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Nach der Nazi-Blockade in DresdenZeit für juristische Scharmützel

Die Linkspartei kritisiert den harten Polizeieinsatz im Büro des Demo-Bündnisses "Dresden Nazifrei". Zudem wird inzwischen gegen 70 Blockierer ermittelt.

Friedlicher Blockierer in Dresden? Die Staatsanwaltschaft hat da eine andere Auffassung. Bild: dpa

BERLIN taz | Die Blockaden des Neonazi-Marsches am Samstag in Dresden haben ein juristisches Nachspiel. Gegen 70 Frauen und Männern würden Verfahren wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz eingeleitet, teilte die Staatsanwaltschaft am Montag mit. Sie hatten mit Sitzblockaden eine Kreuzung auf der Marschroute der Rechtsextremen versperrt. Mehr als 20.000 Menschen verhinderten am Samstag einen Aufmarsch von Rechtsextremen. Nicht alle protestierten friedlich - Steine flogen, Barrikaden wurden gebaut.

Der Parteivorstand der Linkspartei prüft seinerseits derzeit, ob er gegen die Durchsuchung von Räumen durch Polizisten gerichtlich vorgeht. Das kündigte die Bundestagsabgeordnete Katja Kipping im Gespräch mit der taz an. Kipping war zugegen, als 120 Beamte am Samstagabend das "Haus der Begegnung" in Dresden aggressiv stürmten. Die Beamten wollten Aktivisten des Bündnisses festnehmen und Technik beschlagnahmen. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft: Verdacht der Bildung einer kriminellen Vereinigung und Landfriedensbruch.

In dem Gebäude ist die Pressestelle des Bündnisses "Dresden Nazifrei" untergebracht, die die Blockade des Naziaufmarsches mit organisiert hat. "Mittels der neuen Kommunikationstechnik die Straftaten vorbereitet zu haben", so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft. Auch die Linkspartei und der Verein "Roter Baum" haben dort Räume angemietet. Der LKA-Einsatz sei für alle Räume vorgesehen gewesen, so die Staatsanwaltschaft.

"Die Polizei wollte sich offenbar wegen der erfolgreichen Blockaden rächen", sagt Franziska Radtke vom Bündnis. Auch Katja Kipping sprach von einem "Racheakt" der Behörden. Ein 25-Jähriger, der selbst abgeführt wurde, sagte der taz: "Die Beamten schlugen einige mit Schlagstöcken in die Knie, manche mussten mit gefesselten Händen auf dem Boden sitzen, andere sich fast ganz ausziehen und gefesselt liegen bleiben."

Über eineinhalb Stunden hätten sie in einem Gefängniswagen warten müssen, bevor sie zu einem Revier gebracht und später in einer andere Dienststelle erkennungstechnisch behandelt wurden. Nach Angaben des Bündnisses erlitt während des Einsatz ein Vereinsmitglied einen Kreislaufzusammenbruch. Mindestens zwölf Personen sollen abgeführt worden sein. Die Staatsanwaltschaft wollte keine Zahl nennen.

Von einem überzogenen Polizeieinsatz wollte die Staatsanwaltschaft nichts wissen: "Da klopft man nicht vorher an", so ein Sprecher.

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7 Kommentare

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  • UM
    Ulli Müller

    Ich finde es schon dreist,

    was sich der sprechende Hosenanzug aus der Uckermark da erlaubt.

    Gaddafi rügen, weil er gegen die Demokratiebewegung, Bürger mit Zivlcourage vorgeht,

    aber zu der Gewalt gegen Demokraten im eigenen Land, zu Stuttgart und Dresden, schweigen!

    ZU @Stefan,

    man sieht aber, dass der CDU-Statt einen Unterschied macht,

    ob es sich um politische Gegener,( Stuttgart/Dresden)

    oder Konkurrenten (Nazis) handelt.

    Im letzteren Fall habe ich noch nie von gewaltsamen Übergriffen durch die Polizei gehört.

  • S
    @Stefan

    "Überfälle auf das Büro des politischen Gegners sind ein grundlegendes Instrument von Diktaturen und Militärjuntas."

     

    Genau das selbe "Argument" bringen die Nazis immer hervor, wenn mal wieder irgendwo ein NPD- oder JN-Büro oder die Räume irgendeiner freien Kameradschaft durchsucht wurden.

     

    Auf Grund des fast wortgleichen Beißreflexes auf Maßnahmen der Justiz sollte man eher mal fragen, wes Geistes Kind DU bist.

  • C
    Claudia

    Nun holt mal tief Luft und kommt wieder runter. Hausdurchsuchungen sind in jeder Demokratie an der Tagesordnung. Die meisten sind ein Schlag ins Leere, bei manchen werden Beweismittel für Straftaten oder deren Planung sichergestellt. Das weiß man aber immer erst hinterher. Ganz normaler Vorgang. Was soll die Aufregung?

  • S
    Stefan

    Überfälle auf das Büro des politischen Gegners sind ein grundlegendes Instrument von Diktaturen und Militärjuntas. Die konservativen Strippenzieher in Dresden zeigen hier einmal mehr, wes Geistes Kind sie sind, und dass sie dem autoritären und menschenverachtenden Gedankengut der Nazis auch in der Tat näher stehen als den Dresdner Bürgern, die gegen den braunen Abschaum auf die Straße gehen.

  • P
    Pedant

    Das heißt Haus der Begegnung, Kinder

  • IE
    Im Exil

    Sicher ist es richtig und wichtig, juristisch gegen die Durchsuchungen vorzugehen; es wird nur leider nichts ändern. Bei einer Hausdurchsuchung bei mir und anderen Personen, sowie unseres autonomen Zentrums im Jahre 2001 haben wir nach 8 Monaten zwar alle Prozesse gegen den Staatsschutz gewonnen, aber geändert hat das nichts. Lediglich die Computer und die beschlagnamten Papiere haben wir dann wiederbekommen. Da es in Deutschland keinerlei konsequenzen für den Auftraggeber (Polizei, Staatsschutz bzw Staatsanwaltschaft) nach sich zieht, haben sie ihr Ziel bestens erreicht. Wir waren 8 Monate mit juristischem Kleinkrieg beschäftigt und viele Gruppen und Personen waren anschliessend eingeschüchtert, oder aber zumindes zurückhaltender. Der Staatschutz hatte seinerseits 8 Monate Zeit, Unsere Strukturen "legalerweise" auszuhorchen, und unsere beschlagnamten Papiere in aller Ruhe auszuwerten. In diesem Falle wird es ebenso viel Kraft und Geld kosten, sich mit Prozessen etc. herumzuschlagen. Ich bin mir fast sicher, die Durchsuchungsaktionen werden wieder einmal für illegal erklärt, aber nächstes Jahr werden sich die Repressionsorgane wieder genau so verhalten.

    Das gleiche Schema findet man im Übrigen seit 25 Jahren im Bezug auf Polizeikessel vor: Immer wieder verboten, jedoch in Deutschland fast wöchentlich praktiziert... - ohne irgendeine Konsequenz.

  • RF
    Reiko Fitzke

    Auf der Startseite des Jugendverein "Roter Baum" e.V. befindet sich seit heute Abend eine umfassende Presseerklärung zu den Ereignissen.

    http://roter-baum.de/