Canisius-Kolleg: Jesuiten droht Sammelklage
Opferanwälte bereiten nach den Missbrauchsfällen Zivilklage gegen den Orden vor. Auch an staatlichen Schulen wurden Fälle bekannt.
Anwälte planen, Fälle von sexuellem Missbrauch am Canisius-Kolleg in Tiergarten in den 70er- und 80er-Jahren doch noch vor Gericht zu bringen. Die Rechtsanwältin Manuela Groll erklärte am Donnerstag, sie bereite im Auftrag eines Opfers eine Zivilklage vor. "Ich halte die Aussichten für sehr erfolgreich", so Groll. Zwar seien die Fälle in strafrechtlicher Hinsicht verjährt, zivilrechtlich sei aber noch keine Verjährung eingetreten. Schadenersatzforderungen an die Schule und die kirchliche Trägerinstitution seien möglich.
Vorige Woche war bekannt geworden, dass zwei Patres an der von Jesuiten geführten Privatschule zwischen 1975 und 1983 mindestens 20 Schüler missbraucht hatten. Auch in anderen Jesuitenschulen wurden Missbrauchsfälle bekannt, ein dritter ehemaliger Pater hat sich als Täter bekannt. Ein Opferanwalt will nun eine Sammelklage gegen den Jesuitenorden in den USA prüfen. "Sollte sich bestätigen, dass ehemalige Schüler die amerikanische Staatsbürgerschaft haben, wäre eine Sammelklage in den USA, anders als in Deutschland, möglich", sagte Rechtsanwalt Lukas Kawka am Donnerstag.
Eine erfolgreiche Sammelklage werde nach Einschätzung des Anwalts desaströse finanzielle Konsequenzen für den Orden haben. Der Missbrauch stelle "kein individuelles, sondern ein kollektives Versagen" dar, sagte Kawka. Daher müsse es "spürbare schadenersatzrechtliche Sanktionen" geben.
Die Jesuiten versichern unterdessen, im Umgang mit Missbrauch einen neuen Kurs eingeschlagen zu haben. "Aufklärung, Transparenz und die Perspektive der Opfer stehen für uns an oberster Stelle", betonte Jesuitensprecher Thomas Busch gegenüber der taz. Gemeinsam mit den Opfern wolle der Orden juristische Grundlagen für eine Entschädigung prüfen. "Ich denke, dass wir alle bei diesem Thema sensibler geworden sind", sagte Stefan Dybowski, Missbrauchsbeauftragter des Bistums Berlin, am Donnerstag. Er rechnet damit, dass weitere Fälle bekannt werden, denn "wenn einmal jemand den Mut findet, darüber zu sprechen, dann macht das auch anderen Mut".
Auch an staatlichen Schulen gibt es Missbrauch. In der Senatsbildungsverwaltung seien in den letzten zehn Jahren 17 Verdachtsfälle von sexuellem Missbrauch angezeigt worden, sagte ein Sprecher. 10 davon hätten sich später als begründet herausgestellt. (taz, dpa, ddp)
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