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Referendum in der SchweizKriminell? Dann nix wie raus!

Die rechtspopulistische SVP will straffällig gewordene Ausländer sofort abschieben. Über den Vorschlag muss das Volk entscheiden, wie bereits beim Minarett-Verbot.

Da ziehts einem die Schuh aus: Wieder stimmen die Schweizer über eine fremdenfeindliche Initiative ab. Bild: boing / photocase.com

Die wahlberechtigten SchweizerInnen müssen am Sonntag zum wiederholten Mal über eine fremdenfeindliche Initiative der rechtspopulistischen "Schweizer Volkspartei" (SVP) abstimmen. Die seit den Wahlen von 2003 stärkste Partei der Alpenrepublik unter Führung des ehemaligen Justizministers Christoph Blocher verlangt die beschleunigte und vereinfachte "Ausschaffung krimineller Ausländer".

Die Initiative will durchsetzen, dass Ausländer künftig nach einer Verurteilung wegen bestimmter Delikte automatisch das Aufenthaltsrecht in der Schweiz verlieren und ohne weitere Einspruchsmöglichkeit oder richterliche Überprüfung umgehend außer Landes geschafft werden. Auch wer "missbräuchlich" Leistungen der Sozialhilfe oder -versicherungen bezieht, muss laut Initiativtext abgeschoben werden. Diese Verschärfung des Ausländerrechts soll nach dem Willen der SVP nicht nur per Gesetz eingeführt, sondern möglichst in der eidgenössischen Verfassung verankert werden.

Bei einer Annahme der Initiative hätte die Schweiz künftig die schärfsten Bestimmungen in ganz Europa. Zwar sehen die Gesetze fast aller Länder die Möglichkeit vor, straffällig gewordene Ausländer auszuweisen. Doch nur in Deutschland und Großbritannien gibt es Bestimmungen für eine "zwingende Ausweisung" ausländischer Personen, wenn sie zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren (Deutschland) bzw. von einem Jahr (Großbritannien) verurteilt wurden. Doch die britischen Behörden wenden das noch unter Premierminister Tony Blair verabschiedete Gesetz "UK Border Act 2007" bis heute nicht an.

In Deutschland verhindert die in ausnahmslos jedem Fall erforderliche richterliche Prüfung, dass die gesetzlich mögliche "zwingende Ausweisung" zu einem Automatismus führt. Ein Richter kann verfügen, dass aus humanitären, völkerrechtlichen oder politischen Gründen auf eine Ausweisung verzichtet wird.

Zudem werden in Deutschland in der Regel unter 18-jährige ausländische Straftäter nicht ausgewiesen, weil dies ein Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) wäre. Das deutsche wie das britische Recht sehen zudem ausdrücklich ein Ausschaffungsverbot vor, wenn der Betroffene in seinem Herkunftsland an Leib und Leben gefährdet wäre.

Diese Ausnahmen und Vorbehalte soll es in der Schweiz künftig ebenso wenig geben wie die etwa in Frankreich und Belgien geltende Regel, Angehörige der zweiten Ausländergeneration oder Menschen, die bereits 20 Jahre im Land leben, nicht auszuweisen. Der Zürcher Völkerrechtler Daniel Thürer und andere Kritiker sehen in der Ausschaffungsinitiative einen "massiven Verstoß" gegen die EMRK, das Personenfreizügigkeitsabkommen mit der EU und andere völkerrechtliche Bestimmungen und Verträge, die die Schweiz ratifiziert hat.

Sie monieren zudem, dass laut dem Initiativtext der SVP künftig zwar schwere Delikte wie Mord und Vergewaltigung bis hin zu Bagatellvergehen wie Diebstahl oder geringfügig zu Unrecht bezogene Sozialhilfe zur automatischen Ausweisung führen sollen. Die in der Schweiz besonders häufige fahrlässige Tötung oder schwere Körperverletzung durch Autoraser fehlt in dem Deliktkatalog aber ebenso wie Wirtschaftsbetrug oder Geldwäsche. "Dieser Deliktkatalog ist willkürlich, schludrig und zufällig", erklärte Thürer.

Die Schweizer Regierung, unterstützt von den bürgerlichen Mitteparteien im Schweizer Parlament, FDP und CVP, hat dem Volk einen etwas gemäßigteren Vorschlag zur Initiative der SVP unterbreitet. Die sozialdemokratische Partei und die Grünen lehnen beide Versionen ab.

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16 Kommentare

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  • Q
    Querulant

    @Peter Müller:

     

    Eine wirklich schönes Gleichnis, und auch so lebensnah... Gell, einen ausländischen Vergewaltiger würden sie sofort ihres Haues verweisen, aber einen einheimischen Vergewaltiger würden sie ohne Weiteres im Haus behalten... als Strafe höchtens mal ein paar Tage in den Wandschrank sperren...

  • DI
    Deutscher in Schweiz

    Demokratie? Wo?

    Das, was da abgegangen ist, hat mit Demokratie nicht viel zu tun!

     

    Ein Volksentscheid macht noch lange keine Demokratie!

     

    Die wichtigste Grundbasis einer Demokratie ist die offene, sachliche und gleichberechtigte Diskussion.

    Und genau da haperts doch - nicht nur in der Schweiz.

     

    Offiziell hat das schweizer Volk zwar gestern über einen Gesetzesentwurf abgestimmt, eigentlich aber gegen Ausländer generell Meinung bekundet.

     

    Die SVP Initiative, die das schweizer Stimmvolk gestern verabschiedet hat, weist, wie im Artikel ja bereits angedeutet, massive Lücken auf.

    Der von der Regierung dazu vorgelegte Gegenvorschlag beabsichtigte eine Ausschaffung ab einer Gefängnisstrafe von 2 Jahren und sah außerdem

    auch ein verstärktes IntegrationsProgramm für Ausländer vor (verbindliche Sprachkurse usw.) - er war chancenlos.

    Denn nun soll anhand eines willkürlich erstellten Katalogs von Straftaten entschieden werden, wann Grund zur Ausschaffung gegeben ist. Von einer Schwere der Strafe oder Verhältnismäßigkeit ist gar

    keine Rede.

    Wird demnach z.B. ein Ausländer auf einer Party beim Kiffen erwischt, ist er auszuschaffen.

    Daß Schweizer in aller Öffenlichkeit wie selbstverständlich kiffen, tut dabei nichts zur Sache.

    Getreu dem Motto:

    "Du hast Dich so zu verhalten, wie wir dir das sagen.

    Was wir machen geht dich nix an! Kannst ja gehen, wenn's Dir nicht passt."

    Super Integration! Astrein.

    Ansonsten gilt:

    Geld ist immer willkommen in der Schweiz.

     

    Hinzu kommt, dass sich diese Initiative, wenn überhaupt, aufgrund bestehender, internationaler Abkommen gar nicht vollumfänglich wird umsetzen lassen.

    Glauben sie, daß Deutschland einen 16-Jährigen 'zurücknimmt', weil der sein Moped frisiert hat?

    Oder was passieren würde, wenn man einen zum Tode Verurteilten in sein Heimatland ausschafft, nur weil der sich im besoffenen Kopf mit einem Kollegen geprügelt hat?

     

    Die SVP beabsichtigt aber auch gar nicht, daß ihre geforderten Gesetze tatsächlich Realität werden.

    Sie wollen lediglich das Volk gegen die Regierung aufbringen und diese in Bedrängnis bringen, um verlorene Macht im Parlament zurück zu erhalten.

     

    Dieser Wahlkampf wird ausgefochten, in dem man Schweizer gegen Ausländer aufhetzt.

     

    In der Schweiz werden seit Jahren mittels professioneller Hochglanz-Kampagnen heftigst neue Gräben gezogen, Statistiken frei interpretiert, Vorurteile bestätigt, Emotionen hochgekocht, Ängste

    und Hass geschürt und Fronten verhärtet.

    Gegen Farbige, gegen Muslime, gegen Menschen vom Balkan und gegen alle Ausländer generell.

    ALLE(!) sind als generalvedächtig abgestempelt worden, potentielle Kriminelle, Gewaltverbrecher, Vergewaltiger, Steuerhinterzieher und Sozialschmarotzer zu sein.

     

    Und glauben Sie mal nicht, das sähe in Deutschland anders aus, wenn jeder mit einer bestimmten Anzahl Unterschriften eine Volksabstimmungen starten könnte.

     

    Unter Demokratie verstehe zumindest ich etwas anderes, als das, was sich hier in Europa zur Zeit abzeichnet.

    Denn egal ob CH, Deutschland, Frankreich, Italien....

    Eine sachliche Diskussion findet doch immer weniger statt.

    Wenn sie die starten heisst's sofort nur:

    "Dann hau doch ab, wenn's dir nicht passt!"

     

    Fragt sich nur:

    Wohin?

    Und was wird sein, wenn alle abgehauen oder ausgeschafft sind?

  • PM
    Peter Müller

    Die linken Schweizer fordern, dass Vergewaltiger in der Schweiz bleiben dürfen? Dann sollen sie sie doch zu Hause aufnehmen! Wie sagte Jesus über die Pharisäer: Sie legen den Menschen Lasten auf, die sie selbst nicht tragen wollen! (OT-ENDE).

  • Q
    Querulant

    Da freut sich doch das gesunde deutsche Volksempfinden, dass die schweizer Entscheidung soviel Zustimmung von diesen...na wie heißen die noch mal...Schlechtmenschen? schlechten Menschen?... na ja aufjedenfall vom Pöbel bekommen...

  • T
    txxx666

    Ab jetzt weiträumig umfahren

    Angesichts dieses Wahlergebnisses verspüre ich das dringende Bedürfnis, auch einmal ein paar ausländer- (hier: schweiz-)feindliche Worte loszuwerden.

    Dieses arrogante kleine Bergvölkchen,

    - das so stolz ist auf seine direkte Demokratie, in der aber Frauen noch Anfang der 1970er (und in einigen Kantonen sogar Anfang der 1990er) Jahre nicht mitabstimmen durften;

    - das sich besonderer Korrektheit rühmt, aber mit seinem speziellen Bankgeheimnis den Ausbeutern und Steuerhinterziehern dieser Welt bei ihren kriminellen Machenschaften nur zu gerne behilflich ist;

    - das sich für friedfertig hält, wo aber jeder wehrtaugliche Schweizer Mann ein Gewehr im häuslichen Schrank hat (und es gelegentlich auch schon einmal zweckentfremdet);

    - das sich werweißwas auf seine angebliche Neutralität einbildet, aber seinerzeit fleißig mit den Nazis kollaboriert und dabei auch schon massenhaft Juden "ausgeschafft" (bzw. gar nicht erst hineingelassen) hat;

    dieses arrogante kleine Bergvölkchen also kann mir ab jetzt erst einmal gründlich gestohlen bleiben.

  • H
    Hoernir

    Mit über 52 % ist das Ergebnis fulminant uund es erfreut mich, dass es in der Mitte Europas a) einmal ein demokratisches Grundverständnis gibt, hier zur Volksabstimmung; und b)ein Volk in der Mitte Europas es für richtig empfindet Sozialschmarotzer und straffällig gewordene Ausländer auszuschaffen bzw. abzuschieben.

     

    In Deutschland laufen wir diesen Straffälligen und Sozialschmarotzern sogar noch hinterher und entschuldigen uns für eine eventuelle Kritik am Verhalten des Betreffenden. Dieser Betreffende lacht uns auch noch aus und macht sich über uns, ich meine zu Recht, lustig.

  • WS
    walter schneider

    Es würde mich wundernehmen, ob die, die jetzt so "empört" sind, kriminelle Ausländer bei sich zu Hause aufnehmen wollen.

  • K
    Kevin

    Wer in Deutschland ein Ding dreht, das nicht MINDESTENS 2 Jahre gesiebte Luft wert ist, wird durch die Bank auf Bewährung freigelassen. Und um mehr zu kriegen, muss man wohl schon jemanden töten.

  • K
    Klaus

    Vielleicht ist die Abschaffung der Demokratie eine Alternative. So könnten due Gutmenschen der Bevölkerungsmehrheit weiter auf der Nase herumtanzen.

  • D
    DerDude

    Lieber Herr Zumach,

     

    das zentrale Thema heißt "kriminelle Ausländer"! Wer unsere Gastfreundschaft missbraucht hat das Gastrecht verloren. Einfache Logik - selbst die uneinsichtigsten Ideologen sollte das verstehen. Wenn Sie in Ihrem Haus einen Gast haben und er Ihre Gastfreundschaft missbrauchst, dann werden Sie dementsprechend reagieren, oder? Was das mit Rechtspopulismus zu tun hat, ist mir ein Rätsel. Oder ist es so, dass der Nicht-Rechtspopulist (oder besser Linkspopulist) dem Gast der das Gastrecht missachtet mit Dank, Geld, Verständnis, Entschuldigung, etc. begegnet?

     

    Das tolerieren von Intoleranz ist unterlassene Hilfeleistung. Diese Position ist ideologiefrei und sollte ein zentrales Leitmotiv sein - ansonsten sind vielschichtige Leidmotive die Folge!

  • S
    spieltkeineRolle

    Also, ich habe verstanden: Sollte die Schweiz diese Regelung durchbringen, wird sie selbst gegenüber rechtsgültigen internationalen Vertraegen, darunter solchen Lapalien wie die Menschenrechtskonvention, straffällig. Nach SVP-Logik müsste die EU folglich die Schweiz automatisch aus der Völkergemeinschaft "ausschaffen". Manche wollen sich einfach nicht integrieren. Naja, wer's sich leisten kann...

  • M
    Maike

    Eine solche Abstimmung sollte es auch in Deutschland geben. Das hilft auch gerade den vielen ehrlichen Migranten, die einfach nur hier leben und arbeiten wollen und unter dem negativen Image leiden, das sie ihren kriminellen Landsleuten zu verdanken haben.

  • K
    Kati

    In Deutschland schließt man 9 Jahre nach dem 9.11. in Hamburg die Moschee. Die potentiellen Terroristen, die sich dort trafen, dürfen hier bleiben und weiter Hartz 4 beziehen. Als ob das Moscheegebäude das Problem wäre und nicht die Menschen. Wie bereits geschrieben: Vortäuschen von Handlung nennt man das.

  • V
    vicxer

    Deutschland Istzustand: Ausnahmen, Ausnahmen und nochmal Ausnahmen.

    Nichts passiert hier mit Kriminellen, die werden von den 68er Juristen schön weiter durchgefüttert.

    Eine Initiative nach Schweizer Vorbild ist auch für Deutschland dringend notwendig und geboten.

    Kriminelle Wirtschaftsflüchtlinge und Illegale ausweisen. Sofort!

  • B
    broxx

    Zwingende Abschiebung bei mehr als 3 Jahren Knast in Deutschland? Schwachsinn pur! So ein Unsinn! Es werden selten Leute mit mehr als 3 Jahren Knast abgeschoben! Und das ist eine Tatsache. Es wird schon wieder manipuliert und ein Handeln vorgetäuscht!

    Ausbringung auch hier!

  • A
    Alexandra

    Absolut begrüßenswert, würde ich mir für Deutschland auch wünschen. Und das beste ist ja das man bei solchen wichtigen Themen das Volk befragt. Vielleicht könnten das ja Grüne und SPD auch mal in Deutschland solch eine Volksabstimmung einbringen, die sind doch immer so dafür.

     

    Achja, ich wäre dafür das man auch in Deutschland Ausschaffung sagt, Abschiebung ist so negativ besetzt, dabei ist das doch was sehr positives :-)