MONIKA EBELING über Gender Mainstreaming: "Auch Männer haben Narben"
Zu sehr auf Männer fixiert? Goslar hat seine Gleichstellungsbeauftragte Monika Ebeling abgewählt - für sie eine Absage an den Fortschritt der Emanzipation.
taz: Frau Ebeling, die Linken-Ratsfraktion möchte Sie als Gleichstellungsbeauftragte abberufen lassen. Warum?
Monika Ebeling: Mir wird vorgeworfen, dass meine Arbeit zu männerbedacht sei und ich mich als Gleichstellungsbeauftragte mehr auf Frauen fokussieren müsste. Gleichstellungsarbeit geht für mich aber in beide Richtungen. Der Konflikt war von Anfang an da und hat sich zugespitzt, als eine Gruppe von feministischen Frauen merkte, dass ich an meiner Linie festhalte.
Worum gab es Krach?
Letztes Jahr gab es eine Ausstellung mit dem Titel "Gegengewalt in Paarbeziehungen". Das Handbuch dazu war nicht gendergerecht, da es bei Berufsbezeichnungen zwar die männliche und weibliche Form gab, aber Täterbezeichnungen konsequent männlich waren. Die Frau ist das Opfer, der Mann der Täter. Das ist doch ein Vorurteil, und darauf habe ich aufmerksam gemacht. Den Vorwurf, ich sei einseitig auf die Männerthematik bedacht, kann ich dennoch nicht nachvollziehen. Es macht natürlich auch Spaß, da ein Thema anzusprechen, das noch Kontroversen bietet, aber das ist nur ein Teil meiner Arbeit, auf den die Kritiker mich dann gern reduzieren.
Im Leitbild zur Gleichstellung der Stadt Goslar steht ja bereits, dass man statt reiner Frauenförderung auch männliche Differenzen aufgreifen will.
51, Sozialpädagogin, leitet einen Kindergarten und war seit 2008 Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Goslar. Vorher war sie unter anderem in der Drogenarbeit sowie dem sozialen Krankenhausdienst tätig, machte eine Zusatzqualifikation zur systematischen Familientherapeutin und nahm als Pflegemutter zeitweilig neun Kinder bei sich auf. Als junge Mutter ließ sie sich von feministischer Lektüre inspirieren, gründete Frauenkreise und engagierte sich bei Frauenfrühstücken, heute organisiert sie Papa-Picknicks und ein Vätercafé. Zu ihrer aktiven Öffentlichkeitsarbeit gehört auch das Bloggen über Geschlechterdemokratie.
Das neue niedersächsische Gleichberechtigungsgesetz ist auch von reiner Frauenförderung abgekommen und spricht allgemein von Geschlecht. Die öffentliche Sensibilität für männliche Gleichberechtigung hält sich aber noch sehr in Grenzen. Beispielsweise gibt es dieses Jahr den ersten Gesundheitsbericht für Männer. Sowie man das anspricht, kommt gleich der Vorwurf, man würde polarisieren wollen. In Goslar wird gerade sehr offensichtlich, wie einseitig Gleichheit aufgefasst werden kann. Da fehlt einfach die Gelassenheit, zu sagen: Schauen wir mal, wie ist das denn. Bei den Männern ist das durchschnittliche Berufsrisiko höher, Depressionen treten häufiger auf und es gibt mehr plötzliche Kindstode bei männlichen Babys.
Steht Gleichstellungsarbeit für Männer im Widerspruch zur Frauenförderung?
Auf keinen Fall. Das ist eine Frage der Empfindung. Ich vergleiche das mit Eltern, die einen Sohn und eine Tochter haben. Wenn ich mich meinem Sohn mal mehr zuwende, heißt das nicht, dass ich meine Tochter nicht mehr liebe. Natürlich haben Frauen nach wie vor Benachteiligungen und es besteht Handlungsbedarf. Die letzten 30 Jahre gab es einen starken Fokus auf die Emanzipation der Frauen. Und das war richtig so. Aber die Emanzipation muss sich weiterentwickeln, damit geht nicht automatisch eine Einschränkung einher. Auch Männer haben Narben. Das letzte Jahrhundert mit zwei Weltkriegen und den patriarchalischen Systemen war sehr zeichnend. Es ist ja bekannt, dass Männer schwerer Gefühle zeigen können - das kommt eben auch durch die Geschichte. Da muss man endlich handeln.
Liegt das auch an den Gleichstellungsbeauftragten, die fast alle aus der Frauenbewegung kommen?
Wir haben in der Bundesrepublik in etwa 800 weibliche Gleichstellungsbeauftragte und nur zwei Männliche. Ich hätte gern einen Kollegen, dann könnten wir miteinander besprechen, wie man eine beidseitige Gleichstellung erreicht.
Was sagen sie dazu, dass Mädchen ihre männlichen Klassenkameraden in der Schule zunehmend abhängen?
Das sehe ich als großes Problem. Wenn wir auf diesen Trend nicht reagieren, lassen wir es zu, dass da eine wichtige Ressource unserer Gesellschaft einfach verloren geht. Ich kann mir vorstellen, dass der normale Schulalltag einfach gegenläufig zu den Bedürfnissen der meisten Jungs ist. Man muss ihnen den Raum für ihren gesunden Bewegungsdrang geben. Dann sind sie auch im Unterricht ruhiger und stören nicht die Konzentration der Stilleren.
Wo werden Männer noch benachteiligt?
Bei Scheidungen liegt der Fokus sehr stark auf dem Mütterlichen. Das ist nicht verkehrt. Aber ein Vater, der sich kümmern will, sollte nicht ignoriert werden. Wenn wir wollen, dass Kinder ein Gefühl für Gleichberechtigung entwickeln, müssen sie sich mit dem Männlichen und dem Weiblichen auseinandersetzen dürfen.
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