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Gedanken über Schmidt & PocherIm Zweifel Schmidt

Licht, Weg und Bullshit: Warum Harald Schmidt in seiner neuen Sendung großartiger ist denn je.

Es ist Zeit für ein Machtwort: Harald Schmidt ist in seiner neuen ARD-Sendung "Schmidt und Pocher" großartiger denn je. Basta. Seltsamerweise scheint in der Medienmitläuferelite die entgegengesetzte Meinung mehrheitsfähig zu sein - und das, obwohl Kurt Kister (SZ) meines Wissens gar keinen entsprechenden Kommentar vorgedacht hat. Selbst der Post-Aust-Spiegel glaubt sich nah an der Gesellschaft dran, wenn er heute mit wahnsinniger Zivilcourage das Ende der Sendung fordert. (Was erwarten lässt, dass spätestens übernächste Woche eine Schmidt-Eloge erscheint).

Ich bin nicht Schröder und bestehe nicht darauf, dass meine Interpretation alternativlos ist. Aber: Was Schmidt so spannend macht, ist ja gerade seine dysfunktionale neue Umgebung. Andrack und Natalie waren seine Geschöpfe, Teile des Universums Schmidt, immer wieder gut für einen Restwitz oder eine Mini-Erweiterung des Gesamtwerks. Aber im Wesentlichen ausgebeutet wie Schmidts Rolle als turbokapitalistischer "Chef" und all die Bildungsspielchen, Schwabizismen-Dadaismen und seine wahre Jugend als pickliger Brillenträger, der keine Mädchen abkriegte.

Oliver Pocher gehört nicht zu Schmidts Welt. Er gehört unter den jungen Comedians des deutschen Fernsehens zu den sogenannten Talenten. Es hat etwas Rührendes zuzusehen, wie er sich als Stand-up-Praktikant am Anfang der Sendungen abmüht. Manchmal lache ich auch. Wenn er wieder angestrengt nach unten blickt, um seinen Text zu suchen oder eine Pointe.

In dem Moment aber, da Schmidt auf der Bühne erscheint, wird erst richtig sichtbar, was der andere ist: ein Blödmann. Auf dem Blödometer längst nicht so weit oben wie ein ARD-Intendant, der das Nazometer nicht kapiert, aber eben auch kein unpolitischer Blödmann, sondern einer, der gerne nach unten austeilt. Motto: Immer auf die noch Kleineren. (Der Schaden hält sich aber dank seiner Zwergenhaftigkeit in Grenzen.)

Anfangs dachte ich: Warum macht denn Schmidt nicht mehr selbst den Stand-up-Teil, der kann das doch viel besser? Warum macht er fast nichts? Inzwischen weiß ich: Schmidt hat sich das Humorniveau des deutschen Fernsehens in die eigene Sendung geholt. Um sich davon abzugrenzen und davon abzuheben. Es ist frappierend und (tatsächlich) genial, wie das funktioniert, selbst wenn er nur danebensitzt und zusieht. Und zwar nicht nur, wenn Pocher seine - aus seinem Geburtsjahr zu erklärende - relative Unbefangenheit (Gleichgültigkeit?) gegenüber Auschwitz in einen schlechten Witz verwandelt, sondern selbst dann, wenn ihm für seine Verhältnisse etwas gelingt. Und er dann mit hündischem Blick nach einem lobenden Blick seines Herren hascht.

Wie Pocher für die haltungslosen, neokonservativen Comedians steht, so steht der Kabarettist Dr. Hirschhausen für den bemitleidenswerten Anachronismus des deutschen Nummernkabaretts. Je länger man Pocher und Hirschhausen hampeln sieht, desto offensichtlicher wird, wie wertvoll und solitär dieser Inhalt "Schmidt" ist, wie tiefgründig, wie politisch und menschenfreundlich und im moralischen Sinne gut und vor allem, von welch hoher Unterhaltungsqualität.

Der entspannt zusehende und aushaltende "Schmidt" ist nicht die Utopie, dass manches in dieser Gesellschaft und Welt besser sein könnte, sondern "Schmidt" ist das Wissen, dass es besser geht - grade auch im Hier und Jetzt, also im Kapitalismus, im deutschen Fernsehen und in der Königsdisziplin allen Seins: dem menschenfreundlichen Humor. Er muss das nicht mehr wöchentlich neu beweisen, er ist der Beweis.

Aber nun kommt erst das Beste: Dieser Schmidt ist kein furchtbarer deutscher Moralapostel. Er verdammt Pocher nicht wie Thierse Kohl verdammt oder Kister Thierse oder Kerner Herman oder wie Herman und Westerwelle die 68er verdammen oder die 68er ihre Eltern und Westerwelle. Oder wie ich Pocher verdamme und wie wir alle Joschka Fischer und Stefan Aust verdammen.

Nein, Schmidt verdammt Young Pocher nicht, er droht ihm nicht, er schreit nicht rum, er sieht Pocher eine Stunde lang gnädig zu. Und irgendwann hat man es verstanden: Das hier ist ein Bildungsroman.

Harald Schmidt sitzt sich hier den Arsch ab, weil er an das Gute glaubt - in Oliver Pocher. Und das muss es geben, denn sonst hätte er ja Mario Barth nehmen können. Die Sendung kann also gar nicht abgesetzt werden. Sie ist ein großes, humanistisches Unternehmen.

Erst wenn der Tag kommt, da Schmidt sich von Pocher nicht mehr menschlich und professionell abgrenzen muss, kann er aufstehen und weggehen. Denn dann wird es gut sein - aber auch langweilig.

Falls Sie jetzt unsicher sein sollten: Wo ist das Licht, wo der Weg und wo der Bullshit?

Es gibt ein einfaches Prinzip: Im Zweifel Schmidt.

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