RTL-Dschungelcamp: DJ Tomekk tut Nazigruß leid
Ist Tomasz Kuklicz aus Krakau ein Nazi? Er sagt: Nein. Aber RTL hat ihn wegen eines Hitler-Grußes aus der Sendung "Dschungelcamp" entfernt. Völlig übertrieben, findet JAN FEDDERSEN
Wie schade, dass wir ihn missen müssen. RTL sagt ja nix, nur, mitgeteilt durch die Zeremonienmeister Dirk Bach und Sonja Zietlow, dass man ihn habe aus der Show nehmen müssen. Als sie dies zum Auftakt des zwölften Livetages ihrer Dschungelshow sagten, war längst ruchbar, dass sich DJ Tomekk eines in Deutschland immer noch krassen Vergehens schuldig gemacht hat: er grüßte in einer australischen Hotellobby irgendeinen mit strammem rechten Arm und angestreckter Handfläche, soll die erste Strophe des Deutschland-Liedes gesungen haben. Irgendjemand filmte mit - und schickte das Video an Bild.
Nein, das ging offenbar gar nicht mehr: ein Hitlergruss, selbst wenn er ironisch gemeint sollte, das passt niemals zu einem Sender, der auf starkes Publikumsinteresse setzen muss und also auf Quote, denn sonst müssen die Reklamespotpreise gesenkt werden ... RTL also hat reagiert auf den Umstand, dass in Deutschland nichts als so sehr bleiern, uncool, daneben und schlimm gilt wie eben jede, und sei sie noch so flachsig, abtuend und keineswegs ernsthaft gemeint, Geste, die im allerweitesten Sinne als nazigewogen durchgehen könnte. Details sind leider nicht überliefert, und die taz hat auch keinen Reporter in Australien, weder außerhalb des Camps (bloß jetzt nicht schreiben: Lager), auch nicht innerhalb dieses, nun ja doch, Lagers der versammeltsten Art (um auf alle Fälle das Wort 'konzentriert' zu meiden). Nun sind etliche Schlüsse aus diesem Entertainmentskandal, und sei er nur ein sogenannter, zu ziehen.
In Deutschland geht Nazi gar nicht. Niemals und auf ewig nicht. Ist schlimm. Politisch, ästhetisch, kulturell, unterschichtstrashig. Jeder muss wissen, dass jede semiotische Andeutung mindestens fünf Tanklaster Tränen der Empörung und der Wut und des Abscheus provoziert. Solidaritätserklärungen von Zentralräten, Gewerkschaftskreisen, Zirkeln der Opfer und Vereinen der Auchbetroffenheit in allgemeiner Hinsicht. Am Ende - kann das einer wie DJ Tomekk überhaupt geahnt haben - wird es noch Lichterketten geben und Warnungen, die sowieso, dass so etwas nie wieder ... und dass der Schoß noch fruchtbar sei. Und jetzt mal wieder down to earth, zurück also zu einem Menschen, der Tomasz Kuklicz heißt, am 11. Oktober 1976 geboren wurde ... und zwar in Krakau. Aufgewachsen ist er in Berlin-Wedding. Und dieser Mann, der als DJ Tomekk in der weiten Welt des großmäuligen Jungstums Karriere machte, der als "polnische Superschlampe", wie ein Freund von ihm diesen mal knuffig anflachste, es echt aufnehmen konnte mit den dicken Hosen aus Amerika, der in Berlin mal schwer angesagt war und keinen Klub zu besuchen ausließ, weil, so fand er: Das Leben ist kurz, und er wolle nie den Kürzeren ziehen.
So ging er auch in die Dschungelshow, seine Laufbahn als Plattenaufleger und Hot Spot in der Musikszene überhaupt wies doch arg heftige Bewegungen nach unten auf. Aber weshalb hätte er sein Verhalten, das in seiner Szene üblich ist, vergessen sollen? Nur weil er im Mainstream-TV ist? Quasi nicht im Nischenspartenkanal, nicht in Berlin-Mitte, sondern da, wo das wahre Leben Leben abgeht? Wo nicht Freunde applaudieren für müde Scherzlein, sondern eine Zuschauerschaft, die nur angenehm ausgerüstet langsam in den Schlaf möchte? Denn so hört sich das doch an in der Mitte-Szene Berlins: Na, du Schlampe?, Hej, du Rillemuschi?, Schwer einen verlötet, letzte Nacht, Du Pisser? Der Ton ist rau und niemals ganz stubenrein, und das ist vielleicht der größte Unterschied zu ARD und ZDF und all den gedruckten Medien, die auf Bürgerlichkeit halten - und zugleich die geringste Differenz zu Kanälen wie RTL, wo es Konzept ist, nicht die Bedenkenträgerschaft der Kleinbürger in den Öffentlich-rechtlichen zu bedienen, sondern das Frohsinnsvolk der Privaten (vulga: Unterschichten). Wo geätzt, geflacht und gedisst, dass es nur so lästig ist für alle, die dies nicht als Humor verstehen möchten.
Außerdem, wir bitten Sie!, DJ Tomekk kommt aus Krakau. Der zweitplaniertesten Stadt der Naziwehrmacht. So einer soll die Nazis ernsthaft gut finden? Jene Herrenmenschen, die einen wie ihn doch vor 70 Jahren fett gemacht hätten, gleich bei Auschwitz, ganz nah dran. Es möge Schluss mit den Skandalisierungen um Nazigesten, und die RTL-Entscheidung, ihn aus der Show zu nehmen, lässt uns den niedlichsten, im Grunde: aufrechtesten Mann dieses Showformats schmerzlich vermissen. Kein geölter Geist, kein parfümiertes Männlein, sondern ein krasses Mannsstück, das leider die Klaviatur der erlaubten Kultursignaltasten in der Bundesrepublik nicht perfekt beherrschte. DJ Tomekk mag uns der Beweis sein: 75 Jahre nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten in Deutschland darf über den Führer, darf über Goebbels, Hitler, über all das Nazig'schwurbel gelacht und gelästert werden.
Nichts spricht dagegen, mit der Nazikeule nicht mehr jeden ideologisch erschlagen zu dürfen, wenn der einem gerade nicht passt. Und wenn wir schon beim Thema sind: Auch die philologisch korrekte Wiederauflage von Hitlers "Mein Kampf" muss dringend straflos gestellt werden. Denn, leider muss dies wiederholt werden, wer im Gemüt echter Nazi ist, besorgt sich diese krude Bibel ohnehin, aber illegal. Gibt's im globalen Netz an vielen Verkaufsbuden. Wir gewöhnliche Weltbürger, die auf solchen Schwulst ohnehin nicht können und auch nicht wollen, fühlen uns nicht infizierbar. Nazi ist nicht, wenn jemand einen Führergruß nachstellt. DJ Tomekk hat karrieretechnisch im Moment gerade Pech.
Inzwischen hat DJ Tomekk folgendes Statement zur Sache abgegeben: "Hi, hier ist DJ Tomekk, ich bin sehr betroffen von dem Video, das ich gerade gesehen habe. Keinerlei rechtes Gedankengut oder nazistische Ideen trage ich in mir. Im Gegenteil: Ich bin ein Pole, der in Berlin wohnt, mit einem polnischen Pass. Ich stehe für Integration und Zusammenhalt der Kulturen. Mein dummes Witz-Gelaber tut mir unendlich leid. Für alle Leute, die sich davon betroffen fühlen: es tut mir unheimlich leid, es tut mir leid, es tut mir leid, es tut mir leid! Sorry, Sorry, Sorry! Hip-Hop bedeutet für mich den Zusammenhalt von schwarz und weiß und aller anderen Kulturen. Im Moment bin ich tief erschüttert und entschuldige mich für meinen niveaulosen Humor. Und alles weitere dann in Deutschland: Peace, meine Brüder und Schwestern!" Also: Er wusste nicht, was er tat. Eigentlich macht ihn das nur noch kredibler.
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