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Deutsche RüstungsexporteDeutschland rüstet auf

Der Bericht zu den Waffengeschäften der Bundesrepublik 2010 liegt vor. Die prominente Rolle im weltweiten Rüstungsbetrieb quittiert die Bundesregierung mit Schweigen.

Laufen so gut wie die Rüstungsgeschäfte der Bundesregierung: Waffenmessen (hier in Nürnberg). Bild: dpa

BERLIN taz | Rüstungsexporte sind ein unangenehmes Thema für jede Regierung - besonders wenn sie steigen. In Deutschland war dies auch im Jahr 2009 so, inländische Unternehmen exportieren für Milliarden Euro in alle Welt. Und weil das Thema offenbar so unangenehm ist, gibt es noch Anfang Dezember 2010 keine offiziellen Zahlen aus der Bundesregierung zu dem Thema. "Ein Skandal", wie Karl Jüsten, der Vorsitzende der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE), am Montag in Berlin sagte.

Dass er trotzdem den alljährlichen Rüstungsexportbericht der GKKE vorstellen konnte, lag an einigen Kniffen der Verfasser. So betonte Jüsten, das Zahlenmaterial stamme vor allem aus kleinen Anfragen aus dem Bundestag, die im Laufe der Zeit "sehr detailliert vor allem von Vertretern der kleinen Oppositionsparteien" gestellt wurden.

Im Ergebnis steigen die Rüstungsexporte Deutschlands in einigen Bereichen - in anderen bleiben sie auf unverändert hohem Niveau. Die Anzahl der Einzelausfuhrgenehmigungen stieg 2009 um 4,8 Prozent auf mehr als 16.201 Fälle an. Das Gesamtvolumen beträgt damit nach Schätzungen der Verfasser rund 5,5 Milliarden Euro. Damit ist Deutschland international mit einem Anteil am Weltmarkt von 8 Prozent drittgrößter Waffenhändler, hinter den USA (41 Prozent) und Russland (10,5 Prozent).

Aus einer amerikanische Studie zitierten die Verfasser zudem das aktuelle Volumen der Neuverträge: Für 3,7 Millarden Dollar haben deutsche Hersteller demnach im Jahr 2009 Geschäfte für die Zukunft ausgehandelt - im Jahr zuvor war es noch rund eine Milliarde Dollar. Für den GKKE-Vorsitzenden Jüsten die Grundlage für "weitere Steigerung" der Exporte.

Auch in einem anderen Bereich war die Bundesregierung im vergangenen Jahr aktiver als zuvor: Bei den sogenannten Hermesbürgschaften, also staatlich abgesicherten Geschäften. Waren es im Jahr 2008 noch fast marginale 21 Millionen Euro, ist dieser Wert im Jahr 2009 auf knapp 2 Milliarden angestiegen. Wirtschaftlich abgesichert liefern deutsche Unternehmen so Rüstungsgüter in Länder wie Indien, Irak, Libyen, Pakistan oder Saudi-Arabien. "Dieser enorme Anstieg an staatlichen Ausfallbürgschaften für deutsche Rüstungstransfers erstaunt gerade vor dem Hintergrund der Wirtschafts- und Finanzkrise", sagte Jüsten, zudem werde "das Geschäftsrisiko von rüstungsexportierenden Firmen zu Lasten des Steuerzahlers reduziert".

Die Vertreter der GKKE kritisieren in ihrem Bericht auch die besondere Rolle Deutschlands bei den Rüstungsexporten mit dem finanziell ins Trudeln geratenen EU-Sorgenfall Griechenland. "Noch 2010 hat Griechenland 223 Panzerhaubitzen aus Bundeswehrbeständen im Wert von zehn Mio. übernommen", sagte Bernhard Moltmann von der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung, der den Bericht hauptverantwortlich erstellt hat. Knapp ein Drittel aller Rüstungsimporte des Landes stammten demnach aktuell aus Deutschland.

Moltmann sieht auch in der anstehenden Bundeswehrreform ein Risiko, dass die Exporte von Waffen weiter zunehmen können. "Werden die Empfehlungen der Strukturkommission umgesetzt, gibt es noch mehr überzählige Waffen", sagte er. Ein Gedanke, die auch die genannte Reformkommission unter Leitung des Chefs der Bundesagentur für Arbeit, Frank-Jürgen Weise, im Oktober miteinbezogen hat. Denn dieser legt der Rüstungsindustrie nahe, sich international neue Märkte zu suchen. Deutschland solle sich zudem den weniger strengen Kriterien anderer europäischer Länder anpassen, was die Genehmigungsverfahren angeht. Bei Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg soll dieser Vorschlag nicht auf völlig taube Ohren gestoßen sein.

Die Bundesregierung war für eine detaillierte Stellungnahme zu den Vorwürfen der GKKE nicht zu erreichen. Lediglich den Vorwurf, keine Zahlen vorzulegen, wollte das Bundeswirtschaftsministerium nicht auf sich sitzen lassen. Der eigene Rüstungsexportbericht werde schließlich "am Mittwoch im Kabinett vorgelegt", sagte eine Sprecherin auf Anfrage, "dann werden auch die Zahlen bekannt gegeben".

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11 Kommentare

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  • F
    frischer

    Wie heisst es so schön bei G. Schramm:

     

    "Heckler & Koch - die Rolex unter den Handfeuerwaffen"

    - Ein todsicheres Geschäft!

  • A
    avelon

    Wieviel Prozent der erwerbstaetigen FabrikarbeiterInnen sieht und/oder/auch weiß heutzutage welchem Ziel das von ihm/ihr produzierte kleine Teilchen dienen wird? Neue elektronische Technologien machen die Ueberschaubarkeit fuer uns schwierig, wenn nicht ganz unmoeglich.

     

    Vermutlich wuerde es sich so manch ein Mensch zweimal ueberlegen, ob er einen Arbeitsvertrag unterschreibt, im Wissen, daß seine Arbeitskraft fuer das Toeten anderer Menschen und die Reichtumsvermehrung einiger Weniger genutzt wird.

  • V
    vantast

    Sicher, die Sozen waren an den Arbeitsplätzen interessiert, die CDU daran, daß die Menschen möglichst früh in den Himmel kommen, die FDP huldigte ihrem Geldgott. Von Rheinmetall heißt es, daß etwa 80 Menschen / Monat auf das Konto eines Arbeiters gehen.

    Nur den Endverbraucher fragt niemand, auch nicht in der christlich-jüdischen Kultur.

  • L
    lisaschnei

    Uiuiui, die taz macht mal wieder auf Alarmismus – doch offenkundig interessiert's kein Schwein. Also erbarme ich mich halt und schreibe den ersten Kommentar: Wirtschaftlich nutzlose und parasitäre Existenzen wie Vertreter der evangelischen Kirche sollten gefälligst den Mund halten, wenn ihre Mitbrüder und -schwestern mit Hochtechnologie Geld und damit Kirchensteuern verdienen. Denn nur so kann man Theologen & Co. mit durchfüttern. Oder hat schon mal jemand davon gehört, dass die Protestanten irgendjemandes Kirchensteuern und Spenden abgelehnt hätten, bloß weil der Betreffende in der Wehrtechnik arbeitet? Eben. Und der Herr Prälat Karl Jüsten sollte lieber Adventssingen und Weihnachtsandachten abhalten – dann liefert er für sein Gehalt wenigstens ein bisschen Entertainment.

  • V
    vic

    Die Bundesregierung schweigt zu ihren schmutzigen Waffen-Geschäften - unter Anderem auch dazu.

    Und da fragt sich noch jemand, wozu Wikileaks da ist?

    Eine Bevölkerung sollte erfahren, weshalb Waffenhändler wie H&K u.v.m. großzügig unterstützt werden, während Ausgaben für Bildung, Löhne und Sozialleistungen kontinuierlich abgebaut werden.

    Von vier Enegiekonzernen will ich an dieser Stelle gar nicht sprechen. Doch so viel steht fest:

    Dieser Staat hat so viel zu verbergen, dass ich mir wünsche, Assanges Nachfolger würden sich gezielt um Aufklärung der deutschen Wähler kümmern.

    Die haben Nachhilfe nämlich nötig.

  • C
    Celsus

    Drittgrößter Waffenexporteur. Damit klebt viel Blut an den Händen der deutschen Exportindustrie. Fälle verbotener Lieferungen nach Mexiko und in andere Länder ergänzen das Bild. Da soll mir jemand weißmachen, dass deutsche und andere Geheimdienste nicht schon gemeldet hätten, von wem die Waffen kommen, mit denen anderenorts Menschen ermordet werden und die Bevölkerung unterdrückt wird.

     

    Von den Zuständen in unseren Hauptexportländern für Waffen hätte ich mal gerne erfahren. Und welche Firmen haben sich in den Ländern mit diesen Zuständen wegen der aus deren Sicht traumhaften Zustände ohne Gewerkschaften und Umweltschätzer abgesetzt?

  • H
    h.stoss

    "Nie wieder soll von deutschem Boden ein Krieg ausgehen!"

     

    Kann sich wer erinnern?

  • M
    Mac-Lennox

    Jeher unsere Regierungen erklären:

    Weltweiten Frieden schaffen,

    funktioniert nur mit modernen Waffen!

    So sich weniger Bösewichte vermehren.

     

    Irak und Pakistan als Paradiese bekannt;

    drum schicken wir Hermes als Boten,

    sind keineswegs schuld an den Toten!

    Solange wir gut verdienen, bleibt alles entspannt.

     

    Doch entsetzlich der Aufschrei;

    mehrere unserer Jungs zu Staub geworden,

    teuflische Taliban können bloß morden!

    Daher lasst uns unterstützen, Hamid Karsai!

     

    In Saudi-Arabien herrschen Demokraten.

    Anstatt das kriegerische Iran als Hegemonial,

    welches sorgen würde für ein heißes Fanal,

    gezwungen den Saudis zu spielen in die Karten!

     

    So sind wir astrein humanitär.

    Unsere Hände bleiben unbefleckt,

    operieren ja im Hintergrund versteckt.

    Und kassieren dafür noch hohes Salär.

     

    PS: Schicke zum dritten Mal diese Botschaft ab, weil bei mir ständig eine Fehlermeldung erscheint!

  • S
    Steuerzahler

    Finde ich gut, das sichert eine Menge Arbeitsplätze in Deutschland :-)

  • JS
    Jack Stern

    sirry aber sind den die genanten staaten keine kriesengebiete na die exporte verboten sind ??

     

    ich denke diese entwicklung zeigt offensichtlich dass auch deutschland menschenrechte und demokratie als interessenwerkzeugt misbraucht. die worte wie menscherechte verlieren somit ihre überzeugungs- und anziehungkraft, weil es länder gibt die demokratie sagen aber eigeninteressen meinen.

  • TF
    Thomas Fluhr

    ...international neue Märkte suchen. Was heißt das, sollen friedliche Regionen zu Krisengebieten verwandelt werden, kein Problem der Ami hilft gerne. Hauptsache der Export stimmt und wir können Arbeitsplätze erhalten. Völker der Welt bekriegt euch!