Ricardo Cristof Remmert-Fontes
Moin Daniel,
interessante These. Aber nein, wenn sich das Konstrukt der "Transparent society" (vgl. David Brin) anschaut, dann kann man feststellen, daß es, nun, konstruiert ist.
Der Mensch braucht in bestimmten Bereichen Transparenz, es ist Teil sozialer Interaktion: man öffnet sich dem Gesprächspartner, Freunden, Familie, um eine Kommunikation überhaupt zu ermöglichen. Ja, Kommunikation ist ja ein Instrument zur Herstellung von Transparenz. Der Mensch muss und will sich mitteilen, um sozial zu interagieren. Natürlich.
Persönlichkeitsbildung und Selbstbewußtwerdung findet in dieser Kommunikation statt.
Aber diese Persönlichkeitsbildung benötigt auch Phasen der Reflexion ohne äußere Reizeinwirkung. Der Mensch braucht dafür Rückzugsräume, die Privatsphäre also, um sich nicht im externen Bezugsrahmen zu verlieren, um die Persönlichkeitsdefinition nicht vollständig zu externalisieren. Denn ein Individuum wäre kein Individuum, wenn es nicht zwischen internalisiertem und externalisierten Leben, zwischen Innen- und Aussenwelt unterscheiden könnte.
Die vollständig transparente Gesellschaft wäre die Aufgabe des Individuellen Bewußtseins zugunsten eines Kollektivbewußtseins. Eine Schwarmintelligenz also, oder besser: eine difusse Bewußtseinswolke. Davon sind wir aber evolutionär möglicherweise Millionen Jahre weit entfernt, wenn es denn überhaupt möglich wäre. Der Wunsch also nacheiner vollständig transparenten Gesellschaft also ist in der Konsequenz der Wunsch nach Selbstaufgabe, nach einem irgendwie gearteten globalen Kollektivbewußtsein. Mithin ist es ein esoterischer Wunsch.
Wir aber müssen die Lebenswirklichkeit und die rechtlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen an diese Lebenswirklichkeit anpassend, gestalten. Im Hier und Jetzt, unter Berücksichtigung "natürlich gegebener" Bedürfnisse. Dazu zählt das Menschenrecht auf Privatsphäre, privaten Raum, private Kommunikation.
Und natürlich muss es eine Gewissens- und GedAnkenfreiheit geben können, die mit einer Abschaffung des Privaten nicht möglich wäre: Beteiligung an Gesellschaft und Gemeinschaft ist ja auch immer Lösungssuche. Und doese Lösungssuche muss sich im Gedanklichen frei von Restriktionen entwickeln können, bis sie reif zur Diskussion ist. Lösungsorientiertes Arbeiten allerdings bedeutet immer, daß alle möglichen Lösungsansätze in Erwägung gezogen werden (müssen), um die Tauglichen Lösungen zu ermitteln. Und das bedeutet auch, daß die Vernunft uns nachgerade dazu zwingt, auch möglicherweise schädliche Lösungsansätze zu debken - und sei es, sie fundiert widerlegen zu können.
Wenn es aber die totale Transparenz gäbe, müsste schon die gedankliche Beschäftigung mit schädlichen (oder strafrechtlich relevanten) Ansätzen geahndet werden, denn die der Gedanke wäre öffentlich und damit eine konkrete potentielle Bedrohung, aug die zu reagieren wäre. Die Gedanken müssen also in einer demokratischen Gesellschaft frei sein, nicht nur aus ethischen erwägungen, sondern auch aus Gründen der Lösungseffizienz.
Nun, und leztenendes ist das Geheimnis der Hort der Romantik, der Raum, in dem Träume sich entfalten können. Und was wäre das Leben ohne Romantik und ohne Träume?
Die Welt wäre steril und tot.
Viele Grüße,
Ricardo Cristof Remmert-Fontes
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