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Kämpfe in Libyen"Ganz Adschdabija ist frei"

In der Nacht haben die libyschen Aufständischen Adschdabija eingenommen. "Ohne die Flugzeuge hätten wir es nicht geschafft", sagte ein Kämpfer. Menschen tanzen auf Gaddafis Panzern.

Jugend auf Panzern, in der Nähe von Bengasi. Bild: dpa

ADSCHDABIJA dapd | Mit alliierter Luftunterstützung haben libysche Aufständische am Samstag nach eigenen Angaben die strategisch wichtige Stadt Adschdabija zurückerobert. Es ist der erste große Sieg der Aufständischen in einem Konflikt, in dem bis zum Eingreifen der internationalen Koalition vor einer Woche die Truppen des libyschen Machthabers Muammar al Gaddafi schon auf der Siegerstraße schienen.

Dessen Regierung warf der Koalition Parteinahme für die Aufständischen vor. Damit werde versucht, das nordafrikanische Land an den Rand eines Bürgerkriegs zu drängen, sagte der stellvertretende Außenminister Chaled Kaim in Tripolis.

"Ohne die Flugzeuge hätten wir es nicht geschafft", sagte ein 38-jähriger Kämpfer aus der zwischen Bengasi und Misrata gelegenen Stadt, Ahmed Faradsch, der Nachrichtenagentur AP. "Mithilfe der Flugzeuge stoßen wir weiter bis Tripolis vor, so Gott will."

Ein Kämpfer, Said Sadawi, sagte, der östliche Zugang zur Stadt sei in der Nacht und der westliche am Morgen nach britischen und französischen Luftangriffen auf Truppen Gaddafis in die Hand der Aufständischen gefallen. "Ganz Adschdabija ist frei", sagte Sadawi.

Adschdabija gilt als Tor nach Bengasi im Osten und Misrata im Westen. Kaim sagte, mit direkten Angriffen auf Gaddafis Einheiten gingen die internationalen Truppen über das Mandat des UN-Sicherheitsrats hinaus, die Zivilbevölkerung zu schützen. "Das ist jetzt das Ziel der Koalition, es ist nicht der Schutz der Zivilbevölkerung, weil sie jetzt direkt die Streitkräfte bekämpfen."

Auf der Straße nach Adschdabija tanzten Aufständische auf ausgebrannten Panzern Gaddafis. Bei Luftangriffen am Freitag wurden Artilleriestellungen und gepanzerte Fahrzeuge in den Randbezirken der Stadt zerstört.

US-Kommandeur für begrenzte Luftangriffe

Am Freitag hatte noch der US-Kommandeur des internationalen Einsatzes, General Carter Ham, der Nachrichtenagentur AP erklärt: "Wir könnten ganz leicht alle Regime-Truppen in Adschdabija zerstören." Dabei würde aber auch die gesamte Stadt in Schutt und Trümmer gelegt. "Wir würden genau die Leute töten, die wir schützen sollen."

Deshalb müssen die schlecht ausgerüsteten Aufständischen - sie verfügen kaum über schwere Waffen - selbst versuchen, die Belagerungen von Gaddafi-Truppen in mehreren Städten zu durchbrechen.

Bürger Adschdabijas fuhren nach dem Einzug der Aufständischen mit Autos hupend und feiernd durch die Straßen. Ihre Stadt war mehr als eine Woche von Gaddafis Truppen belagert worden.

"Wir sind bei unserer Mission erfolgreich"

US-Präsident Barack Obama erklärte unterdessen in seiner wöchentlichen Rundfunk- und Internetansprache, das Militärbündnis sei bei der Durchsetzung der UN-Sicherheitsresolution erfolgreich. Die libysche Luftverteidigung sei "ausgeschaltet" und in von Aufständischen kontrollierten Städten seien die Einheiten Gaddafis zurückgeschlagen worden, sagte er in der noch vor der Meldung aus Adschdabija veröffentlichten Rede.

"Die Vereinigten Staaten sollen und können nicht bei jeder Krise in der Welt intervenieren", sagte Obama. Da Gaddafi aber "ein Blutbad angedroht hat, das eine ganze Regierung destabilisieren kann, ist es in unserem nationalen Interesse, zu handeln - und es ist unsere Verantwortung. Das ist einer der Fälle", sagte der US-Präsident. Die anfangs von den USA geführte Allianz gegen Gaddafi hatte am 19. März mit Angriffen auf dessen Luftverteidigung und auf Städte wie Bengasi vorrückende Truppen begonnen. Am Montag will Obama seine Libyen-Politik in einer Rede an die Nation erläutern.

Die Überwachung der Flugverbotszone soll demnächst von der NATO koordiniert werden. Damit soll gemäß UN-Sicherheitsresolution verhindert werden, dass Gaddafi seine Luftwaffe und Truppen gegen sein eigenes Volk einsetzt.

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5 Kommentare

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  • JK
    Jürgen Kluzik

    Deutsche Abwehrmauern:

     

    Schreibe ich Bengasi, antworten sie: "Bahrein, Saudi Arabien, Jemen, Syrien, China, Elfenbeinküste." Und wenn ich darauf hinweise, dass Gaddafis Killer alle Oppositionellen in Bengasi ermorden wollen, knallen sie mir die Hungerleider von ganz Afrika an den Kopf.

  • AB
    Alex B.

    Da Gaddafi aber "ein Blutbad angedroht hat, das eine ganze Regierung destabilisieren kann [...]"

     

    Eine ganze _Region_?

  • E
    EuroTanic

    Frei von den ehemaligen Einwohnern? Die geflohen oder durch Kugeln und Bomben getötet wurden? Wenn erst mal alle tot sind ist endlich Ruhe, ähh, Frieden. Dass dabei die dunkelhäutigen Einwohner durch die "Rebellen" genoziiert werden stört uns ja weniger. Und da grade Wohnungen frei geworden sind können die Befreier gleich einziehen. Ich bin ja so stolz auf unsere aliierten Truppen.

  • DA
    Dirk Aleksic

    Traurig, traurig, dass jetzt auch schon die TAZ imperialistische NATO-Propaganda unreflektiert wiedergibt. Wo sind die Berichte darüber, dass die russische Armee Bombenangriffe auf die Zivilbevölkerung dementiert hat. Wo sind Berichte über die "Kollateralschäden" der NATO-Bombadierungen.

    In dieser "humanitären Intervention" geht es um billiges Öl, wie immer, wenn die USA und ihre Freunde das Kriegsbeil ausgraben. Oder warum gibt es in Bahrain, Jemen etc nicht mal Sanktionen gegen die Diktatoren, geschweige denn militärische Unterstützung für die dort tatsächlich friedlichen Demonstranten. Der Unterschied besteht doch offensichtlich einzig darin, dass ein guter Diktator das Öl des Landes billig an die Kolonialmächte verkauft.

    Sicherlich ist Gaddafi kein Engel, aber die "internationale Gemeinschaft", die jetzt Libyen den Krieg erklärt hat, ist noch schlimmer.

    Das erste mal, dass ich eine Aktion unseres Außenministers lobenswert fand, auch wenn sich der wohl mehr Sorgen um die kommenden Wahlen als um Menschenleben gemacht hat.

    Dies ist ein neuer auf Lügen aufgebauter, lange vorbereiteter imperialistischer Krieg, genauso wie im Irak und in Afghanistan, wo schon die Zivilbevölkerung mit den Killer-Drohnen und der Uran-Munition der Guantanamo-Demokraten gerettet worden ist.

    Demnächst sind dann Syrien und Iran dran, die den transnationalen Ölkonzernen noch ein Dorn im Auge sind.

    Aber die Verbrechen in Saudi-Arabien, eines der brutalsten Diktaturen im arabischen Raum, werden in unseren "freien" Medien nicht erwähnt. Schließlich geben die Saudis uns ihr Öl billig und bekommen dafür natürlich Unterstützung bei der Unterwerfung der Bevölkerung. Wo kommen wir denn hin, wenn es überall Zustände gibt, wie in Libyen, wo der Lebensstandard der höchste in ganz Afrika ist.

    Da müssen wir dann womöglich unsere Kolonialpolitik aufgeben...

  • K
    Kai

    Ethnische Säuberung in Adschdabija?