piwik no script img

"Prinz Eisenherz"-ComicsDer androgyne Ritter der Tafelrunde

Vom Jugendidol der Dreißigerjahre zur Schwulenikone im 21. Jahrhundert: Die Abenteuer des Prinz Eisenherz erscheinen in einer neuen Gesamtausgabe.

Zu jedem guten Kampf bereit: Prinz Eisenherz in Aktion. Bild: dpa

Seit 72 Jahren erscheint "Prinz Eisenherz" in den USA allwöchentlich in Zeitungen. Deutschsprachige Leser behalfen sich bislang mit Buchausgaben, die die Zeitungsseiten häufig stark verkleinert und in vom Original abweichenden Farben reproduzierten. Das änderte sich, als der Bonner Kleinverlag Bocola vor drei Jahren begann, alle zwischen 1937 und 1971 vom Eisenherz-Erfinder Hal Foster selbst gezeichneten Folgen in neuer Qualität herauszugeben. Gerade ist der neunte der geplanten 18 Bände erschienen, die die kunstvollen Zeichnungen dank digitaler Restaurationstechnik in all ihren Details und chromatischen Nuancen zeigen.

Von epischen Schwertkämpfen über höfische Spektakel bis hin zur Zauberei enthält "Prinz Eisenherz" jede Menge aufregender Begebenheiten. Für Historiker ist das Werk Fosters aber eher ein Albtraum, denn obwohl der Titelheld eigentlich im 5. Jahrhundert lebt, ist er mit Ereignissen aus dem gesamten ersten nachchristlichen Jahrtausend konfrontiert. Dass "Prinz Eisenherz" noch immer fasziniert, hat viel mit seiner Grundstruktur als klassischer Mythos zu tun: Der Aufstieg des jungen Prinzen vom Exil in den englischen Sümpfen zum Ritter der Tafelrunde, sein Kampf gegen das Böse folgen einer aus Märchen und Legenden bekannten Rezeptur. Doch innerhalb dieses Musters ist es gerade der Raum für Widersprüche, der den Comic noch nach so langer Zeit lebendig macht.

Eisenherz ist von Beginn an als realistischer Held porträtiert, der sich durch Selbstüberschätzung und mangelndes Urteilsvermögen regelmäßig in heikle Situationen bringt. Er handelt wie ein Mann, hat aber äußerlich eher androgyne Züge, er liebt seine eigenwillige Frau Aleta und fühlt sich doch in der Gesellschaft der Ritter der Tafelrunde am wohlsten. So ist es nur auf den ersten Blick erstaunlich, dass der tapfere Krieger mit dem markanten Haarschnitt zu einer Ikone der Schwulenbewegung geworden ist.

Die ersten Eisenherz-Seiten hatte Foster 1936 gezeichnet, ohne zu wissen, ob er einen Abnehmer für seine Arbeit finden würde. Er hatte sich bereits als Zeichner von "Tarzan" einen Namen gemacht und fand für sein neues Projekt Unterstützung beim Pressezaren William Randolph Hearst, der als Comic-Narr bekannt war und neue Serien bisweilen auch gegen Widerstände in seinen Zeitungen drucken ließ. In Deutschland veröffentlichte die Kinderzeitschrift "Der Papagei" 1939 einige Seiten der Serie unter dem Titel "Prinz Waldemar". Seinen Durchbruch erlebte "Prince Valiant", wie der Comic im Original heißt, hierzulande jedoch erst in den Fünfzigerjahren, nun als "Prinz Eisenherz".

Schon im Laufe der ersten Folgen entwickelte Foster eine ganz neue Comic-Ästhetik. Statt mit Sprechblasen zu arbeiten, setzte er seine Texte an den Rand, um die zeichnerische Komposition nicht zu zerstören. Zunächst bestand eine Seite aus zwölf gleich großen Bildern, doch schon bald löste Foster dieses Schema auf. Er begann mit extremen Hoch- und Querformaten zu experimentieren und brachte sogar bisweilen eine Reihe anatomisch akkurater Kampfstudien in einem einzigen, seitenfüllenden Großbild unter. Aber selbst wenn die Seitenaufteilung noch so extravagant anmutet, ist ihre Zweckmäßigkeit für die Erzählung doch stets erkennbar.

Eine spannende Handlung ging für Foster stets vor historischer Genauigkeit, und dennoch betrieb er für seinen Comic einen immensen Rechercheaufwand. Er wollte seinen Lesern unterhaltsame Einsichten nicht nur in kriegerische Auseinandersetzungen, sondern auch in Kampftechniken und Ritterkleidung vermitteln. Anleihen machte er dabei vor allem bei der Artussage, aber auch bei historischen Romanen im Stil Sir Walter Scotts.

Eisenherz ist der Sohn des gewaltsam entthronten Königs von Thule, der mit seiner Familie in den Sümpfen Englands Zuflucht findet. Bald steigt der junge Mann auf zum Ritter der Tafelrunde und wird zum Kampfgenossen berühmter Ritter wie Lancelot, Gawain und Tristram. Er nimmt es mit den Hunnen auf und verteidigt England am Hadrianswall gegen Sachsen und Pikten. Doch selbst in der härtesten Schlacht findet Foster immer wieder Raum für Witz und Ironie, zudem reichert er den Comic an mit Anekdoten aus dem Liebes- und Familienleben der Ritter.

Sein Handwerk als Zeichner hatte Foster bei der Hudson Bay Company gelernt, für deren Versandhauskatalog er aufwändig gearbeitete Damenunterwäsche zeichnete. Später belegte er Abendkurse am Art Institute und der Academy of Fine Arts in Chicago. Es muss dort eine gute Ausbildung erfahren haben, auf deren Grundlage er einige der wohl schönsten Menschen zeichnete, die je ein Comic zu bieten hatte.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

2 Kommentare

 / 
  • A
    Axel

    Witzigerweise heißt ja auch die erste schwule Buchhandlung in Berlin "Prinz Eisenherz"...

  • CT
    Christian Trull

    Schön, dass die taz die Neuausgabe der Eisenherz-Comics berücksichtigt! Diese verdient tatsächlich eine ausführliche Rezension, da sie ein Novum auf dem deutschen Markt darstellt und der Mut für ein solches Unternehmen entsprechend gewürdigt werden sollte. Erfreulich auch, dass Hal Fosters Arbeit von Frau Schröder ernst genommen wird. Den Hinweis auf die Schwulenikone fand ich sehr interessant. Mir war das neu und fügt einen weiteren Aspekt zur Rezeption der Eisenherzfigur hinzu.