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Kommentar Anklage GaddafiEine Warnung an Staatsterroristen

Kommentar von Christian Semler

Internationale Haftbefehle demonstrieren den Anspruch der Opfer des Staatsterrorismus auf Gerechtigkeit. Selbst dann, wenn sie nicht vollstreckt werden können.

D er Haftbefehl des Haager Internationalen Strafgerichtshofs gegen Muammar al-Gaddafi, Saif al-Islam und Abdullah al-Senoussi sendet ein positives Signal aus.

Denn er ermutigt alle, die den schwierigen Kampf gegen die "Kultur der Straflosigkeit" führen, die nach wie vor in vielen Staaten verbrecherische Machthaber in Ruhe schlafen lässt. Amnesty International spricht von einem "impunity gap", der Kluft zwischen international gültigen Menschenrechtsstandards und der täglichen Praxis, sie ungestraft mit Füßen zu treten.

Internationale Haftbefehle des Haager Gerichts können, wie im Fall des sudanesischen Präsidenten al-Baschir, nicht vollstreckt werden, weil das nicht in der Macht der Anklagebehörde steht. Aber sie demonstrieren den Anspruch der Opfer des Staatsterrorismus auf Gerechtigkeit.

Bild: borrs

CHRISTIAN SEMLER ist Autor der taz.

Saif al-Islam hat dem Haager Gericht vorgeworfen, nichts als ein Instrument zu sein, das sich die Europäische Union zur Beherrschung Afrikas zugelegt hat. Auf der rechtlichen Ebene ist der Fall klar. Nicht die EU, sondern der Weltsicherheitsrat der UNO hat die Ermittlungen des Haager Gerichts gegen Gaddafi genehmigt, entsprechend der Satzung und übrigens einstimmig. Bei seiner Ablehnung des Haager Gerichts versucht Saif, sich auf das Argument "Ihr messt mit zweierlei Maß" zu stützen.

Tatsächlich: Wo zu starke Interessen "des Westens" im Spiel sind oder der Staatsverbrecher zu mächtig ist, unterbleibt jede Strafverfolgung. Auch lehnen Staaten wie die USA und China den Strafgerichtshof ab und schwächen damit seine universelle Geltung. Aber das sind keine Argumente gegen den Anspruch, Staatsverbrechen dort zu verfolgen, wo es schon jetzt möglich ist. Und vielleicht abschreckend zu wirken auf potenzielle Verbrecher.

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4 Kommentare

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  • DR
    david rockefeller

    was habt ihr alle gegen kissinger? der ist doch der beste freund vom alten schmidt helmut. und der ist schliesslich über jeden zweifel erhaben. oder etwa nicht? geopolitik ist halt kein ponyhof. oder wie ein anderer us-general, keine ahnung wie der hieß, es mal formulierte:

    "Pacifists are losers because they refuse to participate in the game. Thus they have already lost!"

    na bitte.. ein spiel - aber kein ponyhof.

  • M
    Momo

    Sie schreiben in Ihrem Kommentar:

     

    "Tatsächlich: Wo zu starke Interessen "des Westens" im Spiel sind oder der Staatsverbrecher zu mächtig ist, unterbleibt jede Strafverfolgung."

     

    Leider ist das Verhalten "des Westens" noch deutlich stärker zu kritisieren. Andreas Zumach schrieb bereits im August 2001 unter der Überschrift "Exempel Kissinger":

     

    "Wenn das Tribunal ein Glaubwürdigkeitsproblem hat, dann weil mutmaßlich Verantwortliche für andere Verbrechen der letzten 50 Jahre bislang nicht strafrechtlich zur Verantwortung gezogen wurden. Etwa der ehemalige US-Außenminister Henry Kissinger. Ein Journalist hat kürzlich umfangreiche Materialien vorgelegt, die Kissingers Verantwortung für Völkermord, Verbrechen gegen die Menschheit und Kriegsverbrechen in Vietnam, Kambodscha, Chile, Osttimor und Zypern beweisen. Laut Völkerrecht und nationaler Gesetzgebung fast aller Staaten sind dies Verbrechen, die nicht verjähren."

    http://www.bits.de/zumach/2001/taz040801-2.html

     

    Zu den aktuelleren "Fällen" Bush, Blair, Berlusconi und Aznar stellte der Literaturnobelpreisträger des Jahres 2005, Harold Pinter, in seiner Nobelpreisvorlesung unmissverständlich fest:

    http://nobelprize.org/nobel_prizes/literature/laureates/2005/pinter-lecture-g.html

     

    "Wie jeder der hier Anwesenden weiß, lautete die Rechtfertigung für die Invasion des Irak, Saddam Hussein verfüge über ein hoch gefährliches Arsenal an Massenvernichtungswaffen, von denen einige binnen 45 Minuten abgefeuert werden könnten, mit verheerender Wirkung. Man versicherte uns, dies sei wahr. Es war nicht die Wahrheit. Man erzählte uns, der Irak unterhalte Beziehungen zu al-Qaida und trage Mitverantwortung für die Gräuel in New York am 11. September 2001. Man versicherte uns, dies sei wahr. Es war nicht die Wahrheit. Man erzählte uns, der Irak bedrohe die Sicherheit der Welt. Man versicherte uns es sei wahr. Es war nicht die Wahrheit. (...)

    Die Invasion des Irak war ein Banditenakt, ein Akt von unverhohlenem Staatsterrorismus, der die absolute Verachtung des Prinzips von internationalem Recht demonstrierte. Die Invasion war ein willkürlicher Militäreinsatz, ausgelöst durch einen ganzen Berg von Lügen und die üble Manipulation der Medien und somit der Öffentlichkeit; ein Akt zur Konsolidierung der militärischen und ökonomischen Kontrolle Amerikas im mittleren Osten unter der Maske der Befreiung, letztes Mittel, nachdem alle anderen Rechtfertigungen sich nicht hatten rechtfertigen lassen. Eine beeindruckende Demonstration einer Militärmacht, die für den Tod und die Verstümmelung abertausender Unschuldiger verantwortlich ist.

    Wir haben dem irakischen Volk Folter, Splitterbomben, abgereichertes Uran, zahllose, willkürliche Mordtaten, Elend, Erniedrigung und Tod gebracht und nennen es „dem mittleren Osten Freiheit und Demokratie bringen“.

    Wie viele Menschen muss man töten, bis man sich die Bezeichnung verdient hat, ein Massenmörder und Kriegsverbrecher zu sein? Einhunderttausend? Mehr als genug, würde ich meinen. Deshalb ist es nur gerecht, dass Bush und Blair vor den Internationalen Strafgerichtshof kommen. Aber Bush war clever. Er hat den Internationalen Strafgerichtshof gar nicht erst anerkannt. Für den Fall, dass sich ein amerikanischer Soldat oder auch ein Politiker auf der Anklagebank wiederfindet, hat Bush damit gedroht, die Marines in den Einsatz zu schicken. Aber Tony Blair hat den Gerichtshof anerkannt und steht für ein Gerichtsverfahren zur Verfügung. Wir können dem Gerichtshof seine Adresse geben, falls er Interesse daran hat. Sie lautet Number 10, Downing Street, London.

    Der Tod spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle. Für Bush und Blair ist der Tod eine Lappalie. Mindestens 100.000 Iraker kamen durch amerikanische Bomben und Raketen um, bevor der irakische Aufstand begann. Diese Menschen sind bedeutungslos. Ihr Tod existiert nicht. Sie sind eine Leerstelle. Sie werden nicht einmal als tot gemeldet. „Leichen zählen wir nicht“, sagte der amerikanische General Tommy Franks."

  • F
    Florentine

    "Anklage des Strafgerichtshofs gegen Gaddafi ist positives Signal". Solange kein US-Amerikaner angeklagt werden darf, weil die USA diesen sogenannten Gerichtshof unter Androhung militärischer Gewalt überhaupt nicht anerkenen, ihn aber zu ihren eigenen Interessen je nach Bedarf aktivieren, werden wir mit lobenden Aussagen über diese Vorgänge veräppelt.

  • A
    Asuncion45

    Ich bin entsetzt! Wie kann ein solcher Haftbefehlt ein positives Signal aussenden? Das genaue Gegenteil ist der Fall. Der Haager Gerichtshof verdeutlicht wieder einmal unter wessen Knute er steht und dass sein Handeln mit Recht oder Gerechtigkeit nicht das Geringste zu tun hat. Warum werden Bush oder andere amerkikanische Kriegsverbrecher wie Kissinger etwa, nicht angeklagt? Warum wird letzterer nicht inhaftiert, wo doch gegen ihn bereits ein internationaler Haftbefehl vorliegt? Im Falle Ghadafi zeigt das Gericht zweifelhaften Mut! Immerhin hat die Nato das Land unter Bruch des Völkerrechtes und der Statuten der UNO angegriffen, einen Bürgerkrieg provoziert und sich auf die ihr genehme Seite einer Kriegspartei gestellt. Sie hilft nicht dem lybischen Volk wie eine Massendemonstration für Ghadafi zeigt. Es geht nicht um Freiheit, es geht um Öl und Wasser.

    Das Tribunal in Den Haag demontiert sich selbst. Es sollte aufgelöst werden!