Abschiebung: Noch eine Familie getrennt
Behörde holt eine Frau und vier kleine Kinder aus ihrer Wohnung und fliegt sie ins Kosovo aus. Der Vater der Kinder liegt im Krankenhaus.
BREMEN taz | Der Landkreis Harburg hat am Dienstag eine Romni mit vier Kindern im Alter von zwei bis sechs Jahren ins Kosovo abgeschoben, obwohl der Kindesvater mit einer lebensgefährlichen Lungenerkrankung in einem bayrischen Krankenhaus liegt.
Ein Sprecher des Landkreises bestätigte, dass Polizisten die 25-jährige Sevlije Begani am frühen Morgen abholten, ohne dass die Frau darauf vorbereitet worden wäre. "Sowas kündigen wir vorher nie an." Die Familie wurden nach Düsseldorf gebracht und nach Pristina geflogen - in Begleitung von Bundespolizisten und zusammen mit 150 weiteren Flüchtlingen.
2001 waren Begani und ihr Lebensgefährte Rama Gani vor dem Bürgerkrieg im Kosovo geflohen. Seither lebten sie als Geduldete in Deutschland, wo ihre vier Kinder zur Welt kamen. 2010 dann wurde Gani ins Kosovo abgeschoben.
Nach Angaben des "Roma-Center" in Göttingen war er dort obdachlos, wurde attackiert und erkrankte an Lunge und Augen. Im vergangenen Winter schlug er sich nach Deutschland durch, reiste illegal ein, wurde aber prompt von der Polizei aufgegriffen. In der Haft stellten Ärzte offene, ausgebrochene TBC fest, seither liegt Gani in einer Klinik.
Der Kreis Harburg bestreitet, dass zwischen Begani und Gani eine "familiäre Gemeinschaft" bestand, schließlich habe Gani zuvor in Göttingen gelebt. "Die konnten sich ja auch gar nicht sehen", sagt Kenan Emini vom Roma-Center: "Als Geduldete hat man sie in verschiedene Landkreise aufgeteilt."
"Roma haben im Kosovo keine Chance", sagte der Vorsitzende der Gesellschaft für bedrohte Völker, Tilman Zülch. "Rückkehrer leben in einer schrecklichen Situation, es gibt keine Perspektive, sie verelenden." Zülch erinnerte daran, dass Deutsche in der NS-Zeit fast 500.000 Roma ermordeten. "Es sollte ein leichtes für uns sein, mit den 20.000 Kosovo-Roma, die heute bei uns leben, anständig umzugehen."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Anbrechender Wahlkampf
Eine Extraportion demokratischer Optimismus, bitte!
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“