Das Marketing entdeckt die Frauen: Griff in die Klischee-Kiste
Die Werbung für einen Frauen-Kredit ist auf Rosa gedruckt, Clips für Damen-Rasierer propagieren glatte Püppchen. Produkte für Frauen sind im Trend - und nicht gerade fortschrittlich.
"Frauen sind Trend". Wer in den letzten Monaten an Unternehmens-Workshops über Marken- und Produktentwicklung teilnahm, wurde immer wieder mit diesem Satz konfrontiert. Natürlich seien nicht nur Frauen Trend, sondern auch Luxus oder Klima. So zumindest steht es auf diversen Folien, die Tag für Tag - meist Angehörigen des mittleren Managements - präsentiert werden und deren Inhalte aus Studien stammen, die die Firmen zumeist bei denselben Trendberatern ordern.
Es mag der Verknappung geschuldet sein, zu der Powerpoint verleitet, wenn hier fahrlässig, ja geradezu absurd formuliert wird - doch muss man befürchten, dass das kaum jemand auffällt. Dabei sollte klar sein, dass Frauen gar kein Trend sein können. Sie können Thema sein - oder es ist ein Trend, also eine zu beobachtende Entwicklung, dass sie sich besser qualifizieren als früher, wieder stärker auf eine Mutterrolle eingeschworen werden etc. Das alles aber interessiert die Manager gar nicht. Für sie bedeutet der Satz "Frauen sind Trend" vor allem: Hier gibt es Marktpotenziale, die bisher nicht genügend ausgeschöpft wurden. Wer mehr Produkte gezielt für Frauen entwickeln würde, könnte seine Umsätze steigern.
Das verheißt immerhin, dass auf Bedürfnisse von Frauen auch besser eingegangen wird als bisher, doch sollte man - und erst recht jede Feministin - genau darauf achten, wozu geschlechtsspezifische Produktvarianten führen. So halten sie mittlerweile selbst in Bereichen Einzug, in denen früher niemals zwischen Männern und Frauen unterschieden wurde. Was etwa soll eine Zahnbürste für Frauen? Oder eine Bio-Frauenreise? Und warum gibt es mittlerweile eine Reihe von Banken, die Finanzdienstleistungen speziell für Frauen offerieren?
Der Unterschied zu herkömmlichen Angeboten besteht meist nur in der Verpackung: Die Werbung für einen Frauen-Kredit ist auf Rosa gedruckt, und es werden Vokabeln wie "zum Wohlfühlen", "unkompliziert" und "frisch" verwendet. Die Frau wird also als naives, unbedarftes Wesen angesprochen, das nun mal gerne mehr shoppt, als Geld zur Verfügung steht. Wie niedlich! Wie süß!
Werden für Frauen eigene Produkte konzipiert, greift man also gerne in die Klischee-Kiste. Und genau hier ist Vorsicht geboten. So berechtigt es ist, Unterschiede da zu berücksichtigen, wo sie eine Rolle spielen, so gefährlich ist es, sie pauschal zu behaupten oder gar, aus Gründen des Marketings, überzubetonen. Schaut man sich etwa an, wie Marken Pflegeartikel geschlechterspezifisch inszenieren, muss man sich ernsthaft Sorgen um die Frauen machen: Kaum ein Produkt verzichtet in diesem Bereich darauf, ihnen einzureden, sie bräuchten Entspannung, müssten sich den Schmutz und Frust des Tages abwaschen, hätten erst wieder zu sich selbst zu finden. Fortwährend wird die Frau hier als entfremdetes Wesen angesprochen, das im öffentlichen Leben nur unglücklich werden kann und sich am besten in häusliche Privatheit zurückzieht. Den Männern hingegen werden Artikel angeboten, die Power und Dynamik versprechen und auf die Herausforderungen des Alltags vorbereiten. Das baut das Ego auf und bedient eine Sieger-Mentalität - während bei den Frauen am selben Drogeriemarkt-Regal die Zweifel wachsen, ob sie nicht doch zu schwach und sensibel für diese harte Welt sind.
Unter dem Anschein, mit ihren Angeboten trendy und spezifisch zu sein, klopfen die Hersteller somit eine biedermeierliche Geschlechterordnung fest. Und das quer durch die Branchen. So sprechen die meisten Lady-Shaver weniger die emanzipierte und selbstbewusste Dame als vielmehr das harmlose Girlie an, das nichts anderes im Kopf hat, als verspielt zu sein und den Mann zu amüsieren, der sich ein glattes Püppchen wünscht. Die Achseln frisch rasiert, kann die Frau dann sogar noch ein Deo benutzen, das mit folgenden Sätzen für sich wirbt: "Seien Sie ganz Frau. Für ihn. Worauf warten Sie noch?" Wer das liest, fragt sich allerdings, worauf die Feministinnen und Gender-Forscher noch warten.
Letztere müsste es etwa interessieren, wie oft Unternehmen für ihre Produktspezifizierungen mittlerweile mit (neuro-)biologischen Klassifikationen arbeiten und Zielgruppen allein nach Hormonspiegeln einteilen, also so tun, als gebe es nur natürliche - und keine gesellschaftlich bedingten - Unterschiede zwischen Frauen und Männern. Und Erstere sollten erkennen, dass die Produkte "für Frauen" alles andere als einen Fortschritt in Richtung Gleichberechtigung darstellen. Sie sind sogar umso verhängnisvoller, als mit ihrer Benutzung die von ihnen vorgegebenen Rollen noch eigens eingeübt werden. Auf diese Weise ist die Konsumwelt treibender Faktor des Rollback, der das Verhältnis zwischen den Geschlechtern gegenwärtig kennzeichnet.
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