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Filmcollage "Deutschland 09"Eine Idee haben? Was für eine Idee?

Miese Stimmung. Ein Sammelsurium. Und alle singen: "Kein schöner Land in dieser Zeit". Beobachtungen zum Kompilationsfilm "Deutschland 09 - 13 kurze Filme zur Lage der Nation".

Hochbetrieb in der Deutschland-Klinik bei Wolfgang Beckers "Krankes Haus". Schöne Seriensatire - aber was bringt das? Bild: herbstfilm

13 kurze Filme in 152 Minuten. Wie ist die Stimmung? Mies. Können wir was tun? Alle zusammen sowieso nicht, aber eventuell jeder in seinem Eckchen. Ihr Kind will nicht mehr Völkerball spielen? Okay, die Lehrerin bringt den Kindern, die sich prügeln, Sprachkompetenz bei. Im Klassenrat. Isabelle Stever begleitet das pädagogische Experiment ("Eine demokratische Gesprächsrunde zu festgelegten Zeiten") kommentarlos. Sie lässt erfreulich viel Raum für Fragen, die bleiben.

Noch mehr Vorschläge für Deutschland 2009? Aber ja. Wolfgang Becker ("Good-bye, Lenin!") filmt in der Kurzfiktion "Krankes Haus" den Hochbetrieb in der Deutschland-Klinik inklusive Wasserfolter im Klinikkeller. Das ist TV-Serien-Satire vom Feinsten, aber sie bringt noch nichts. Therapeutische Hilfe ist allein von einem Dr. Katelbach zu erwarten. Den muss aber "jeder für sich selbst finden". Wie? Ein Lied! Und jetzt alle: "Kein schöner Land in dieser Zeit", und alle sind sich einig, einig, einig.

Noch was? Was Konkretes? Wie wärs, die komplette Redaktion der FAZ per Kopfschuss zu erledigen? Sepp Bierbichler tuts. In "Fraktur" von Hans Steinbichler ("Hierankl", "Winterreise"). Warum? Um sich gegen den "brutalstmöglichen Angriff auf die deutsche Kultur zu wehren", nämlich auf die Frakturüberschrift des Kommentars auf Seite 1. - Das ist ein prima Vorschlag für die Zielgruppe, die deutsche Werte bewahren möchte, plausibel und unaufgeregt erzählt. Ein Dutzend Tote, und es ist getan.

Weiter jetzt. Etwas für alle: die Schwarzseher. Vorschlag: Drogen nehmen. Dann klappts, und die Welt ist bunt und schön. Dany Levy ("Mein Führer") empfiehlt in "Joshua" Promorganas, warnt aber bildreich vor Überdosierung. Eine Minikomödie also samt der Merkel ("Eine Idee haben? Was für eine Idee?").

So weit, so lustig und privat. Was aber, wenn Sie 16 sind und um alles in der Welt mit Susan Sontag und Ulrike Meinhof quatschen, rauchen und rumalbern möchten? Dann heißen Sie Helene Hegemann und spielen das Gedankenexperiment in "Die Unvollendete" von Nicolette Krebitz durch, konspirativ und hyperrealistisch. Innerlicher gehts nimmer. Das Experiment geht schief. Sontag und Meinhof steigen aus. Sie wollen nicht, wie Helene will, ihre Identitäten tauschen, schon gar nicht das Loft in Manhattan gegen das Irgendwas in Hamburg.

Ist das Gedankenspiel für die Katz? Nicht, wenn es bei dem, der es wahrnimmt, weitergeht. Und es geht weiter. Jedenfalls bei mir. Susan Sontag, verehrt von den Linken, fand bekanntlich den Faschismus faszinierend, modeästhetisch gesehen. Sie begeisterte sich für die erotisch geschnittenen SS-Uniformen, aufregender als bei jedem G.I. - Ulrike Meinhof hätte die Essays lesen können. Hat sie? Hat sie sich gefragt, wer die SS-Mode kreiert hat? Hugo Boss hatte sie nicht nur konzipiert, sondern auch geliefert. Naziuniformen schon vor 1933. Hat Meinhof je nach der Boss-Nachkriegskontinuität gefragt? - Schön, ich frag ja nur. Weiß jemand die Antwort?

Eine ergiebige "Schieflage" also, um den Titel von Sylke Enders lustigen Kinderspielfilm hier unterzubringen. Fragen? Keine. Zurück zu den Deutschland-Vorschlägen. Was kann man noch tun? Sich empören? Immer! Fatih Akin ("Auf der anderen Seite") lässt das Onlineinterview nachspielen, das Murat Kurnaz im Oktober 2008 der Süddeutschen Zeitung gegeben hat. Steinmeier, Schily: mies, mies, mies. Aber wir wissen das eh.

Wie wäre es aber, wenn der Blick dessen, der "Deutschland 09" sieht, aktiviert wird? Offen für eigene Wahrnehmung? Angela Schanelec eröffnet die 13 Statements mit Stills ("Erster Tag"). Die Kamera bewegt sich kaum. In der Morgendämmerung arbeiten die Ampeln. Die Straßen sind leer. Die Ordnung ist präsent, die Inhalte sind abwesend. - Tom Tykwer wird später die Ordnung vom globalen Ende her systematisieren. Herr "Feierlich reist" durch sein Imperium und standardisiert seine Eindrücke, um den Kopf frei für Führungsaufgaben zu haben. Um die cerebrale Festplatte nicht zu überlasten, ließe sich sagen. Aber etwas sperrt. Etwas Erinnertes. Was? Erinnertes will erinnert werden, sonst wirds gelöscht. Synapsen-Training ist anzuraten, bevor sie allgegenwärtig ist, die Deutschland-Demenz. Zeitzeugen fragen. Romuald Karmakar fragt den schrulligen "Ramses" nach der Onyx-Bar aus, der Animierbar beim Kudamm. "Es gibt Frauen, die einen Schwanz haben", erinnert sich der Barbesitzer. Und: "Ich möchte in meine alte Heimat zurück. Nordpersien." Nächster Satz: "Es lebe die deutsche Nation!"

Wollen wir diese Sätze? Wollen wird das alte Barinventar? Das verrunzelte Gesicht? Lieber ab in die Anstalt oder in die Ausländerheimat? Sind wir dann die Geister der Vergangenheit los? Dominik Graf hat dazu einen grandiosen Kurzessay gemacht: "Der Weg, den wir nicht zusammen gehen", gedreht auf altem Super-8-Material. Deutsche Nachkriegsarchitektur kurz vor dem Abriss, Fabrikruinen, vergammelte Wohnblocks, alles, was nach 1945 gut und schön war, heute aber nicht rechtzeitig entkernt und totalrenoviert wurde. Im Morschen und Kaputten hausen die Geister. Ihnen die Heimat wegnehmen, bringt, wie Japans Filme lehren, nichts als Unglück.

Mit dem alten Zeug leben, mit dem Spuk der Erinnerung - das ist das Fazit von "Deutschland 09", gezogen von Christoph Hochhäusler ("Falscher Bekenner") in seiner "Séance". Beschworen wird eine Art Virenschutz gegen wen-oder-was-auch-immer, das Erinnerung löschen will, zum Beispiel weil sie dem Ministerium für Rekonstruktion verdächtig ist. Der Film spielt, so behauptet er, in einer Mondkolonie. Eine Frau entzieht sich der Freiwilligen Gedanken-Kontrolle (FGK). Die Frau schreibt in den Mondsand das Wort "Deutschland". Die Behörden sind alarmiert. Was soll das? Was will sie? Auch wir wissen es nicht. Auch sehen wir nichts vom Mond. Der Erzähler bleibt ebenfalls unsichtbar. Aber zu sehen ist eine Altbauwohnung, vollgestopft mit Sachen, die ihre eigenen Geschichten erzählen. Was die Off-Stimme in dieser Sitzung beschwört, ist die Sehnsucht nach dem autarken individuellen Universum, die Geborgenheit in dem, das "traurig und froh" macht, unkontrolliert von nichts und niemand.

Habe ich die "Séance" richtig verstanden? Ist das die Antwort auf den Überwachungsstaat? Mit den Geistern leben und sich die Erinnerungen nicht nehmen lassen! Was für ein Programm! Hatte sich François Truffaut vor 40 Jahren noch um die Erhaltung von Literatur und abendländischer Hochkultur besorgt gezeigt ("Fahrenheit 451"), evoziert die "Séance" von 2009 vergehende Alltagskultur und die von ihr transportierte (Nachkriegs-)Zeit. Gelöscht wird nach wie vor, am besten direkt im verdächtigen Kopf. Wer will, kann sich im Schlussfilm von "Deutschland 09" davon ein Bild machen.

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