G-20 Demo in London 2009: Anklage wegen Polizeigewalt
Der tödliche Polizeiangriff auf einen Unbeteiligten bei der G-20-Demo 2009 in London kommt nun doch vor Gericht. Der Mann war an den Folgen gestorben.
DUBLIN taz | Der Polizist, der den 47-jährigen Ian Tomlinson am Rande der G-20-Demonstration am 1. April 2009 in London zweimal zu Boden gestoßen und mit einem Schlagstock traktiert hat, wird nun doch angeklagt. Das gab das Amtsgericht von Westminster am Montag bekannt. Der Fall wird dem Old Bailey übergeben, der Prozess findet im Oktober statt. Tomlinson war wenige Minuten nach dem Angriff tot zusammengebrochen.
Staatsanwaltschaft Keir Starmer hatte voriges Jahr beschlossen, das Verfahren gar nicht erst zu eröffnen, da aufgrund der sich widersprechenden Obduktionsergebnisse keine Aussicht auf eine Verurteilung bestehe. Diese Entscheidung wurde im Mai revidiert, als die Geschworenen bei der öffentlichen Untersuchung des Falls zu dem Ergebnis kamen, dass der 44-jährige Polizist Simon Harwood "übermäßige und unangemessene Gewalt" angewendet habe. Starmer sagte gestern, es gebe nun genügend Beweise, um den 44-jährigen Polizisten Simon Harwood erfolgreich anzuklagen.
Tomlinson hatte weder an der Demonstration teilgenommen noch die Polizei provoziert. Er war auf dem Nachhauseweg von seiner Arbeit als Zeitungsverkäufer, als er in die Demonstration geriet und aufgrund der Kesseltaktik der Polizei nicht entkommen konnte. Der Fall wäre vermutlich unter den Teppich gekehrt worden, wenn nicht ein New Yorker Bankmanager den Angriff gefilmt hätte.
Die Polizei hatte gegenüber Tomlinsons Frau Julia, mit der er neun Kinder hat, zunächst behauptet, ihr Mann sei an einem Herzinfarkt gestorben. Polizisten hätten versucht, ihn wiederzubeleben, seien aber von Demonstranten daran gehindert worden. Dann tauchte das Video auf. Darauf sieht man, wie Tomlinson in der Royal-Exchange-Passage langsam vor einer Reihe von Polizisten mit Hunden herläuft, die Hände in den Taschen.
Plötzlich schlägt ihm ein vermummter Beamter, nämlich Harwood, von hinten mit dem Schlagstock in die Beine, bevor er ihn heftig zu Boden stößt. Die umstehenden Polizisten lassen ihn liegen. Ein Demonstrant hilft ihm schließlich auf die Beine. Tomlinson stolpert weiter, bricht aber drei Minuten später zusammen. Er starb an inneren Blutungen.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Leak zu Zwei-Klassen-Struktur beim BSW
Sahras Knechte
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
Friedensforscherin
„Wir können nicht so tun, als lebten wir in Frieden“
Nach Hitlergruß von Trump-Berater Bannon
Rechtspopulist Bardella sagt Rede ab
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße
Wahlentscheidung
Mit dem Wahl-O-Mat auf Weltrettung