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Radiosender bleiben stummUKW soll sterben

So will es zumindest Sachsen und genehmigt trotz freier Frequenzen keine neuen UKW-Programme mehr. Motor FM und Vietnamesen-Radio betroffen.

Und abschalten... Sachsen will kein analoges UKW-Radio mehr haben. Bild: photocase jarts

Das Digitalradioformat DAB ist ein Millionengrab, das sich schon seit mehr als 10 Jahren nicht am Markt durchsetzen kann. Doch in diesen Wochen berät die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) wieder einmal über die von ihr angemahnten neuen Konzepte der öffentlich-rechtlichen Sender für eben jenes "Digital Audio Broadcasting". Und einzelne Bundesländer setzen weiter unbeirrt auf die vorzeitige Abschaltung des analogen UKW-Radios - Sachsen zum Beispiel.

Dort hatte der Berliner Sender Motor FM beantragt, ein Programm auf der freigewordenen UKW-Hörfunkfrequenz ausstrahlen zu können. Ebenfalls bei Motor FM im Boot: Eine Radioinitiative, die Programm für vietnamesische Migranten in Sachsen machen wollte. Doch die Staatskanzlei verweigerte eine Lizensierung. Begründung: Ab dem Jahr 2015 werde in Sachsen Radio nur noch digital ausgestrahlt, da könne man keine Lizenz mehr mit der Regellaufzeit von acht Jahren für ein UKW-Programm vergeben, so die sächsische Staatskanzlei. Das bekam Heiko Hilker, Medienexperte der Linkspartei, auf seine Anfrage im Dresdener Landtag zu hören. Und so steht es in der Tat im Gesetz über den privaten Rundfunk im Südost-Freistaat. Anderswo werden Gesetze den Realitäten angepasst, in Sachsen versucht es die CDU andersherum. Schließlich steht der Passus schon seit 2001 da, und damals hatte man erwartet, dass sich nach dieser sehr langen Übergangszeit das digitales Radio durchgesetzt habe. Doch davon kann keine Rede sein, die Bilanz von DAB ist trotz üppiger Fördermillionen mies. In vielen Bundesländern sendet nur noch die ARD digital. Selbst Optimisten sprechen davon, dass im vergangenen Jahrzehnt nur eine halbe Million DAB-Empfänger bundesweit abgesetzt worden sind, Pessimisten gehen sogar nur von der Hälfte aus. Dem stehen geschätzt etwa 250 bis 300 Millionen UKW-Geräte in deutschen Haushalten gegenüber.

Zudem ist der digitale Radio-Standard DAB praktisch tot. DAB+ heißt die Weiterentwicklung, und sie ist der neue Favorit bei den Rundfunkanstalten. Bloß: Die heutigen DAB-Geräte können diese Signale nicht mehr entschlüsseln. Außerdem tobt über den endgültigen technischen Standard für das digitale Radio eine Schlacht, die an die Einführung der Videokassetten erinnert - nur dass die Abkürzungen jetzt nicht V2000, VHS oder Betamax, sondern DMB, HD-Radio oder DRM+ heißen.

Noch benötigen all diese Verfahren spezielle Computerchips im Radioempfänger, die die jeweiligen Signale dekodieren. Das ist teuer, vor allem wenn man sich für alle Technologievarianten wappnen will. Doch am Horizont zeichnet sich die Lösung ab: "Software Defined Radio" - ein Minirechner im Radioempfänger, der immer über die neueste Software verfügt, die dann die jeweils ankommende Signaltechnik entschlüsseln kann.

Schließlich ist es dem Hörer egal, wie die Musik an sein Ohr kommt, solange sie nicht nach Mülleimer klingt. Die DAB-Ajatollahs in Dresden jedoch kümmert das nicht. Lizenzzeitraum ist Lizenzzeitraum, darunter machen sies nicht.

Wie sollte man auch auf die Idee kommen, ein interessantes neue Radioprogramm wie Motor FM zunächst auf UKW zu genehmigen und als Lizenzauflage daran zu knüpfen, dass parallel eine (von mehreren) Digitalradiovarianten zu nutzen ist. Eine Verlängerung nach den regulären acht Jahren gäbe es aber nur noch digital. So hätten endlich auch die Sender ein massives Interesse, fürs Digitalradio zu werben.

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6 Kommentare

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  • M
    Marko

    Leute! Leute! Ich verstehe Euch nicht. Da setzen sich hochdotierte Menschen (Eure/meine (???) gewählten Vertreter) hin, beraten wochen- und monatelang und Ihr seid nur am Meckern. Diese "armen" Staatsbediensteten, hinter denen sicher auch eine Lobby steht, haben für Euch entschieden, damit Ihr Euch mit derart schwierigen Fragen nicht auseinandersetzen müsst. Natürlich ist das an der Realität vorbei, denn außer Theorie und zugespielten Informationen haben diese bedauernswerten Entscheidungsträger nichts.

    Wer bitte schert sich denn darum, dass ca. 300 Mio. funktionierende Radio-Empfangsgeräte auf den Schrott wandern. Seht das doch mal so:

    a) die Wirtschaft wird angekurbelt (oder auch nicht, da das Internet seinerseits neue digitale Empfänger ad absurdum führt, die Kaufkraft müsste es zudem hergeben, was in Zeiten der Krise nicht gegeben ist),

    b) zwar wird die Umwelt zusätzlich belastet - durch den Bau neuer und die Verschrottung alter Geräte gleichermaßen - aber kurzfristig lassen sich sicher ein paar Arbeitsplätze (von kurzer Dauer) schaffen, was dieses Treiben wenigstens politisch rechtfertigt und

    c) wird die politische und wirtschaftliche Vorreiterstellung Sachsens unterstrichen (oder auch nicht, wenn es bei einem Alleingang bleibt).

    Wer interssiert sich schon für ein paar in den Sand gesetzte GEZ-Millionen, die ohnehin auch zukünftig erhöht und zwangsweise eingezogen werden? Es werden Steuergelder ganz anderer Größenordnung verschleudert, ohne den Steuerzahlern auch nur ansatzweise einen Gegenwert dafür zu bieten. Wie diese oder jene Mittel verwendet werden, obliegt doch ohnehin nicht den Gebühren- bzw. Steuerzahlern.

    Also: Kopf hoch und ab ins nächste Debakel.

  • R
    Rainer

    Ja da sind sie in Sachsen weit weg von der Realität. Aber auch die Taz. Das am beispiel des Senders Motor FM zu machen, den nach der letzen Mediaanalyse gerade mal 6 000 in Berlin und Brandenburg in der Stunde hören ( 14-49) ist ja nen Armutszeugnis. Wo ist der Sender beliebt? Wo ist hier der journalistische Bericht, der nicht wertend ist? Den Artikel hätte ich im Neuen Deutschland so erwartet!

  • M
    Mark

    Radio über DAB ist schlicht der falsche Denkansatz. Sobald das Internet(!) breitbandig und flächendeckend wie ein Handynetz verfügbar ist, werden alle Radio- und TV-Anbieter darüber senden. *DAS* ist die Digitalisierung.

  • K
    Kurt

    Herbert war schneller :-)

    Mein Text:

    Radio in Sachsen ist ein Oligopol. MDR und zwei private GmbHs. Die haben logischerweise kein Interesse an Konkurrenz. Und die Akteure kennen sich alle seit langem. Da sind Freundschaften entstanden über Parteigrenzen hinweg. In Dresden weltberühmte Entertainer haben damals (zur Wende) genauso ins Privatradio investiert wie Bürger der ehem.BRD. Das man seinerzeit CDUnah sein mußte, um an die Lizenzen zu kommen, versteht sich hier in Sachsen von selbst. Und nirgendwo fällt das so auf wie im guten alten Tal der Ahnungslosen - Dresden. Woanders kann man auf Brandenburger Sender ausweichen. In Dresden weicht man auf Satellit und Kabel aus.

    Das DAB-Argument wird also nur vorgeschoben, um lästige Konkurrenz fern zu halten. Wenn es dann soweit ist, werden sich die Leute ganz schnell drehen. Keine Sorge! Die lassen ihre Pfründe nicht verkommen

  • H
    Herbert

    Die Digitalisierung ist hier bestenfalls laue Ausrede. In Wirklichkeit geht es schlicht allgemein darum, neue Konkurrenz für das sächsische Privatfunk-Duopol zu verhindern. Darum gingen die freien UKW-Frequenzen auch an die bestehenden Programme, offiziell zum Schließen von Lücken. Die "Lücken" aber bestehen teilweise aus ein paar Weilern, während mehrere zehntausend Menschen die Programme nun doppelt- oder gar dreifach hören können.

     

    Mission für die sächsische Landesmedienanstalt (SLM) jedenfalls erfüllt. Dass die UKW-Lizenzen in Sachsen tatsächlich 2015 auslaufen, ist natürlich nicht zu befürchten. Denn darüber senden ja die großen Platzhirschen mit offenbar besten Verbindungen zur SLM. Insofern kann davon ausgegangen werden, dass das Gesetz rechtzeitig vorher geändert - und die UKW-Lizenzen des Duopols entsprechend verlängert werden.

  • MS
    Michael Schwarz

    Der Artikel bleibt leider auf halbem Wege stehen. Es wird schön herausgearbeitet, dass die Zahl der „neuen“ Digitalradios (DAB+, DMB etc.) am Markt derzeit quasi null beträgt und es andererseits 300 Mio. gut funktionierende UKW Radios gibt. Soweit so gut. Die entscheidende Frage wird jedoch weder gestellt noch beantwortet: Wer braucht dieses „neue“ Digitalradio? Warum sollte man 300 Mio. UKW Radios wegwerfen und durch Kisten ersetzen, mit denen man auch nicht mehr Sender empfangen kann (Stichworte: kein Overspill, gibt es überhaupt einen Markt etc.). Auf der anderen Seite gibt es schon heute Millionen Digitalradios: Internetradios - WLAN Radios - IP Radios, wie auch immer die Geräte heißen, mit denen man nicht 20 sondern 2000 Radiosender empfangen kann. Auch über Satellit gibt es hunderte Digitalradios. Auch über DVB-T könnte man Rundfunk verbreiten. Die Antwort auf die leider nicht gestellte Frage „wer braucht das?“ kann also nur lauten: Niemand! Und für etwas, was niemand braucht, sollte man auch keinen weiteren Cent GEZ Zwangsgebühren verschwenden. Viel zu viele Millionen wurden schon verpulvert!