Studiengebühren-Erhöhung in England: Aufstand in Westminster
Das Votum über höhere Studiengebühren wird zur Belastungsprobe für Camerons Koalition. Viele Liberale wollen gegen die Reform stimmen. Zehntausende protestieren.
DUBLIN taz | "Das ist unser 1968er-Moment", sagte Michael Chessum vom University College London, einer der Organisatoren der Protestkampagne gegen die Erhöhung der Studiengebühren in England. "Wie in Frankreich 1968 könnte die ungerechte Gebührenerhöhung eine breitere Krise auslösen", sagte er.
Die Proteste erreichten am Donnerstag ihren bisherigen Höhepunkt, während im Londoner Unterhaus über die Verdreifachung der Studiengebühren auf 9.000 Pfund im Jahr sowie die Kürzung der Zuschüsse für Universitäten um 80 Prozent debattiert wurde. Zehntausende Studenten marschierten durch das Zentrum von London. Am Nachmittag kam es zu ersten Auseinandersetzungen mit der Polizei, als Demonstranten die Absperrungen vor dem Parlamentsgebäude durchbrachen.
Mehr als 30 britische Universitäten sind weiterhin besetzt, in dieser Woche kamen noch fünf hinzu, und inzwischen sind auch einige Schulen besetzt. Die geplante Erhöhung gilt nur für England. Walisische Studenten müssen die erhöhten Gebühren nicht zahlen, selbst wenn sie in England studieren. In Schottland gibt es keine Studiengebühren.
Die Gebühren werden nicht während des Studiums fällig, sondern werden als Schulden verbucht, die Studenten später gemäß ihrem Einkommen zurückzahlen müssen. Angesichts der Lage auf dem britischen Arbeitsmarkt schreckt dies aber zahlreiche Studierende jetzt schon ab.
Die Gewerkschaft der Universitätsdozenten unterstützt die Studentenproteste. Der Zorn richtet sich vor allem gegen die Liberaldemokraten. Die hatten im Wahlkampf versprochen, die von Labour eingeführten Studiengebühren wieder abzuschaffen. Dann gingen sie eine Koalition mit den Konservativen von Premier David Cameron ein und beschlossen das Gegenteil.
Parteichef Nick Clegg verteidigt die Bildungsreform: Wenn das ganze Land nicht viel Geld habe und Millionen Menschen Opfer bringen, müssen auch die Studenten etwas beitragen. Doch mindestens 14 liberale Abgeordnete wollten am Donnerstagabend gegen die Erhöhung der Studiengebühren stimmen, darunter die ehemaligen Parteichefs Charles Kennedy und Menzies Campbell.
Die Jungliberalen versuchten noch, weitere Abgeordnete zum Nein zu bewegen. Vizeparteichef Simon Hughes kündigte an, dass er sich enthalten oder sogar gegen das Gesetz stimmen werde. "Ich habe die Pflicht, auf die Parteimitglieder und Wähler in meinem Wahlkreis zu hören, und die haben mich gebeten, in diesem Fall den Koalitionsvertrag zu brechen." Am Donnerstagabend deutete sich an, dass die Koalition am Ende über eine Mehrheit von 30 Stimmen verfügen würde.
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