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Militärdokumente zum IrakkriegFolter als Randnotiz

Die von Wikileaks veröffentlichten Dokumente belegen zahlreiche Fälle von Folter und Misshandlungen. Ihr Fazit ist stets dasselbe: "Weitere Ermittlungen sind nicht notwendig".

Ein US-Soldat und ein irakischer Soldat führen zwei Gefangene ab. Bild: ap/archiv (2008)

WASHINGTON taz | Die von Wikileaks veröffentlichten geheimen Militärdokumente aus dem Irakkrieg zeigen den Alltag der Militärs - und der ist alles andere als friedlich: Über 100.000 getötete ZivilistInnen, Misshandlungen von Gefangenen durch die irakischen Sicherheitskräfte und die US-Armee und eine fatale Rolle privater Söldnerfirmen- das sind ihre Kernaussagen.

In etlichen Berichten wird geschildert, wie Gefangene gedemütigt, angeschossen, mit Kabeln, Ketten und Schlagstöcken geschlagen wurden oder schwerste Verbrennungen erlitten. Das Fazit dieser Berichte ist stets das gleiche: "Weitere Ermittlungen sind nicht notwendig."

Die Dokumente umfassen den Zeitraum von 2004 bis 2009, das schließt die Jahre 2006 und 2007 ein, in denen der Krieg am stärksten eskalierte. Damit decken sie den größten Teil der US-Kriegführung unter Präsident George W. Bush ab - und fast das erste Jahr der Regierung Obama. Besondere Aufmerksamkeit verdienen jene Berichte, aus denen hervorgeht, dass die US-Armee, und vermutlich auch die britische, von Folter und Misshandlungen durch die irakischen Sicherheitskräfte wusste, aber nichts dagegen unternahm.

Vielmehr besagte die 2004 von der US-Militärzentrale ausgestellte Anordnung "Frago 242", dass in Fällen von Misshandlungen von Irakern durch irakische Sicherheitskräfte lediglich eine Notiz angefertigt werden sollte - aber keine weitere Untersuchungen folgen sollten.

2009 etwa wird von einem Gefangenen berichtet, der mit schweren Verätzungen durch Säure, zahlreichen Prellungen und Blutergüssen und mehreren Amputationen ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Er hatte sich zuvor mehrere Tage unter dem Vorwurf, eine Sprengfalle gelegt zu haben, in Militärgewahrsam befunden. Die Vorfälle wurden zwar an die zuständigen US-Kommandeure weitergegeben, eine Untersuchung wurde zugesagt, zu Verhaftungen kam es jedoch nicht.

Einem anderen Mann, der von irakischen Sicherheitskräften in einem unterirdischen Bunker gefangen gehalten wurde, wurden die Hände hinter dem Rücken gefesselt und er wurde an den Handgelenken an der Decke aufgehängt und mit Elektroschocks gefoltert. Der Mann wurde später von US-Militärärzten behandelt, die Verletzungen wurden notiert und die Berichte weitergeleitet. Fazit: "Weitere Ermittlungen sind nicht notwendig."

Derartige Vorfälle ziehen sich bis weit ins Jahr 2009, bereits unter der Obama-Regierung. Die Berichte geben keinen Anlass zu der Annahme, dass sich die Praktiken mit dem Regierungswechsel geändert haben könnten. Sie werfen ein Licht darauf, was der Rückzug der US-Truppen und die Übergabe der Verantwortung an die irakischen Kräfte bedeutet.

Neben den vielen Berichten über getötete irakische Zivilisten, die Kidnapping, Morden oder Sprengstoffattentaten zum Opfer fielen, finden sich auch solche, bei denen die US-Armee eine direkte Rolle spielt. Am 22. Februar 2007 etwa verfolgte ein US-Kampfhubschrauber eine Gruppe von Aufständischen in einem Kleinlaster. Nach einem Feuergefecht fliehen zwei überlebende Iraker in einem Wagen. Verfolgt vom Hubschrauber steigen sie aus und wollen sich ergeben. Ein Militäranwalt in der Einsatzzentrale sagt der Besetzung des Hubschraubers, die Iraker könnten sich keinem Hubschrauber ergeben, sie seien nach wie vor legitime Ziele. Die Soldaten schießen, verfehlen die zwei zunächst, sie fliehen in einen nahe gelegenen Schuppen - dort werden sie getötet.

Private Sicherheitskräfte wie die notorisch bekannte Firma Blackwater, heute Xe Services, haben laut den Dokumenten wesentlich zur Eskalation des Krieges beigetragen. Immer wieder waren es ihre Leute, die in angespannten Situationen wild um sich schossen und auf das Leben von Zivilisten keine Rücksicht nahmen. Nach einem Sprengfallenanschlag am 22. August 2006 etwa schossen Mitarbeiter von Blackwater "rücksichtslos in die Menge", hält ein Militärbericht fest.

In einem anderen Fall töteten Angestellte der rumänischen Sicherheitsfirma Danubia Global 2006 drei Iraker in Falludscha und weigerten sich danach, zu dem Vorfall Stellung zu nehmen. Ihr Argument: Es sei eine Regel ihres Unternehmens, Ermittlern gegenüber keinerlei Aussagen zu machen.

Bei zahlreichen Zwischenfällen schossen Mitarbeiter von Sicherheitsfirmen auch auf irakische Polizisten und Soldaten, auf Mitarbeiter anderer Sicherheitsfirmen, selbst auf US-Soldaten. Allerdings wurden sie auch oft selbst Opfer von Angriffen und Sprengfallen, denen die Söldner in ihren Pick-ups schutzlos ausgesetzt waren. Rund 175 private Sicherheitsleute sollen in diesem Zeitraum ums Leben gekommen sein.

Die von Wikileaks veröffentlichten Berichte dürften nicht alle stimmen. Wer etwa das Militärprotokoll jenes berühmt gewordenen Hubschrauberangriffs vom 12. Juli 2007 liest, in dessen Verlauf jubelnde US-amerikanische Bordschützen 13 Unbewaffnete töteten und vier weitere schwer verletzten, darunter zwei Kinder, wird von Skandal nichts wiederfinden: Darin ist die Rede von feindlichem Beschuss, auf den man geantwortet und 13 "AIF", antiirakische Kräfte, getötet habe. Nichts davon ist wahr.

Das bekannte Gesamtbild des Irakkriegs verändern die Berichte nur graduell. Aber die Verantwortung der US-Regierung, auch der jetzigen, wird noch einmal deutlicher. Und niemand kann sich mehr darauf berufen, es gebe keine entsprechenden Informationen, man habe von nichts gewusst.

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5 Kommentare

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  • P
    Peter

    Wer wundert sich denn darüber? Krieg ist immer eine schmutzige Angelegenheit, wer etwas anderes behauptet betreibt Propaganda.

  • V
    vantast

    Das ist nichts anderes, als ein Einverständnis mit den Taten und Tätern. Man kann also wirklich sagen, daß die Regierung mit Morden und Folter einverstanden ist. (Wie auch bei Fidel Castro und anderen).

    Bei den israelischen Verbrechen gegen Menschlichkeit und Völkerrecht hört man wenigstens, "daß die Fälle untersucht werden", natürlich mit gleichem Ergebnis, man hört nie wieder etwas.

  • M
    Matthias

    Interviewed doch mal das Sturmgeschuetz der Demokratie Wolf Biermann, was er heute vom Irak Krieg haelt, fuer den er damals in seiner gewohnt vulgaeren Art die Werbetrommel geruehrt hat.

     

    Wer's nicht glaubt, hier ein Text von ihm:

     

    http://hinter-den-schlagzeilen.de/2010/09/15/wolf-biermann-soldat-soldat/

  • H
    Hubert

    Verrohung in einem Krieg

    Schrecklich was man uns mit diesen Dokumenten aufzeigt, aber ist das denn nicht die ganz normale Verrohung der Menschen in einem Krieg?

    Wer immer wieder auf die Propagandalügen der Politiker, oder Militärs hereinfällt, wo jeder von sich behauptet, dass sie saubere Kriege führen, der hat dann bestimmt noch mehr Dreck an sich.

    Kriege sind immer nur dazu da um anderen Menschen zu unterwerfen und diejenigen die sie ausüben gehen nie nach einem Umgangskodex von Adolpf Knigge vor.

    Aber wir lassen uns zu schnell von den Politikern täuschen, denn die sprechen immer nur von den Verbrechen und Greultaten der anderen, also dem Gegner, aber auch wir und unsere Freunde legen in jedem Krieg alles humane ab und handeln menschenunwürdig.

    Wer all das verhindern will, der sollte seine politischen und wirtschaftlichen Kämpfe eben nicht mit der Waffe in der Hand versuchen auszutragen.

    Make Peace not War.

  • A
    Andrea

    Im Dokumentarfilm "Taxi to the dark side" von 2007, letzten Donnerstag noch einmal in deutscher Fassung auf Arte zu sehen, wird detailliert und schlüssig die systemtische Folterpraxis des US-MIlitärs in enger Kooperation mit dem Geheimdienst CIA belegt. In den Folterzentren Guantanamo auf Kuba, Bagram in Afganistan und Abu Graibh im Irak werden schwerste Foltertechniken angewendet, die auf Experimente von US-Psychologen im Dienst der CIA aus den 1960er Jahren zurück gehen. Die Folterer vor Ort, meist junge ungebildete Männer, werden zum einen von ihren vorgesetzten unter massiven Druck gesetzt, zum anderen von ihnen bewusst in einer rechtlichen Ggrauzone gelassen. Selbst als bei den Foltereien Menschen sterben, werden nur die unteren Ränge angeklagt und mit wenigen Jahren Gefängnis bestraft. Das alles ist zwar in erster Linie der Regierung Bush im Rahmen ihres "Krieges gegen den Terror" anzulasten, wird aber von der Regierung Obama in vollem Umfang mitgetragen und weiter geführt. Die genannten Folterzentren bestehen weiter, die von Bush verfügte Amnestie zugunsten der Legitimierer und Praktizierer der Folterer hat Obama kläglich bestätigt. Warum also sollte sich das System ändern? Der Artikel über die lang dauernde Praxis ist so traurig wie redundant.