Machtkampf nach Wahl-Debakel: Gabriel soll die SPD rocken
Sigmar Gabriel findet für sich nichts zu groß. Nun wird der ehemalige Bundesumweltminister als kommender SPD-Parteichef gehandelt.
BERLIN taz Er ist wieder da - Sigmar Gabriel wird als Parteichef der Sozialdemokraten gehandelt. So geht das immer in seinem Leben: Erst wird er von seiner Partei verhöhnt, dann hofiert. Sein Adrenalinspiegel fällt, dann geht er wieder in die Höhe. Es gibt kaum einen anderen Politiker, der schon so oft von seinen Genossen fallen gelassen wurde.
Sigmar Gabriel, 50, derzeit Bundesumweltminister, kann kämpfen. Wahlkämpfen zum Beispiel, wie kein anderer. Das hat er in den vergangenen Wochen wieder gezeigt. Der Niedersachse tauchte auf der Landesliste seiner Partei für die Bundestagswahl erst abgeschlagen auf Platz 24 auf. Eigentlich wollte er sie anführen, blitzte aber ab. Gabriel schmollte - und ließ sich dann ganz nach hinten setzen. Dorthin, wo man darauf angewiesen ist, seinen Wahlkreis zu gewinnen, um wieder in den Bundestag zu kommen. Gabriel schaffte es, machte sich beliebt.
Dabei kann er auch ganz anders - übellaunig, pampig, bollerig. Seine engsten Mitarbeiter beklagen, dass er sich als "Sonnenkönig" gebe, dass er nach "Gutsherrenart" rumschnauze. Beispiel: "Das ist mir egal, wie Sie es hinkriegen, Hauptsache, Sie kriegen es hin!" Gabriel kommt oft nicht gut an, auch beim Wähler nicht. 2003 hat er krachend die Landtagswahlen verloren. Zuvor war er Ministerpräsident. Danach wurde er Pop-Beauftragter der Partei. Das klang lächerlich und hängt ihm heute noch nach. Die Parteizentrale ging lange auf Distanz. Franz Müntefering holte ihn aber 2005 zurück - als Ökominister. 2007 ließ ihn die Parteilinke bei den Wahlen zum Parteipräsidium abermals durchfallen. Sie nahm ihm sein Selbstverständnis übel. Gabriel findet für sich nichts zu groß - und machte weiter.
So war er im Wahlkampf omnipräsent, wetterte in Talkshows gegen die Atomkraft, ließ sich im maroden Atommülllager Asse fotografieren, erklärte im Radio das Endlager Gorleben für tot. Die Atomkonzerne haben es ihm mit ihren Pannen einfach gemacht. Der Exlehrer hat allerdings auch Spaß daran. Er kann mit Leuten. Er nimmt ihnen die Scheu vor dem Politiker aus Berlin, redet darüber, dass er aus dem Harz kommt. Seine Herkunft ist ihm wichtig. Von seiner Mutter - Krankenschwester, alleinerziehend - habe er das "Gerechtigkeitsgefühl geerbt", sagt er. An geschätzte Kollegen verschenkt er "Harzer Grubenlicht", einen 35-prozentigen Kräuterschnaps, und Harz-Bildbände. Auf seine Art soll Gabriel nun die Sozialdemokraten retten.
HANNA GERSMANN
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