen. Jeder Kosovo-Serbe darf zurückkehren. Desweiteren ist die Zahl 300 000 frei erfunden! Bei der Volkszählung 1991 (durch die serbischen Behörden) haben ca 200 000 Serben im Kosovo gelebt, jetzt sindes ca 135 000 also erklären sie mir wie diese Zahl zustande kommt. Außerdem kann man auch niemanden zwingen in den Kosovo zurückzukehren, das ist so als ob ich behaupten würde ich darf nicht in den Kosovo zurück!

  • A
    Anton

    Grundsätzlich ist die Entwicklung des Kosovo, trotz aller angesprochenen Probleme, ein Erfolg. Zwar klein aber immerhin. Der deutsche Beitrag durch Bundeswehr, Polizei und Entwicklungshilfe(gtz) und NGO hat sich in jedem Fall gelohnt. Zwar neigen die Kosovaren, vieles schönzureden, es ein wenig zu blumig und pathetisch zu überhöhen, aber sie haben ihren Feinden die Hand gereicht und sind auf dem richtigen Weg.

     

    Also liebe "Hütchenspieler": Urrime pavarsia!

  • N
    nachtigall

    Sarajevo wird am Anfang des Artikels nur deshalb genannt, weil der taz-Korrespondent dort sitzt. Man kann E. Rathfelder durchaus zutrauen sich geographisch in der Region auszukennen.

     

    Was den Inhalt angeht würde ich meinen, dass vor allem die wirtschaftlichen Probleme treffend dargestellt sind. Die anderen Bereiche sind wohl etwas zu schön/optimistisch dargestellt.

     

    Die wirtschaftlichen Probleme des Landes sind allerdings nur sinnvoll lösbar, wenn gleichzeitig das Thema Korruption und organisierte Kriminalität angegangen wird. Letzteres ist aber kein spezifisch kosovarisches Problem, sondern in der Region auch in anderen Ländern aktuell. Auch einige der neueren EU-Mitgliedsstaaten haben zumindest beim Thema Korruptionsbekämpfung ähnliche "Erfahrungen".

  • TL
    taz leser

    drogenmafia hat die macht? und in deutschland die nazis oder wie ? im kosovo ist die regierung mit demokratischen mitteln gewählt worden also bitte lieber taz amateur jornalist in zukunft aufpassen. ausserdem ist die hauptstadt prishtina und nicht sarajevo . lg

  • K
    Kohlhhaas

    Re. "Wir sind noch ein Krabbelkind, das Hilfe braucht, aber grundsätzlich sehen wir optimistisch in die Zukunft",

     

    Hilfe für die nächsten hundert Jahre nein Danke Hütchenspieler

  • A
    Arton

    Die Hautstadt von Kosova ist doch nicht Sarajevo!

     

    Ein Unverschämtheit!!!

  • M
    Milan

    Naja, die Mafia hat endlich ihren eigenen Staat, die Bonzen sind reich.

  • R
    Rose

    Die ethnischen Spannungen haben nachgelassen?Nachdem fast das ganze Kosovo ethnisch gesäubert wurde,ist das auch nicht verwunderlich!Warum wird den mehr als 300000 vertriebenen Nicht-Albanern die Rückkehr und die Rückgabe ihres Eigentums nicht gestattet?Wegen der Gefahr von ethnischen Spannungen!

    Der ganze Artikel erinnert an eine Pressemitteilung aus der Propaganda-Abteilung der Kosovarisch-Albanischen Führung.Offensichtlich hat sich der Autor nicht einmal die Mühe gemacht,irgendetwas von den im Artikel erwähnten

    Zuständen auf Wahrheitsgehalt zu überprüfen.

    Am Dreistesten ist wohl die Behauptung,die Drogenmafia habe nicht die Macht übernommen.Kenner der gegenwärtigen Zustände sind übereinstimmend der Meinung,die gegenwärtige Führung des Kosovo sei führend in die organisierte Kriminalität verstrickt.Und da wird dem "Geheimdienst" auch der ein oder andere Mordauftrag vom

    "Ministerpräsidenten" erteilt,um Konkurrenten im Drogen-,Waffen-oder Menschenhandel zu beseitigen...