Urteil zum Trennungsunterhalt: Gefährliches Fremdgehen
Das Urteil zur Unterhaltsversagung für eine "untreue" Ehefrau stößt auf Kritik des Juristinnenbundes. Schließlich könne ja auch der Mann schuld am Scheitern der Ehe sein.
BERLIN taz Das jetzt bekannt gewordene Urteil des Oberlandesgerichtes Zweibrücken zum Verwirken des Unterhaltsanspruchs durch "Fremdgehen" in der Ehe stößt bei RechtsanwältInnen auf Kritik. Angelika Nake, Vorsitzende der Familienrechtskommission im Deutschen Juristinnenbund, erklärte, sie halte das Urteil zum Trennungsunterhalt für "grundsätzlich falsch". Es zeige sich, dass seit Inkrafttreten des neuen Unterhaltsrechts wieder ein "moralischer Ton" in manche Gerichtsentscheidungen einziehe.
Das Oberlandesgericht Zweibrücken hatte entschieden, dass eine Frau nach 25-jähriger Ehe keinen Trennungsunterhalt vom Ehemann bekommt, da sie noch während der Ehe ein Verhältnis mit einem anderen Mann begonnen hatte, mit dem sie seit der Trennung auch zusammenlebt. Die Frau übte während der Ehe nur Aushilfstätigkeiten aus, ihr Ehemann ist pensionierter Diplom-Ingenieur. Aus der Ehe ging ein Sohn hervor.
Das Gericht berief sich auf die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, die verlassenen Ehegatten einen "Härtegrund" zugestehe, wenn das Prinzip der Gegenseitigkeit verletzt sei. Dies sei der Fall, wenn sich der Unterhaltsberechtigte "einem anderen Partner zuwende und jenem die dem Ehegatten geschuldete Hilfe und Fürsorge zuteil werden lasse", so das OLG Zweibrücken.
Laut dem Bürgerlichen Gesetzbuch kann ein "schwerwiegendes Fehlverhalten" in der Ehe zum Verwirken des Unterhaltsanspruchs führen. Zu diesem Fehlverhalten zähle der "Ausbruch aus intakter Ehe", sagte Claus Kratz, Mediensprecher des OLG Zweibrücken. Ein Urteil wie in Zweibrücken sei inzwischen häufige Praxis der Oberlandesgerichte. Die entscheidende Frage vor Gericht sei dabei, ob die Ehe vor Aufnahme der neuen Beziehung noch intakt gewesen sei oder nicht.
Rechtsanwältin Nake rügte, es sei gerichtlich schwer zu klären, wer für das Scheitern einer Ehe verantwortlich sei. Es könne auch sein, dass sich der Mann "eheschädigend" verhalten habe und die Aufnahme der neuen Beziehung der Frau eine Folge davon war. In der Scheidungsreform von 1976 sei das Schuldprinzip abgeschafft worden, weil man vor Gericht genau diese schmutzige Wäsche nicht mehr waschen wollte. (Aktenzeichen 2 UF 102/08)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe