Kommentar Afghanistan-Einsatz: Trickreich nach Afghanistan
Die USA fordert, dass sich Deutschland stärker in den Afghanistan-Krieg verstrickt? Absehbar. Die Bundesregierung kann das nur abwehren, indem sie eine Debatte um die Nato-Mission anzettelt.
Ob Zufall oder geschickte Inszenierung: SPD, CDU, Grüne und FDP können dankbar sein, dass die auf den 24. Januar datierte schriftliche Forderung von US-Verteidigungsminister Gates an seinen deutschen Amtskollegen Jung, Kampftruppen der Bundeswehr nach Südafghanistan zu schicken, erst nach dem vergangenen Wahlsonntag bekannt geworden ist. Sonst hätte die Linke in Hessen und Niedersachsen noch mehr Stimmen gewonnen. Und angesichts der neuen Forderung aus Washington kann die Bundesregierung das nicht nur bei der Linken, sondern auch bei einigen Abgeordneten von SPD und Grünen zu Recht umstrittene Vorhaben, eine kampffähige schnelle Eingreiftruppe der Bundeswehr in Nordafghanistan zu stationieren, nun als kleineres Übel verkaufen und leichter durchsetzen.
Mit "Überraschung" und "Ablehnung" haben Kanzlerin Merkel und Minister Jung auf das "wenig hilfreiche Schreiben" (so Rainer Arnold, verteidigungspolitischer Sprecher der SPD) von Gates reagiert. Das sind heuchlerische und wenig glaubwürdige Reaktionen einer Regierung, die Parlament und Öffentlichkeit seit Jahren im Unklaren lässt oder systematisch irreführt: über die wahre Lage in Afghanistan sowie das Scheitern und die kontraproduktiven Folgen des dort geführten "Krieges gegen den Terrorismus"; und über das Ausmaß, in dem die Bundeswehr längst an diesem Krieg beteiligt ist, sowie über die zunehmend desolate Stimmung unter den Soldaten.
Die neue Forderung der Nato-Führungsmacht, Deutschland möge sich noch tiefer in den immer aussichtsloseren Krieg verstricken, war absehbar. Sie ist nur folgerichtig, solange die Nato in der Sackgasse verweilt, in die sie sich in Afghanistan begeben hat. Allein mit Verweisen auf ihre zivilen Aufbaumaßnahmen und das Isaf-Engagement deutscher Truppen in Nordafghanistan, auf beschränkte Ressourcen der Bundeswehr sowie auf Widerstände in der deutschen Bevölkerung wird die Bundesregierung die Forderung nach stärkerer Kriegsbeteiligung nicht mehr abwehren können. Das gelänge nur, wenn sie in der Nato endlich eine grundsätzliche Debatte und Korrektur der Afghanistanmission erzwänge.
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