Kommentar EU-Schwarzarbeitsgesetz: Illegalität wird Chefsache
Die illegale Beschäftigung wächst. Wenn die EU dies durchbrechen will, muss sie vorlegen, was sie seit Jahren verspricht: ein ausgewogenes Einwanderungskonzept.
Der Grundgedanke ist gut: Die neue EU-Richtlinie zur illegalen Beschäftigung dreht den Spieß um. Die Verantwortung dafür, dass die Papiere in Ordnung sind, liegt beim Chef. Er wird mit Strafe bedroht, muss Lohn und Sozialabgaben nachzahlen und läuft Gefahr, Fördergelder oder gar seine Lizenz zu verlieren.
In der Praxis gibt es aber nur zwei Möglichkeiten, die schwarzen Schafe unter den Arbeitgebern ausfindig zu machen: strenge Kontrollen oder ein Eigeninteresse der Beschäftigten. Beides sieht das neue EU-Gesetz nicht vor. Im ursprünglichen Entwurf stand, dass jedes Mitgliedsland jährlich zehn Prozent seiner Betriebe überprüfen muss. Diese Vorschrift wurde durch einen schwammigen Passus ersetzt, wonach die Kontrollbehörden Branchen mit besonders hohem Risiko häufiger kontrollieren sollen als andere. Angesichts der chronischen Personalnot in den Behörden wird das die Schwarzarbeit nicht eindämmen.
Die Beschäftigten selbst werden sich ebenfalls nicht melden. Zwar wird ihnen und möglichen einheimischen Helfern Straffreiheit zugesichert. In Härtefällen dürfen sie im Land bleiben, bis ihre finanziellen Ansprüche geklärt sind. Doch am Ende steht die Abschiebung - dass die nicht der Staat bezahlen muss, sondern der ehemalige Chef, dürfte dem betroffenen Flüchtling ziemlich egal sein.
Die Befürworter der Richtlinie argumentieren, dass endlich der Arbeitgeber in die Verantwortung genommen werde. In Deutschland ist das schon jetzt der Fall. Dennoch blüht die Schwarzarbeit, viele Beschäftigte sind ohne rechtlichen Schutz und können sich gegen Dumpinglöhne genauso wenig wehren wie gegen unmenschliche Arbeitsbedingungen. Trotzdem entscheiden sich jedes Jahr mehr Menschen gegen die Erwerbslosigkeit zu Hause und für eine Sklavenarbeit in Europa.
Wenn die EU diesen Teufelskreis durchbrechen will, muss sie endlich vorlegen, was sie seit Jahren verspricht: ein ausgewogenes Einwanderungskonzept. Doch die meisten Mitgliedstaaten sind dagegen. Einig sind sie sich nur, wenn es darum geht, Europa weiter abzuriegeln. DANIELA WEINGÄRTNER
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