Opposition enttäuscht über Kundus-Ausschuss: "Der Minister ist ein raffinierter Hund"
Die Opposition ist enttäuscht: Warum konnte der Minister trotz seiner Widersprüche nicht in größere Bedrängnis gebracht werden? Die SPD setzt auf Gegenüberstellung.
Am Tag danach hatten sich noch nicht alle Abgeordneten vom Auftritt des Verteidigungsministers im Untersuchungsausschuss erholt. Warum war es nicht gelungen, Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) vorzuführen? Seit Monaten hatte der Ausschuss sich auf seinen absehbaren Höhepunkt am Donnerstag vorbereitet. Wieso aber hatte die achtstündige Befragung nicht gezeigt, wie - nach Meinung nicht nur der Opposition - windbeutelig Guttenberg sich in der Affäre nach dem Luftangriff von Kundus verhalten hatte?
"Der Minister hat Fehler zugegeben, und es gab viele Fragen, die er nicht beantworten konnte", erklärte ein ermatteter Grüner, Omid Nouripour, zwar. Doch mochte auch er nicht leugnen, dass die Brisanz dessen nicht zu Tage befördert worden war. "Wir waren nicht übermäßig gut - und der Minister ist ein raffinierter Hund", gab der Linke Paul Schäfer unumwunden zu. Die Oppositionsfraktionen "waren sicherlich strategisch nicht besonders gut abgestimmt", sagte der SPD-Politiker Rainer Arnold.
Guttenberg hatte Stunde um Stunde auf immer neue Versionen der Frage reagieren müssen, wie es zwischen dem 6. November und dem 3. Dezember 2009 zu seinem Urteilswandel kam. Zuerst erklärte er in Übernahme des Begriffs des Generalinspekteurs Wolfgang Schneiderhan, das Bombardement mit etwa 90 Toten sei "militärisch angemessen", ja unvermeidlich gewesen. Dann tauchte ein Feldjägerbericht auf. Guttenberg warf Schneiderhan und dem Staatssekretär Peter Wichert vor, ihm diesen vorenthalten zu haben, feuerte sie und erklärte: Der Luftangriff sei "militärisch nicht angemessen" gewesen.
Zu dem Zeitpunkt war bereits zweifelhaft, dass der Feldjägerbericht so neu und wichtig war. Schneiderhan und Wichert schilderten dem Ausschuss im März die Umstände ihrer Entlassung ganz anders als der Minister.
Doch wie auch immer die Abgeordneten am Donnerstag ihre Fragen drehten - der Minister hatte seine viele Dutzend Seiten lange Erklärung vorgelesen und hielt sich den Rest des Tages daran fest. "Ich kann Ihnen gerne noch einmal vortragen, was ich vorhin bereits ausführte", war der meistverwendete Satz des Tages. Das war für einen als Kommunikationstalent gerühmten Politstar nicht besonders souverän, zeigte aber Wirkung. Das bald ermüdete Publikum kicherte gequält. Die Dauerwiederholung schien die Frager zu entblößen, nicht den Befragten.
SPD-Mann Arnold verlangt jetzt eine Gegenüberstellung von Schneiderhan, Wichert und Guttenberg vor dem Ausschuss. Im Dialog müsse Guttenberg sich vom Manuskript lösen, so Arnold. Grüne wie Linke sind davon bislang nicht überzeugt. Vor der NRW-Wahl jedenfalls wird es kein Ausschuss-Spektakel mehr geben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Twitter-Ersatz Bluesky
Toxic Positivity