Porträt Philipp Rösler: Der erfolgreiche liberale Bauchredner
Philipp Rösler, 35, Chef der FDP Niedersachsen, soll Wirtschaftsminister der Landesregierung in Hannover werden - womöglich nur ein Sprungbrett auf dem Weg nach Berlin.
Vor sechs Jahren belächelte ihn der Koalitionspartner von der CDU noch als "Chinesen". Heute würde das niemand mehr wagen: Philipp Rösler wurde zwar 1973 im vietnamesischen Khanh Hung geboren und im Alter von neun Monaten von Deutschen adoptiert, aber die Polithoffnung der Niedersachsen-FDP hat sich inzwischen Respekt in Hannover und darüber hinaus verschafft. Gestern erklomm er eine weitere Stufe auf der Karriereleiter.
Der 35-Jährige soll neuer Wirtschaftsminister im schwarz-gelb regierten Niedersachsen werden - er wäre damit der drittjüngste seiner Zunft in Deutschland. Das kündigte der noch amtierende Ressortchef Walter Hirche an, der im Februar aufhören will. Politdino Hirche, demnächst 68 Jahre alt, hatte Rösler als seinen Nachfolger aufgebaut: Mit 27 machte er den Sanitätsoffizier der Bundeswehr zum Generalsekretär der Landespartei, mit 30 zum Fraktionschef im Landesparlament, mit 33 zu seinem Nachfolger als Chef der FDP Niedersachsen. Seit 2007 sitzt Philipp Rösler im FDP-Bundespräsidium.
Er gilt als Pragmatiker, blitzgescheit und gewitzt. Fernsehauftritte bestreitet Rösler gerne bauchredend mit "Willi", einer Puppe, mit der er als Arzt Kindern die Angst vor der Behandlung nahm.
Vielleicht ist das Wirtschaftsministerium an der Leine nur eine weitere Zwischenstation für den Mann von der dünn gesäten Führungsreserve der gelben Partei. Es gibt nicht wenige in der Partei, die Rösler mehr Macht in Berlin wünschen - vor allem, falls FDP-Chef Guido Westerwelle bei der Bundestagswahl im September sein Ziel erneut verfehlt, die Liberalen in die Regierung zu hieven.
Immer wieder kritteln FDP-Granden an der "One Man Show" von Westerwelle, auch Rösler legte sich schon direkt mit "Guido" an. Der Niedersachse hält das Image der Westerwelle-FDP für zu kalt: Das "reine Beschwören eines ordoliberalen Kurses", schrieb er kürzlich in einem Papier, gehe "schlichtweg an den Menschen vorbei". Die FDP müsste sich auf ihre Tradition als Bürgerrechtspartei besinnen, auch Werte wie Solidarität gehörten zum Kanon der Liberalen. Teil der Rösler-Strategie ist auch, vor allem den Grünen wieder Wähler abspenstig zu machen; ihnen per "Häuserkampf" in den Städten Stimmen abzujagen, wie er vor Wahlen regelmäßig verkündet.
Am Tag seiner seit Langem heimlich vorbereiteten Inthronisierung als künftiger Wirtschaftslenker sprach Rösler abgeklärt von den "Riesenfußstapfen", die ihm Hirche hinterlasse. Doch war gestern für ihn nur ein Ereignis Thema: Seine erst zwei Monate alten Zwillingstöchter Gesche und Grietje hatten erstmals mit eigener Kraft das Köpfchen gehoben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren
Tod des Fahrradaktivisten Natenom
Öffentliche Verhandlung vor Gericht entfällt
Wahlprogramm der FDP
Alles lässt sich ändern – außer der Schuldenbremse
Grüne über das Gezerre um Paragraf 218
„Absolut unüblich und respektlos“
Energiewende in Deutschland
Erneuerbare erreichen Rekord-Anteil