Studie über Gegner des Verlags: Ein Springer-Tribunälchen
Die Stasi als Drahtzieher der Anti-BILD-Kampagnen? Eine neue Studie und die am Mittwoch in der ARD zu sehende Dokumentation "Bespitzelt Springer!" (23.15 Uhr) gehen dieser Frage nach.
Mythos zu sein ist anstrengend. Auch für den Axel Springer Verlag. Immer an die Wiedervereinigung geglaubt, dafür von der Stasi bespitzelt, von den 68ern gehasst - aber halt, da war doch was. Karl-Heinz Kurras, der Polizist, der im Sommer 1967 den Studenten Benno Ohnesorg erschoss, war schließlich auch bei der Stasi.
Jetzt müsse die Geschichte der Studentenbewegung umgeschrieben werden, frohlockte mancher bei der Welt, als im Frühjahr Kurras Doppelrolle bekannt wurde. Selbst Konzernchef Mathias Döpfner forderte zumindest schon mal eine Art Entschuldigung von allen, denen bisher alles so eindeutig schien. Die Stasi als Drahtzieher der Anti-Springer-Kampagnen - das passte bestens ins verlagseigene (Vorsicht: Wortwitz!) Welt-Bild.
In mehr aber auch nicht, wie die Historiker Jochen Staadt, Tobias Voigt und Stefan Wolle zeigen: "Die Gegnerschaft zum Verlagshaus Axel Springer entsprang unterschiedlichen, jeweils eigenen Motivlagen", schreiben sie in ihrer Studie "Feind-Bild Springer. Ein Verlag und seine Gegner". "Als die Ereignisse in den Jahren 1967 und 1968 ihrem Siedepunkt entgegentrieben, waren diese Motivationen für die Zeitgenossen in der Hitze des Gefechts kaum noch auseinanderzuhalten. Aber es gehörte längst zum Grundkonsens links von der Mitte, gegen Springer zu sein."
Staadt, Voigt und Wolle gehören zum "Forschungsverbund SED-Staat" an der Freien Universität Berlin, akribisch haben sie Stasi-Akten und das Springer-Archiv ausgewertet. Tilman Jens hat daraus den Film "Bespitzelt Springer!" gemacht, der manch Bekanntes und viel Unbekanntes zusammenträgt: Ja, das "Medienbollwerk gegen die Teilung" war "engster Bespitzelung" ausgesetzt. Bis ins Verlegerbüro hinein, wo eine der wichtigsten Sekretärinnen von Axel Springers Korrespondenz mit den Mächtigen der Welt immer noch einen Durchschlag mehr machte, für ihren Freund Gerd, der in Wirklichkeit Horst hieß und für Erich (Mielke) arbeitete. Das war schon länger bekannt, und leider verweigerte sich die Dame den Filmemachern. Vielleicht auch, weil sie laut Tilman Jens "immer noch Geburtstagsgrüße aus dem Springer-Vorstand bekommt".
Dafür gibt es ein vergnügliches Wiedersehen mit einem Machwerk des DDR-Fernsehens, wo man Ende der 1960er-Jahre 10 Millionen DDR-Mark in ein Axel-Springer-Epos steckte, das den Verleger als dem Trunke ergebene schwule Knallcharge mit brauner Vergangenheit zeigt. Alles in allem ein vergnüglich anzusehendes TV-Stück von Tilman Jens, in dem Springer allerdings ein bisschen arg zum armen Opfer wird: Die Stasi ließ nichts unversucht, allein, es nützte wenig.
Das gilt auch für den seltsamen Versuch von Welt-Chefredakteur Thomas Schmid, bei einer Diskussion zum Film am Montagabend in Berlin doch noch mal Genugtuung für Springer einzufordern: "Die Leistungen dieses Verlags sind ja fast nicht gewürdigt worden", so Schmid, der 1968 selbst den Anti-Springer-Protest in Frankfurt/Main mitorganisiert hatte. Zudem hätten die Springer-Blätter "sehr viel differenzierter berichtet", als das heute wahrgenommen werde: Es sei ihm unerklärlich, "was sich damals festgesetzt hat - das Bild von der ungeheuren Macht Springers". Das erntete den Widerspruch des Schriftstellers Peter Schneider, der 1968 in Berlin dabei war: Der Film errichte eine "Heiligenlegende - wir brauchten die Stasi nicht."
Es ist eben ein Kreuz mit den Mythen. Springer-Chef Döpfner saß bei der Diskussion übrigens in der dritten Reihe, verkniff sich aber, erneut zum Springer-Tribunal aufzurufen.
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