Krieg im Gaza-Streifen: "Es muss weitere friedliche Demonstrationen geben"
Der in Palästina geborene SPD-Abgeordnete Raed Saleh ruft zu mehr Protest gegen den Krieg im Gazastreifen auf, um Druck auf Israel auszuüben
taz: Herr Saleh, Sie sind mit fünf Jahren aus Palästina nach Berlin gekommen, Sie haben Onkel und Tante im Westjordanland. Was empfinden Sie angesichts der Bilder vom Krieg im Gazastreifen?
Raed Saleh: Das ist alles sehr erschreckend und besorgniserregend für mich - ich war ja vergangenen Sommer noch im Westjordanland. Ich mache mir umso mehr Sorgen, weil ich denke, dass der Konflikt auf andere Regionen überschwappen wird.
Am Samstag haben 7.500 Menschen vor dem Roten Rathaus gegen die israelischen Luftangriffe protestiert - Sie auch?
Leider nicht. Ich wäre dabei gewesen, wenn ich nicht einen unaufschiebbaren anderen Termin gehabt hätte. Aber ich finde es sehr, sehr gut, dass so viele ihr Demonstrationsrecht genutzt haben.
Die palästinensische Gemeinde Berlin als Organisatorin hat in ihrem Demo-Aufruf von einem "israelischen Blutbad" in Gaza gesprochen. Wäre das auch Ihre Wortwahl?
Was da passiert, ist absolut inhuman und eine nicht hinzunehmende Verletzung des Völkerrechts, eine systematische Bombardierung der Zivilbevölkerung.
Jenseits der Demonstration - wie sehr bewegt das Thema Berliner Palästinenser und jene, die dort ihre Wurzeln haben?
Was ich von Freunden und Bekannten höre, die aus der arabisch-islamischen Welt stammen, deckt sich mit meiner Gefühlswelt: Da gibt es ein tiefes Unverständnis und Verzweiflung, dass so etwas im Jahre 2009 vor den Augen der Weltöffentlichkeit passieren kann.
Wird das, was jetzt im Gazastreifen passiert, dazu führen, dass sich in Berlin antisemitische Tendenzen verstärken?
Ich hoffe, dass Vereine und sonstige Strukturen auf ihre Mitglieder dahingehend einwirken können, dass sie differenzieren zwischen der Politik des Staates Israel und den einzelnen Menschen, damit es nicht zu einer antisemitischen Stimmung kommt.
Was bleibt Ihnen als SPD-Landespolitiker, außer die Faust in der Tasche zu ballen und auf ein baldiges Ende des Krieges zu hoffen?
Ich kann immerhin jeden dazu aufrufen, zu protestieren. Es muss weitere friedliche Demonstrationen geben, der Protest muss auf der Straße bleiben. Nur so kann der Druck auf Israel wachsen, die Angriffe zu beenden und genauso auch das Embargo gegenüber dem Gazastreifen aufheben.
Haben Sie wirklich Hoffnung darauf?
Ich glaube, dass die Mehrheit in Israel und Palästina weiß, dass dieser sechs Jahrzehnte alte Konflikt militärisch nicht zu lösen ist und sich nur diplomatisch mit einer Zwei-Staaten-Lösung beenden lässt.
Macht denn Ihre Partei - sie stellt immerhin den Bundesaußenminister - genug in diese Richtung?
Die SPD müsste mehr auf eine Mittlerrolle drängen. Deutschland hat bei Arabern wie bei Israelis einen sehr guten Ruf. Wenn ein Land erfolgreich vermitteln könnte, dann Deutschland.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland