Neue Magazine auf Arte: Web und TV sollen verschmelzen
Arte widmet sich mit den Programmen "Der Blogger" und "Yourope" den Themen Europa, Jugend und Internet - nichts für Nerds, sondern für Durchschnittsuser. Die sollen wieder fernsehen.
![](https://taz.de/picture/325633/14/10-01-08-BloggerYourope.jpg)
Abgedroschen, aber wahr: Europa wächst zusammen. Und dank Facebook und Billigfliegern geht das noch schneller. Das Leben von Schülern und Studenten zwischen Helsinki und Lissabon unterscheidet sich längst nur noch in Nuancen, was man auch bei Arte gemerkt haben muss. Hier starten am Wochenende gleich zwei wöchentliche Magazine, die sich irgendwo in der Schnittmenge der Themenbereiche Europa, Jugend und Internet bewegen: "Der Blogger" (Sa., 14 Uhr) und "Yourope" (So., 17.45 Uhr).
"Yourope" kommt dabei eher konventionell daher, mit Studio, Moderator und Einzelbeiträgen. Diese tragen unverkennbar die Handschrift von Kobalt Productions, den Ex-"Polylux"-Machern: Der Produktionsaufwand ist hoch, es wird mit zahlreichen Protagonisten und optischen Ideen gearbeitet, schnell geschnitten und viel inszeniert. Die Thesen sind immer ein wenig zu steil, die Analysen stets eine Spur zu holzschnittartig.
Natürlich ist das Social-Media-Berater-Studium in Birmingham "DER Studiengang der Zukunft". Und natürlich sind die auch übers Internet organisierten Studentenproteste in Österreich so etwas wie die Neuerfindung der Basisdemokratie. Dazu kommen ein skurriler Trend (Social Networks für Haustiere) und ein wirklich gelungener Beitrag über das Phänomen der "Carrot Mobs".
In seiner Themenwahl ist "Yourope" ganz gut auf Augenhöhe mit den aktuellen Debatten, in den kommenden Sendungen wird es um Mentaldoping mit Amphetaminen und Ritalin sowie um neue Arbeitsformen wie Coworking gehen. Okay: Wer wirklich im Internet wohnt, wird das alles schon 2008 in seinem Feedreader gelesen haben - aber diese Leute hat das Fernsehen sowieso verloren. Die aufgeschlossenen Durchschnittsinternetnutzer könnte man hingegen erreichen.
Dafür sollte die "Yourope"-Redaktion allerdings zusehen, dass sie die Einzelteile der Sendung noch besser zu einem Ganzen zusammenfügt. Dass die Erstausgabe unter dem Oberthema "Wie Social Networks unser Leben bestimmen" steht, wird nicht wirklich klar - es hätte auch "Beliebiges aus dem Internet" heißen können. Und Moderator Andreas Korn ("logo!") ist auch keine große Hilfe: Hölzern und unbeholfen versenkt er Pointen, die eh schon keine sind ("E-Democracy - wobei ,e' nicht für Igitt, sondern für "electronic", also für elektronisch, steht") und wirkt in etwa so lebendig wie Robert T. Online.
Ganz anders sein französisches Gegenstück Anthony Bellanger, "Der Blogger". Statt in einem sterilen Studio sitzt er in einem Großraumbüro und spricht direkt in die Kamera seines Laptops. Souverän wie Spencer aus "Hallo Spencer" schaltet er aus seiner Kontrollzentrale zu verschiedenen Korrespondenten, nach England, Tschechien, Finnland, unterbricht die Beiträge mitunter, um eine Grafik oder ein Video einzuspielen, und führt am Rechner ein Videointerview mit einer rumänischen Kollegin. Das Ganze hat einen ungewohnten Fluss, der allerdings gut funktioniert - was maßgeblich am charismatischen Bellanger liegt.
Die Anmutung ist reifer und authentischer als bei "Yourope" -da ist es auch verzeihlich, dass einer der Beiträge schon 2007 entstanden ist, was, wie die Redaktion versichert, eine absolute Ausnahme sein soll. Hilfreich ist zudem die Beschränkung auf ein überschaubares Thema, das dafür umso gründlicher angegangen wird: In der Pilotfolge ist dies der Umgang mit Schülergewalt.
Schülergewalt? Richtig: Das ist gar kein Onlinethema. Das Spektrum beim "Blogger" ist breiter, das Internet ist weniger Inhalt als Medium, seine Möglichkeiten werden mit den Standardstilmitteln eines TV-Magazins verknüpft. In den kommenden Ausgaben wird es um Onlinespiele, Privatkundenbanken und Tempolimits gehen. Und sofern Arte diesen guten Eindruck durch die Synchronisation, die bei Redaktionsschluss noch nicht vorlag, nicht gleich wieder kaputt macht, kann man sich darauf freuen.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!