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Stuttgart kämpft gegen HitzeFrische Luft für heiße Tage

In der schwäbischen Metropole gibt es bald Temperaturen wie in Italien. Die Stadt pflanzt Bäume und begrünt Dächer, um für Abkühlung zu sorgen.

Bald wie in Rom: Heiße Sommerabende in Stuttgart. Bild: suschaa / "photocase"

Wenn Japaner zu sehr ins Schwitzen geraten, holen sie sich Rat bei Ulrich Reuter. Er arbeitet in der Abteilung Stadtklimatologie des Amts für Umweltschutz in Stuttgart. Eine Abteilung, die es schon seit 1938 gibt und als Vorreiter gilt, wenn es darum geht, "Hitzestress" in einer Großstadt möglichst zu vermeiden. Denn im Zuge des Klimawandels könnte ein Hitzesommer wie 2003 in der baden-württembergischen Landeshauptstadt zur Regel werden.

"In hundert Jahren herrscht in Stuttgart ein Klima wie in Florenz oder wie in Rom - je nachdem ob wir das Zweigradziel im Klimaschutz erreichen oder nicht", sagt Andre Baumann vom Umweltverband Nabu in Baden-Württemberg. Das Zweigradziel gilt unter Experten als die entscheidende Marke: Sie halten die Folgen des Klimawandels nur dann für beherrschbar, wenn sich die Erderwärmung auf zwei Grad beschränkt.

Ändern wird sich das Klima in jedem Fall - und darauf bereiten sich die Beamten in den Stuttgarter Behörden vor. Die Maßnahmen, die Reuters Abteilung wählt, scheinen relativ simpel zu sein - und doch können sie in Zukunft für eine überhitzte Großstadt enorm wichtig sein. Zum einen will die Landeshauptstadt möglichst viele Flächen begrünen. Angefangen von oberirdischen Parkplätzen über Mülltonnenstellplätze bis hin zu Flachdächern. "Nichtasphaltierte Flächen sind einfach deutlich kühler, besonders bei Dachflächen. Letztgenannte können sich ohne Grünbewuchs bis zu 90 Grad aufheizen", sagt Reuter.

Geld für grüne Dächer

So hat die Stadt von 1986 bis Ende 2009 mit rund 1,1 Millionen Euro die Begrünung von privaten Dächern gefördert. In 428 Projekten wurde insgesamt eine Dachfläche von 65.000 Quadratmetern bepflanzt. Ende 2009 ist das Förderprogramm allerdings eingespart worden.

Doch Begrünung ist nicht alles. Die Stuttgarter setzen zum anderen auf sogenannte Frischluftschneisen. Dabei nutzen sie ein Phänomen, das überall dort auftritt, wo es Berge und Täler gibt. Die Stuttgarter Innenstadt liegt im Talkessel, wodurch sich dort die Wärme staut und sich die Häuser selbst nachts nicht richtig abkühlen können. Das höher gelegene Umland hingegen kühlt sich wesentlich stärker ab, das gilt vor allem für Wiesenflächen und Wälder. Da die kühle Luft wiederum schwerer ist als warme Luft, strömt sie hinunter ins Tal. "Um diesen Effekt optimal nutzen zu können, sollte möglichst dort, wo Kaltluft abfließt, nicht gebaut werden", sagt Reuter.

"Sonst stünde das Gebäude der Luft sozusagen im Weg." Darüber muss letztlich der Stuttgarter Gemeinderat entscheiden. "Der muss natürlich verschiedene Belange vergleichen, auch wirtschaftliche", so Reuter. "Aber die Klimaziele werden bei Entscheidungen immer wieder stark berücksichtigt." Bei zu starken Konflikten seien auch Kompromisse denkbar, etwa ein Gebäude in der Luftschneise nicht zu hoch zu bauen oder es parallel zum Luftstrom zu setzen.

In Stuttgart gibt es mittlerweile drei Hauptfrischluftschneisen, darüber hinaus aber zahlreiche weitere, ungeordnete Taleinschnitte. "Letztlich machen wir das, was wir getan haben, um das Stadtklima zu verbessern - lange bevor der Klimawandel im Gespräch war", sagt Reuter. Viele andere Städte hätten sich dagegen in der Vergangenheit selten um Frischluftschneisen gekümmert. Um den Rückstand aufzuholen, rufen heute die Bürgermeister bei ihm an - auch aus Spanien, Hongkong oder Südkorea.

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5 Kommentare

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  • UW
    Ute Weiberle

    Nach der Lektüre dieses Artikels könnte man meinen, Stuttgart sei eine Musterstadt in Sachen Ökologie und Stadtentwicklung. Das Gegenteil ist der Fall. Gerade wegen der Kessellage Stuttgarts sind die Frischluftschneisen einerseits existentiell für das Leben der Menschen in der Stadt, andererseits aber stetigen Begehrlichkeiten ausgesetzt. So wird viel zu häufig von bestehenden Flächennutzungsplänen abgewichen und einer Ausnahme-Bebauung zugestimmt.

    Und damit nicht genug! In Stuttgart sollen in Kürze im Zuge der Bauarbeiten für den Durchgangsbahnhof Stuttgart 21 im Mittleren Schlossgarten mehr als 280 alte Bäume mit bis zu fünf Metern Stammumfang gefällt und damit eine wesentliche Frischluftschneise verkürzt werden. Ausgleichsmaßnahmen werden für die Zeit nach der Fertigstellung angekündigt, folglich für die Zeit zwischen 2020 und 2025. Aber schön, dass bis 2009 die Begrünung von Garagen gefördert wurde. Chapeau!

  • AW
    Anja Wenke

    leider wird in diesem Artikel nicht erwähnt, daß durch den Bau von Stuttgart 21 - gegen den Willen eines Großteils der Bevölkerung - ein großer Teil des grünen Schlossparks im Zentrum der Stadt zerstört und eine der wichtigsten Frischluftschneisen zugebaut werden soll.

     

    Sollte es tatsächlich zum Bau von Stuttgart 21 kommen, wird das Ziel einer Erwärmung um höchstens 2 Grad mit Sicherheit nicht erreicht werden und die Stuttgarter Bevölkerung wird im Sommer im Talkessel geschmort.

  • P
    planb

    Vor kurzem kam im TV ein kurzer Bericht, nachdem Stuttgart die heisseste Stadt in der BRD ist (wegen Kessellage, Birkenkopf, Gleisanlagen etc.), positiv erwähnt wurde dagegen Jena. Stuttgart kam sehr schlecht weg, im Gegensatz zu diesem Artikel. Und es werden immer wieder Luftschenisen zugebaut z.B. in Gablenberg Richtung Buchwald.

  • IK
    Ingrid K.

    Ein guter Schritt in diese Richtung - noch dazu völlig kostenfrei - wäre, die 282 alten Bäume, die für das Prestigeprojekt Stuttgart 21 im mittleren Schlossgarten fallen sollen, stehen zu lassen.

     

    Diese Bäume sind für uns Stuttgarter unersetzlich, denn sie mildern CO2- und Feinstaubbelastung an "Deutschlands schmutzigster Ecke", dem Neckartor, wenigstens einigermaßen ab.

    Es würde auch herzlich wenig nützen, neue Bäumchen irgendwo am Stadtrand zu pflanzen, denn bis diese so leistungsfähig sind wie die jetzigen Großbäume, vergehen gut und gerne 50 - 70 Jahre.

     

    Die bisher geplante Bebauung mit monströsen Betonklötzen hinter dem Bahnhof würde ein Übriges dazu tun, die ohnehin gefährdete Frischluftschneise, durch die nachts kühlere Luft von Stuttgart nach Bad Cannstatt fließen kann, vollends zu blockieren.

     

    Dachbegrünung und neue Bäume: wunderbar! Aber einerseits kräftig für Stadtbegrünung zu werben (im März 2011 ist Landtagswahl in B-W!) und andererseits einen großen Teil des mittleren Schlossgartens abzuholzen für ein Projekt, das die Mehrzahl der Stuttgart vehement ablehnt - das passt nicht zusammen und trägt nicht zur Glaubwürdigkeit der Landtagsabgeordneten bei.

     

    Gut, dass diese Art der Augenwischerei inzwischen schnell durchschaut wird und niemanden mehr überzeugt!

  • M
    Marie

    In dem Artikel steht, dass die Stadt Stuttgart Bäume pflanzt. Das ist erstaunlich: hat sie sich doch als Ziel gesetzt, über 280 alte, gesunde Bäume noch in diesem Jahr zu fällen, im Zentrum der Innenstadt, dem Schlossgarten beim Bahnhof - wegen dem unsinnigen Stuttgart-21-Projekt, das hoffentlich noch rechtzeitig gestoppt wird. (passend dazu mein spamvermeidungswort "bahn"...)