piwik no script img

Literatur-Nobelpreisträger Llosa als AktivistDer prinzipienfeste Neoliberale

Nur einmal hat Schriftsteller Vargas Llosa ein Amt angestrebt. Als Marktapologet und Linkenhasser mischt er sich jedoch noch immer ein. Nun bekommt er den Literatur-Nobelpreis.

Einmischen, verteidigen, Partei ergreifen: Vargas Llosa. Bild: dpa

Mario Vargas Llosas Wort hat Gewicht in Peru. Selbst Präsident Alan García kuscht, wenn der bekennende Liberale aus Madrid seine Stimme erhebt. Zuletzt brachte der politisch engagierte Schriftsteller ein Amnestiegesetz zu Fall.

Vargas Llosas Brief an den peruanischen Präsidenten lässt es an Deutlichkeit nicht missen. Als "schlecht verkleidete Amnestie" bezeichnete Mario Vargas Llosa das Gesetz 1097, welches eben jener Alan García Anfang September 2010 bekanntgegeben hatte. Ein Gesetz, das Verfahren gegen Militärs wegen Menschenrechtsverletzungen einschränken sollte und das auch im direkten Interesse des Präsidenten lag. Einige der vom Militär verübten Massaker datieren aus Garcas erster Amtszeit (1985 bis 1990), womit Garcia die politische Verantwortung trägt. Da mochte Vargas Llosa nicht mitmachen, und so quittierte er den Dienst und verzichtete auf die ihm angetragene Leitung der Kommission, die derzeit den Bau und das Konzept für das "Museum der Erinnerung" plant.

Die Gedenkstätte, die von der deutschen Bundesregierung mitfinanziert wird, soll zum zentralen Ort der Diskussion und der Aufarbeitung der peruanischen Vergangenheit werden. In den achtziger und neunziger Jahren waren mindestens siebzigtausend Peruaner in einem äußerst brutal Krieg zwischen der Guerilla vom "Leuchtenden Pfad" und der Armee ermordet worden. Das Museum war in Peru heftig umstritten, und man benötigte jemanden von internationalem Renommee. Mit Vargas Llosa war er gefunden, doch seit dem 13. September ist Präsident Alan García ihn wieder los.

Gleichzeitig steht García wie ein begossener Pudel da, denn wenige Stunden nachdem der Brief publik wurde, bat García das Parlament, das umstrittene Dekret zu kippen. Vargas Llosa war weg und hatte sich trotzdem durchgesetzt.

Für den ehrlichen Umgang mit der eigenen Geschichte hat sich der seit Jahrzehnten in Europa lebende Peruaner immer wieder stark gemacht - nicht nur national sondern auch international. Als vehementer Kritiker aller antidemokratischen und die Menschenrechte missachtenden Regierungen hat sich Vargas Llosa einen Namen gemacht und seine kritischen Attacken auf linke Regierungen in aller Welt in Zeitungen wie El País sind genauso berühmt wie seine Auftritte. Im letzten Frühjahr Jahr reiste Vargas Llosa nach Caracas, um an einer von liberalen Stiftungen organisierten Konferenz teilzunehmen. Dabei rieb er sich in zahlreichen Interviews mit den Regierungspositionen - zum erhofften verbalen Show Down mit Präsident Hugo Chávez kam es aber nicht.

Einmischen, verteidigen, Partei ergreifen ist für Vargas Llosa selbstverständlich und folgerichtig bewarb er sich auch um politische Verantwortung. Nach der verheerenden ersten Regierungsperiode Alan Garcías, die im Bürgerkrieg und Hyperinflation endete, zog er 1989 in den Wahlkampf gegen Alberto Fujimori. Anders als Fujimori, der das Land später mit diktatorischen Mitteln regierte, warb der Schriftsteller jedoch nicht mit Versprechungen, sondern mit einem neoliberalen Sparprogramm um die Stimmen. Das kostete ihn den Wahlsieg und letztlich war es dann Fujimori, der Punkt für Punkt ein neoliberales Reformprogramm umsetzte das als "Fujischock" in die Geschichte einging. Diese neoliberale Politik führt heute Alan García weiter und dafür hat ihn der Schriftsteller mehrfach überschwänglich gelobt. Mag halb Lateinamerika auf der Suche nach Alternativen sein: Für Mario Vargas Llosa, Literaturnobelpreisträger 2010, bleibt Marktliberalismus das einzige Allheilmittel.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • SK
    Stephan Köhler

    Seit Jahrzehnten suchen lateinamerikanische Regierungen immer wieder "Alternativen" zur Marktwirtschaft, um immer wieder grandios zu scheitern und ihre Bevölkerungen in Leid und Elend zu stürzen. Das lautstark gegen fast die gesamte schwatzende Klasse anzuprangern ist Vargas Llosas großer Verdienst. Bravo, und ein wohl verdienter Preis!