Polizei löst Flüchtlingslager auf: "Dschungel von Calais" geräumt
287 Menschen sind bei der gewaltsamen Räumung der Unterkunft am Ortsrand von Calais verhaftet worden. Immigrationsminister Besson sagt, er habe ein Zeichen gegen Schlepper gesetzt.
![](https://taz.de/picture/337509/14/0047.jpg)
Die Polizisten kamen im Morgengrauen. Ihr Auftrag: den "Jungle" räumen. Die Flüchtlinge, die in dem Lager am Ortsrand von Calais eine prekäre Unterkunft gefunden hatten, empfingen sie mit einem Spruchband. "Der ,Jungle' ist unser Zuhause", stand - in Englisch und in der afghanischen Sprache Paschtu - darauf: "Wir wollen Asyl und Frieden. Wir brauchen Schutz."
Am Dienstagvormittag waren 287 Menschen festgenommen - darunter 135 Minderjährige. Die meisten stammen aus Afghanistan. Alle nennen Großbritannien als Ziel. Am Mittag machten Bulldozzer die Bruchbuden dem Erdboden gleich. In einer Pressekonferenz erklärte Eric Besson, der französische Minister für Immigration und Nationale Identität, er habe ein Zeichen gesetzt: gegen "Schlepper und Menschenhandel".
Besson hatte die Räumung in der vergangenen Woche angekündigt. Seither erwarteten die Flüchtlinge den Polizeieinsatz gleich nach dem Ende des Fastenmonats Ramadan. In der Nacht zu Dienstag gesellten sich dutzende von humanitären BetreuerInnen und MenschenrechtlerInnen zu ihnen. Auch JournalistInnen waren anwesend. Als der Einsatz begann, leisteten die HelferInnen passiven Widerstand.
Die Flüchtlinge hingegen ließen sich widerstandslos wegtragen. Alle wurden erkennungsdienstlich behandelt. Die Erwachsenen wurden festgenommen, die Minderjährigen in eine Spezialunterkunft gebracht. Die Polizei nahm auch zwei Unterstützer fest.
Nach dem Ende des Polizeieinsatzes freute sich Minister Besson über den "Rückgang der Flüchtlingszahlen" in der Umgebung von Calais. Und erklärte, "mit diesem Einsatz wird es für die Schlepper noch schwieriger, ein Ticket nach Calais zu verkaufen. Denn die Zusage einer Unterkunft ist fester Bestandteil ihres Pakets." Für die Festgenommen kündigte Besson "individuelle Lösungen" an. 180, so Besson, hätten Interesse an einer "freiwilligen Rückkehr" in ihr Heimatland gezeigt. Das von AnwohnerInnen und Flüchtlingen "Jungle" genannte Lager befand sich am Ortsrand von Calais: in kurzer Entfernung zum Ärmelkanal, zum Hafen von Calais und zur Einfahrt in den Tunnel für den Zug Eurostar nach London. Der "Jungle" entstand 2002, nachdem der damalige französische Innenminister Nicolas Sarkozy das vom Roten Kreuz betriebene offizielle Durchgangslager Sangatte geschlossen hatte, in dem zuletzt mehr als 1.400 Menschen untergebracht wurden. Im Laufe der Zeit kamen weitere kleine und heimliche Lager rund um Calais und in besetzten Häusern hinzu. Minister Besson hat angekündigt, dass er alle heimlichen Unterkünfte räumen lassen will.
Bis zum Hochsommer lebten mehr als 500 Menschen im "Jungle". Seither haben zahlreiche von ihnen anderswo Unterschlupf gesucht. Viele sind nach Paris gegangen. In einem Park im zehnten Arrondissement sind hunderte Afghanen auf der verhinderten Durchreise nach Großbritannien gestrandet.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Jugendliche in Deutschland
Rechtssein zum Dazugehören
Jens Bisky über historische Vergleiche
Wie Weimar ist die Gegenwart?
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen
Denkwürdige Sicherheitskonferenz
Europa braucht jetzt Alternativen zu den USA
„Edgy sein“ im Wahlkampf
Wenn eine Wahl als Tanz am Abgrund verkauft wird