Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?
Norwegen gegen China, die FDP ähnelt der DDR (so ein FDPler) und de Maizière gegen das Grundgesetz. Die Woche mit Friedrich Küppersbusch.
taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?
Friedrich Küppersbusch: FDP ähnelt später DDR, sagt Kubicki.
Was wird besser in dieser?
Friedrich Küppersbusch ist Journalist und Fernsehproduzent. Jede Woche wird er von der taz zum Zustand der Welt befragt.
DDR lässt transzendental mitteilen, nie später FDP geähnelt zu haben.
Bundespolizei und Bundeskriminalamt sollen zu Polizeiapparat verschmelzen. Wird de Maizière angesichts der Terrorgefahr doch noch zu einem richtigen Innenminister?
Der sicherste Unterschlupf für Verfassungsfeinde ist derzeit ein Job im Kabinett Merkel. Nach Art. 30 GG ist Polizei Ländersache, so wie diese Regierung sich auch bei Wehrpflicht, Asyl, Verteidigungsarmee und anderem einen Dreck ums Grundgesetz schert. Die Letzten, die aus Länderpolizeibehörden eine nationale Polizei zusammentricksten, waren Himmler und Heydrich - mit Tumoren wie Reichsicherheitshauptamt, SiPo und - ursprünglich Görings Folterwerkzeug - der Gestapo. Interessanter Umgang, Herr Innenminister. Eben gegen zentralstaatliche Willkür einerseits - und die Militarisierung von Polizei andererseits - nahmen die Länder sich nach 45 die Polizeihoheit zurück. Und musste der Bund das 49 so in seine Verfassung schreiben. Das BKA war später eine Informationsbörse der LKAs, und die Bundespolizei war der Grenzschutz, der notwendig länderübergreifend agierte. Wer immer schon - wider die Lehren der Geschichte - eine Nationalpolizei wollte, betrachtet sich selbst als Staat in einer Welt voller Feinde. Mindestens ebenso lebt der Bürger in einer Welt voller Staat.
Ab 1. Juli 2011 wird nun die Wehrpflicht ausgesetzt. Und ohne Wehrpflicht keine Verweigerer. Soziale Einrichtungen müssen künftig auf Zivis verzichten, der geplante Bundesfreiwilligendienst wird den Bedarf nur teilweise abdecken können. Wer fährt Opa nun künftig zum Arzt?
Vielleicht trampen? Die Generation kennt das doch noch. Der "Bundesfreiwilligendienst" ist fast so eine tolle Idee wie das "Freiwillige Soziale Jahr" - das es dummerweise schon gibt. Müsste mal wer Frau Schröder verraten. Einsätze und Vergütung ähneln einander, und wer bisher nicht hinging, wirds auch künftig nicht tun. Weiße Salbe für Wohlfahrtsverbände, die bisher gut mit und von Zivis lebten und nun halt Geld bekommen. Kann man sich im Pflegesektor angucken, wie Kommerzialisierung funktioniert: Wenige mieten sich in die Seniorenresidenz, viele bekommen Pflegedienstbesuch, manche vermodern einfach. Drolliger Staat, der sich toll findet, wo es Macht auszuüben gilt, und abschafft, wo es um Gemeinwohl geht.
Bei der Verleihung des Friedensnobelpreises fehlte der Preisträger Liu Xiaobo, er sitzt in einem chinesischen Gefängnis. Aus Solidarität mit der chinesischen Regierung nahmen 15 weitere Staaten nicht an der Zeremonie teil. Skandal?
Zählen Sie mal die letzten 15 Preisträger auf. Liu, Obama, Al Gore … tja. Wenn es ein Marketingkonzept gewesen wäre, einen vollständig Unbekannten in kürzester Frist weltweit ins Bewusstsein zu rücken - so hätte es aussehen müssen. Das Beispiel der Preisträgerin von 1991, Aung San Suu Kyi, kann ermutigen. Und um es positiv zu betrachten: Das winzige Norwegen hat sich mit ein bisschen Nordseeöl und viel Selbstbewusstsein getraut, die Nummer durchzuziehen. Respekt!
Die Grünen waren bundesweit zuletzt im Umfragenhöhenrausch. Nach einigen Patzern im Wahlkampf von Renate Künast um das Amt der Berliner Bürgermeisterin sacken die Werte wieder ab. Sollte sie sich notfalls auf eine Koalition mit der CDU einlassen?
Bei allem Respekt vor der weit über die Grenzen des Universums lappenden Bedeutung des Berliner Lokalwahlkampfs: Weil Frau Künast in Kreuzberg 30 fährt, tritt nicht national das Wahlvolk in Streik. Der ungünstige Ausgang der Stuttgarter Schlichtung, das Platzen der schwarz-grünen Koalition in Hamburg gehören mit ins Bild. Das FDP-Ergebnis bei der Bundestagswahl bestand wesentlich nicht aus FDP-Fans, sondern aus "Merkel ohne SPD"-Wählern. Ähnlich waren in den grünen Prozenten zuletzt auch allerhand Bionade-CDUler. Tschühüß! - Schwarz-Grün in Berlin wäre die Minderheitsregierung der Westbesserverdienenden gegen den Rest und Ost. Klares Nein.
Und was machen die Borussen?
80.720 Zuschauer bei erhabenem Scheißwetterchen, knapp über null und Nieselregen. Die Südtribüne singt aber "Jingle Bells" mit, und seit ein paar Spielen verabreden sich die FRAUEN in meiner Familie zum Fußballgucken. Es … hat wohl keinen Sinn mehr, zu leugnen. Möglicherweise läuft es eventuell vielleicht gut für den BVB diesmal.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“