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Kommentar Christliche GewerkschaftenLustiges Gewerkschaftssterben

Ulrich Schulte
Kommentar von Ulrich Schulte

Das Urteil des Arbeitsgerichts entlarvt das Dumpingmodell, auf das sich die Christlichen Gewerkschaften stützen. Doch der Schutz des "Equal Pay"-Prinzips bleibt vorerst ein Traum.

D as Bundesarbeitsgericht hat eine folgenreiche und sehr erfreuliche Entscheidung getroffen: Die Christlichen Gewerkschaften für Zeitarbeiter sind gar keine - Gewerkschaften. Aus Sicht der Richter genügen sie dem Mächtigkeitsprinzip nicht: Sie haben zu wenig Mitglieder, um in Verhandlungen ernsthaft Druck gegen Arbeitgeber aufbauen zu können.

Das Urteil entlarvt das Dumpingmodell, auf das sich die angeblichen Gewerkschaften stützen. Denn in der Realität agieren die Organisationen, die das Adjektiv "christlich" aus historischen Gründen im Namen tragen, unchristlich. Sie machen sich zu Erfüllungsgehilfen der Arbeitgeber, indem sie Niedrigstlöhne aushandeln und Tarifverträge der DGB-Gewerkschaften unterlaufen. Kein Wunder, dass Unternehmen ihre Gründung gern unterstützt haben.

Die Bigotterie rächt sich jetzt - zumindest im Bereich der Zeitarbeit. Auf die Firmen könnten Milliardenforderungen von Angestellten und Sozialkassen zukommen. Sie werden sich in Zukunft genau überlegen, ob sie mit dubiosen Scheingewerkschaften verhandeln wollen. Oder ob nicht doch der teurere, aber nicht angreifbare Tarifvertrag besser ist.

Bild: taz

Ulrich Schulte ist Leiter des taz-Inlandsressorts.

Gleichzeitig beleuchtet der Fall eine gesetzliche Lücke in der Zeitarbeit, mit deren Hilfe ihre Erfinderin, die rot-grüne Regierung unter Kanzler Schröder, Dumpinglöhne gefördert und das von der EU-verordnete "Equal Pay"-Prinzip zur Farce gemacht hat. Menschen bekommen so für die gleiche Arbeit überhaupt nicht das gleiche Geld - dafür haben bislang nicht zuletzt die "christlichen" Tarifverträgen gesorgt.

Ergo: Das "Equal Pay"-Prinzip muss vom Gesetzgeber geschützt werden. Solange Schwarz-Gelb regiert, bleibt das ein frommer Traum.

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Ulrich Schulte
Leiter Parlamentsbüro
Ulrich Schulte, Jahrgang 1974, schrieb für die taz bis 2021 über Bundespolitik und Parteien. Er beschäftigte sich vor allem mit der SPD und den Grünen. Schulte arbeitete seit 2003 für die taz. Bevor er 2011 ins Parlamentsbüro wechselte, war er drei Jahre lang Chef des Inlands-Ressorts.
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6 Kommentare

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  • J
    Joerg

    Es ist für mich unerträglich, dass ausgerechnet SPD und Grüne die Zeitarbeit erst hoffähig gemacht hatten. Hartz IV hat gezeigt, dass man keine Arbeitsplätze schafft, indem man nur die Lohnkosten reduziert. Schlimmer ist allerdings, dass bisherige reguläre Arbeitsverträge nun mehr und mehr in Leiharbeitsverträge gewandelt werden, sei es direkt oder indirekt, indem alte Stellen nur noch mit Leiharbeitern besetzt werden.

    Für mich ist klar, dass in den letzten Jahren die Wirtschaft leider immer mehr Ihre Interessen mit Hilfe der Politiker durchsetzt, koste es, was es wolle. Belohnt werden die Lobbyisten-Helfer in den Politikerreihen dann mit guten Posten. Sehr interessantes Beispiel ist hier Wolfgang Clement, der als Aufsichtratsmitglied in der fünftgrössten Leiharbeitsfirma Deutschlands DIS sitzt. Clement war einer der politischen Wegbereiter der Liberalisierung der Leiharbeit in Deutschland.

  • PR
    Peter R

    willkommen in meiner Welt:

     

    was da öffentlich wurde, ist nur die Spitze des Eisbergs. Tag für Tag werden Arbeinehmer von "Ihresgleichen" im wörtlichen Sinne hundertfach verraten und verkauft.

    Man muss nur die Entscheidungen der "Arbeitnehmer-Vertreter" in den Sozialgerichten - oder noch schlimmer, in den Berufsgenossenschaften näher betrachten.

    Da werden, mit dem Segen der Arbeitnehmerverteter tag-täglich- arbeitende Menschen um ihre Existenz gebracht - indem rechtmäsige Ansprüche auf Entschädigung oder Rente - von den Arbeitnehmernvertreter mitverantwortet abgelehnt werden.

    (...) und da spielt es keine Rolle ob es um Asbestose oder "nur" um eine Abfindung nach Entlassung geht.

    Die Abnick-Fraktion ist überall da zu finden wo es um Geld geht.

    Dass der Mensch korrupt ist sollte jeden klar sein.

    Dass es aber auch und vor allem die etablierten Gewerkschaften sind, die tatenlos zusehen wie die von ihnen in die Ausschüsse / Gerichte entsandten Arbeitnehmervertreter die Rechte der Schwächsten mit Füssen treten, ist nicht mehr hinnehmbar.

    Einen Gruß an die Chemie-Gewerkschaft - und Ihre Bonzen.

    (ein Anruf der BG genügt und die Chemie-Gewerkschaft tauscht den unbequemen Arbeitnehmerverteter aus)

     

    Ihr, die mit dem Thema zu tun habt, wisst wovon ich schreibe.

     

    Und für den Rest gilt: Seid nicht so erstaunt, wenn nicht alles so ist, wie Ihr es gerne hättet.

  • B
    bad_smell

    Es ist generell eine Unverschämtheit, daß in der Zeitarbeit durch Tarifverträge die Beschäftigten schlechter gestellt werden als es das Gesetz für den tariflosen Zustand vorsieht. Was sind das für Interessenvertreter, die solche Tarifverträge abschließen?

    Das gilt auch für die DGB Gewerkschaften. Auch diese sind in keiner Weise autorisiert, solche Schandvertäge abzuschließen. Der Organisationsgrad unter den Leiharbeitern ist minimal und wird das angesichts der schäbigen Rolle der Gewerkschaften auch bleiben

  • A
    Allendorf

    Diese Ausnahmeregelung halft die BRD zum Billiglohnland zu machen. Die HartzIV gesetzt zwang die Arbeissuchenden in Billigjobs, das Lohnniveau sank insgesamt. Die Versicherungsbeiträge wurden gesteigert.Die in 2011 in Kraft tretende "EU-Dienstleistungsrichtline" und das pol Klima hat die Entscheidung der Richter sicher befördert das überfällige Rechtskonstrukt "Mächtigkeitsprinzip" einzuführen.

    Die Forderung des Kommentartors das "Equal Pay"-Prinzip muss vom Gesetzgeber geschützt werden" greift zu kurz, da der Umfang der Zeitarbeit einerseits auf die Funktion der "Produktionsspitzenreduktion" zurückgeführt werden sollte und die Zusatzbleastungen für die Zeitarbeiter größer sind. Insgesamt müßte die Entlohnung also über den "Gleichen Lohn liegen" wzBsp. in Frankreich. Meine Forderung für die Arbeitsmärkte, Sozialversicherungssysteme und für eine gerecht Entlohnung lautet "Equal Plus"

  • A
    Alex

    Wäre doch von schwarz-gelb eine Unverschämtheit wenn sie einfach die Dinge von rot-grün rückgängig machen würde oder? Ich will nicht wissen die SPD und Grünen dann toben würden.

     

    Also bloß nichts ändern, dem Parteifrieden zuliebe!

  • C
    claudia

    Die Begründung der Gerichtsentscheidung ist zu begrüssen, weil damit tariffähige kleine Gewerkschaften wie die GDL nicht betroffen sind.

    Solche neuen echten Gewerkschaften wirken belebend auf die eingeschlafenen DGB-Gewerkschaften.

     

    ---

    Auch der „der teurere, aber nicht angreifbare Tarifvertrag“ im Arbeitskräfteverleih liegt weit unter den Tarifen für seriöse Arbeitsverträge.

    Die Differenz zwischen Industrietarif und BZA/IGZ-Tarif ist der Profit der „Arbeitnehmerverleiher“, die nichts anderes sind als Zuhälter.

    Wenn durch die Nachzahlungen die „Leiharbeit“ zusammenbräche und Firmen wieder direkt einstellen müssten, könnte das nicht nur den Binnenmarkt rehabilitieren, sondern es wäre auch ein wichtiger Schritt weg von der Insolvenz der Krankenkassen und Rentenversicherung.