Verkehrspolitik der Linkspartei: A 100 bald auf beiden Spuren dicht
Beim Parteitag der Linken am Samstag ist eine große Mehrheit gegen den Weiterbau der A 100 zu erwarten. Die SPD hatte bereits vor einem Jahr dagegen gestimmt. Damit wächst der Druck auf die Senatorin.
Ingeborg Junge-Reyer müht sich, vor dem Parteitag des Koalitionspartners Linkspartei gelassen zu wirken. Aber so richtig klappt das nicht. Nur kurz angebunden und kryptisch antwortet die SPD-Verkehrssenatorin auf die Frage, inwiefern sie von einem zu erwartenden ablehnenden Votum zur A 100 beeinflusst wird. Als Senatorin habe sie Beschlüsse von Parteien zu würdigen, sagt sie, "das ist alles". In der Koalition sehen das viele anders: Denn ab Samstag wird wohl es zwei Parteibeschlüsse gegen die A 100 geben. Bereits im Mai 2009 hatte die SPD mit knapper Mehrheit gegen die Verlängerung gestimmt.
Nach Plänen von Junge-Reyer soll die A 100 vom Autobahndreieck Neukölln aus über 3,2 Kilometer durch Treptow-Köpenick führen, Verkehr aus den dortigen Wohngebieten ziehen und den zukünftigen Internationalen Flughafen "Willy Brandt" besser anbinden. Die Kosten von rund 420 Millionen Euro will fast komplett der Bund zahlen.
Tatsächlich gibt es in Treptow-Köpenick viele Anwohner, die über belastende Staus klagen und den Weiterbau fordern. Die Diskussionen kreist im Kern darum, dass der aktuell diskutierte 16. Bauabschnitt abrupt an der Elsenbrücke über die Spree enden würde und die A 100 im Falle eines späteren Weiterbaus in breiter Schneise durch Friedrichshain führen wird. Kritiker befürchten ein dauerhaftes Verkehrschaos an der Brücke.
Zu den Befürwortern in Treptow-Köpenick gehört auch der dortige Bezirksverband der Linkspartei. Im Landesverband aber ist er in dieser Frage weitgehend isoliert, obwohl ihm fast jedes siebte der über 9.000 Parteimitglieder berlinweit angehört. "Wir haben Dauerstau; eine bessere Lösung als den A 100-Weiterbau hat bisher keiner vorgeschlagen", sagte Bezirksparteichef Marko Tesch der taz.
Er könne ja durchaus einige Gegner verstehen, so Tesch: Jene etwa, die Autobahnbau grundsätzlich für schlecht halten; und jene im Nachbarbezirk, für die die Verlängerung zusätzlichen Stau bringen könnte. Kein Verständnis habe er aber für Äußerungen, der Flughafen werde nicht für nennenswert mehr Verkehr sorgen. "Das ist Ignoranz, das brauche ich nicht", so Tesch.
Der Landesverband der Partei hatte das Thema A 100 bereits Mitte März bei einem Verkehrskongress eher ablehnend diskutiert. Dort galt eine Durchgangsstraße weiter östlich, die sogenannte Tangentialverbindung Ost, als Alternative. Der von der Linkspartei gestellte Wirtschaftssenator Harald Wolf hatte sich dieser Auffassung allerdings nicht anschließen mögen.
Bekannteste Stimme der A 100-Gegner in der Linkspartei ist die verkehrspolitische Sprecherin der Fraktion, Jutta Matuschek. Sie gehörte bis Ende 2009 dem pro A 100 eingestellten Bezirksverband Treptow-Köpenick an, wechselte dann nach Friedrichshain-Kreuzberg. Das sei zwar vor allem deshalb geschehen, weil sie dort seit Jahren wohne, so Matuschek. "Ich gebe aber zu, dass es schwierig ist, politisch zu agieren, wenn es im eigenen Bezirksvorstand und in der Fraktion in der Bezirksverordnetenversammlung in zentralen Fragen seit Jahren eine grundsätzlich andere Haltung gibt."
Nach dem zu erwartenden ablehnenden Beschluss zur A 100 - "ich gehe von einer breiten Mehrheit aus" - kündigt Matuschek Gespräche mit der SPD an. Denn im Koalitionsvertrag beider Parteien ist der Weiterbau festgeschrieben, und darauf hat die Verkehrssenatorin bisher gepocht. Bei einer Änderung würde diese Grundlage entfallen.
Viel Zeit für eine Klärung bleibt nicht. Bei Linkspartei und SPD geht man davon aus, dass Junge-Reyer noch vor der Sommerpause im Parlament bislang gesperrte Planungsgelder für die A 100 verlangen wird. Spätestens dann müssen sich die Fraktionen entscheiden, ob sie ihren Senatsmitgliedern folgen oder ihrer Parteibasis.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!