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Leitfaden für KommunenSo werden Neonazis gestoppt

Nazi-Aufmärsche aufhalten, Rechtsrockkonzerte verhindern: Die Friedrich-Ebert-Stiftung stellt ein Handbuch für Gemeinden gegen rechts vor.

Mit selbstgemalten Stoppschildern ist es heutzutage nicht mehr getan. Bild: dpa

Der Wahlsonntag hat die Herausforderung offenbart. Die rechtsextreme NPD konnte in den Kommunalparlamenten mehr als 100 neue Mandate erlangen. "In der Kommune wird der Kampf gegen Rechtsextremismus entschieden", sagt Dietmar Molthagen, Leiter des Projekts "Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus" bei der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES).

Am Freitag stellte die FES ihr neues "Handbuch für die kommunale Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus" vor. Die Autoren eint, dass sie von einer langfristigen Strategie der NPD ausgehen, der in bestimmten Regionen eine nachhaltige Verankerung gelungen sei.

Die Kommunalwahlen bestätigen, was Dietmar Molthagen und Lorenz Korgel als Herausgeber des Handbuchs befürchten: Dort wo die NPD die "angestrebte lokale Verankerung" gelungen ist, steigen deren Mitgliederzahl, ihre Aktivitäten und auch ihre Wahlerfolge. "Die Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus muss jeweils vor Ort, und zwar lokalspezifisch, geführt werden", betont Molthagen. So werden in dem Handbuch verschiedene Strategien vorgestellt.

Offen räumt dort Jenas Oberbürgermeister Albrecht Schröter ein: In der Stadt besteht eine feste Szene. Und er berichtet, wie sie ganz konkret den Rechten ihr "Fest der Völker" verhindert haben. Zivilgesellschaft, Kommune, Behörde und Antifa kamen zusammen.

Rainer Strobl und Olaf Lobermeier, beide von "proVal Gesellschaft für sozialwissenschaftliche Analysen" betonen, um ein nachhaltige Strategie zu entwickeln, müsste zuvor genauer die regionale Szene von den Kommunalpolitkern erfasst werden. Gerade die rechte Erlebniswelt macht die neue Dimension des Rechtsextremismus aus - von Aufmärschen über Szeneläden bis zu Konzerten. Wie von Rechtsextremen angemietete Räume wieder aufgekündigt werden können, zeigen Timm Köhler und Sven Richwin in ihrem Beitrag. Ein Vorschlag: ein Fragenkatalog vorab. Treffen später die Angaben nicht zu, kann der Vertrag gekündigt werden. Die Rechtsrockexperten Christian Dornbusch und Jan Raabe empfehlen, um ein Konzert zu beenden, könnte auch überprüft werden, ob überhaupt genügend Toiletten vorhanden seien.

Gefahr erkannt, Gefahr gebannt? Nein, alle Autoren wissen, wie schwierig es ist, vor Ort gegen NPD und Kameradschaften zu mobilisieren. Karl-Georg Ohse, vom Regionalzentrum für demokratische Kultur Westmecklenburg betont diese Problematik. Er weist darauf hin, dass der Rechtsextremismus nicht nur Männern vorbehalten sei. "Auch Frauen haben sich politisch organisiert und spielen gerade bei der Vorfeldarbeit in den Dörfern, Städten, in Kindergärten und Schulen eine wichtige Rolle", sagt er. Er empfiehlt nach einer "fundierten Analyse" der Situation gezielt in den Vereine und Freiwilligen Feuerwehren den Konflikt zu suchen - per Gespräch oder auch per Satzungsklauseln gegen rechts.

Widerspruch und Kreativität, das zeigen die Beiträge, kann der NPD die Chancen erschweren. Denn nur dort, so die Autoren, wo die Rechtsextremen auf gesellschaftliche Leerstellen stoßen, könnten sie eindringen.

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15 Kommentare

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  • FK
    Frau Kirschgrün

    Es wäre doch schön, wenn der Link zum Download auch gleich (im Artikel) und/oder bei der taz zu finden wäre – nur so als Anregung für ein wenig Leser-Service . . .

    Oder seid's eich ihr z'schee dafir . . .

  • BV
    Brian von Nazareth

    Ich sehe, die FES hat die ultimative Wunderwaffe gegen Neonazis entdeckt.

  • JB
    Joachim Bovier

    Um es vorweg zu schicken und Verdrehungen vorzubeugen, neo-nazionalsozialistische Bestrebungen sind eine Gefahr für unseren freiheitlich demokratischen Staat des Grundgesetzes. Der Aktionismus der SPD-nahen Ebert-Stiftung ist allerdings wenig glaubwürdig, solange diese Partei einseitg nach rechts schaut und auf dem linken Auge blind ist. Wer mit Kommunisten gemeinsame Sache macht handelt auch nicht nach Werten und Geist unserer Verfassung.

  • HM
    Hans Müller

    Die Fes sollte einmal ein paar Personen mit Migratiosnhintergrund in ihr Förderprogramm aufnehmen. Alles andere ist lächerlich und unglaubwürdig.

  • AB
    andrea berger

    Gut so. Selbstverständlich. Aber was machen wir mit tausenden türkisch-nationlistischer "Graue Wölfe"? Fallen die nicht auch in die selbe Kategorie wie NPD & Co. KG????

  • F
    Freheit

    >>Zivilgesellschaft, Kommune, Behörde und Antifa kamen zusammen.

  • K
    KOLRABE

    Die Frage ist doch wohl eher, wie stoppt man die SPD und die "Sozialdemokratie"!

    Hartz IV hat die SPD geschaffen, nicht die NPD. Den unmenschlichen Umgang mit den Arbeitslosen hat die SPD zu verantworten, nicht die NPD. Die Leute sollten vor der SPD angst haben, nicht vor ein der NPD.

  • WM
    Werner Müller

    Wann, bitteschön, erscheint das Handbuch gegen Linksextremismus. Spätestens seit dem letzten Giftgasanschlag auf Polizisten in Berlin erscheint mir dies ebenso notwendig.

  • JO
    Jürgen Orlok

    Sonst seid ihr noch bei Trost ??

    Ihr wollt die Mittel ( Erbsenzählerei) des einst so vehement bekämpften kleinbürgerlichen, spießigen Staates nutzen?

    Nun gut wenn ihr dadurch einseht, daß euer damaliges Aufbegehren dagegen nur jugendliche Unvernunft, Übermut war , nur zu.

    Eure Eltern werden zufrieden sein, daß ihr wieder bei Ihnen angekommen seid - in der besten aller Welten ...

  • V
    vic

    Ein Handbuch. Großartig.

    Es kann doch nicht angehen, dass der Staat die Abwehr der braunen Suppe, von NPD Veranstaltung bis zu deren Straßenmob, den Bürgern und der ANTIFA überlässt.

    Zudem wird die ANTIFA in diesem Land übersetzt mit "die Radikalen".

    Es gibt keine Legitimation für die NPD als Teil des bundesdeutschen Parteiensystems. Sie muss endlich verboten werden. Man kann NAZIS nicht verbieten, wohl aber deren legitime Heimat.

    In Italien ist bereits ein Faschist Regierungschef, wollen wir das auch?

  • TK
    Torben Kinski

    Gibt es auch Handbücher gegen linkes Gesindel?

  • O
    onkel.peter

    Wozu der Hydra die Köpfe abhacken, wenn sie eh wieder nachwachsen?

    Die braune Bedrohung lässt sich nur mit Bildung langfristig aufhalten, indem man potentiellen Mitgliedern - also Jugendliche - schon vorher klar macht, dass sie so nichts verändern können und die Parolen der NPD nur heiße Luft sind.

     

    Aber das können sich die Kommunen nicht leisten und machen mit solchen 'Leitfäden' nur Schadensbegrenzung.

     

    Schade so etwas.

  • K
    Katharina

    Jetzt wissen wir wenigstens, warum die CDU kein Verbot will. Ach was wird das Koch und Co freuen. Heut beginnt übrigens das 32. Weikersheimer Treffen. Nur mal so am Rande..

  • P
    pete

    Der Kampf gegen Neonazis und Rassisten kann nur wirklich erfolgreich sein wenn antifaschistisches Engangement endlich nicht mehr kriminalisiert wird!

    Orte in denen es gute AntifaStrukturen gibt fällt es Neonazis sehr schwer Fuss zu fassen. Viele Gemeinden besonders im ländlichen Bereich finden sich aber immer noch nicht damit zurecht dass sie ein Naziproblem haben. Deswegen wird Antifaschisten oft diffamiert und als genauso schlimm wie Neonazis dargestellt (Extremismustheorie).

    Zivilcourage ist oft nicht mehr als ein Lippenbekenntnis und Faschismus wird kleingeredet...

     

    Der Kampf gegen den alltäglichen Rassismus sollte viel mehr in den Vordergrund gestellt werden, Ausgrenzung wie Sexismus und Homophobie nicht verschwiegen werden.

  • A
    arne

    ....eine nachhaltige...

     

    soviel sorgfalt muss bei einem öffentlichen artikel doch sein

     

    ansonsten: BILDUNG BILDUNG BILDUNG