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SPD-DebakelTödliche Umarmung

Das Debakel der SPD ist eine Folge der Agenda 2010 – Symptomatisch Schröders Parole "Erst das Land, dann die Partei". Nun muss die SPD lernen, mit der Linkspartei umzugehen.

Keine klare Linie - In der SPD ist ein Richtungsstreit entbrannt. Bild: ap

Die historische Niederlage der SPD wurde am Vorabend des höchsten jüdischen Feiertages, des Versöhnungstages, offenbar. Dieser Feiertag erheischt Gottes Gnade und die Bereitschaft der Sünder, bei ihren Mitmenschen um Vergebung einzukommen. Anders als das lutherische Christentum setzt das Judentum auf die menschliche Bereitschaft zur Umkehr, zur "Teschuva".

Die ersten Reaktionen altgedienter Sozialdemokraten - etwa von Egon Bahr -, aber auch gegenwärtiger Funktionsträger wie Frank-Walter Steinmeier erweckten nicht den Eindruck, dass man zur Umkehr bereit sei; vielmehr wurde hier - Bahr - eine bräsige Selbstzufriedenheit und dort - Steinmeier - eine gespenstisch wirkende Aufgeräumtheit demonstriert, die in groteskem Gegensatz zum erfahrenen Debakel stand. Ansonsten auf allen Kanälen hektische Betriebsamkeit im Vorgriff auf einen Parteitag im November.

Dabei wird dann nichts mehr entschieden. Über das Schicksal der SPD werden die nächsten Wochen in Saarbrücken, Erfurt und Potsdam befinden. Nur Koalitionen mit der Linkspartei in allen drei Ländern können beweisen, dass die SPD aus ihren Fehlern gelernt hat. Kann es doch jetzt nicht darum gehen, abzuwarten, sondern einzig darum, die Linke über Regierungsverantwortung in ein sozialdemokratisches Projekt für das 21. Jahrhundert zu holen. Hic Rhodus, hic salta!

Dabei ist Saarbrücken ein klarer Fall - die Grünen werden dort auf Jamaika verzichten müssen, wenn sie nicht in den Strudel der Niederlage hineingerissen werden wollen. In Brandenburg ist der Wählerwille eindeutig: Eine strukturelle, gesellschaftliche Mehrheit will Rot-Rot. Die Linkspartei dort zur stärksten Oppositionspartei zu machen, würde die SPD in thüringische Verhältnisse führen. Aber in Erfurt wird Christoph Matschie die einem erwachsenen Menschen zumutbare Bereitschaft aufbringen müssen, auf das Amt des Ministerpräsidenten und eine weitere Demütigung der Linkspartei zu verzichten. Er kann an den Ergebnissen im Bund ablesen, was einer SPD widerfährt, die als Juniorpartnerin der Union fungiert.

So viel zur Zukunft. Der Blick in die Vergangenheit aber lässt nicht den geringsten Zweifel daran, dass die Niederlage die verspätete Quittung für Hartz IV und die Rente mit 67 ist. Dass es vor vier Jahren zu einer großen Koalition kam, ist nur Gerhard Schröder zu verdanken, der als Rampensau einen fulminanten Wahlkampf gegen sich selbst und die SPD damit in die tödliche Umarmung mit der CDU/CSU führte. Das Verdrängte kehrt jedoch wieder: Die Ursache für das Debakel zeigt sich auch schlichtestem Denken: Eine Partei, die Politik gegen die eigene WählerInnenschaft betreibt, kann mittelfristig nur verlieren.

Bohrt man noch tiefer, so stößt man auf einen sozialphilosophischen Fehler und damit wieder auf Gerhard Schröder. Kein platter Psychologismus ist, zu behaupten, dass es Schröder als historische Figur, als Verdichtung einer spezifischen Konstellation war, die die SPD ruiniert hat. Die Gestalt des erfolgshungrigen Aufsteigers, des ehemaligen Autokanzlers und jetzigen Erdgaslobbyisten verkörperte wie keine andere die verquere Idee, dass es Aufgabe der Sozialdemokratie sei, den "Tüchtigen" durch Chancengleichheit freie Bahn zu schaffen. Wahlsoziologisch appellierte die SPD damit an das schrumpfende Milieu aufstiegswilliger Angehöriger der unteren Mittelschicht - für eine gesellschaftliche Hegemonie rein quantitativ zu wenig. Schröder und Steinmeier stehen für den Fehler, die eigene Lebensgeschichte zur Blaupause für die gesamte Gesellschaft aufgebläht zu haben.

Systematisch äußerte sich dieser Fehler in Schröders Parole "Erst das Land, dann die Partei". Damit legte der mit Marx durchaus vertraute Exjusochef ein tiefgreifendes Missverständnis der Parteiendemokratie und einen Mangel an dialektischem Denken an den Tag. Der deutsche Ausdruck "Partei" kommt vom lateinischen "Pars" und bedeutet nichts anderes als "Teil". Das heißt: Eine linke Partei in einer Klassengesellschaft kann dem Gemeinwohl und damit der Gesellschaft nur dienen, indem sie offen und konsequent die partikularen Interessen der gesellschaftlich Schwächeren wahrnimmt. Stellt man Land und Partei in einen Gegensatz, ordnet gar das eine dem anderen unter, ist der Niedergang schon besiegelt.

Geht man in der Analyse noch weiter, so stößt man auf die bereits im Ansatz schiefe, dann politisch missverstandene Individualisierungstheorie. Schon bei Beck, Giddens und dem auf ihren Überlegungen beruhenden Papier von Schröder und Blair ließ sich der gesellschaftstheoretische Fehler erahnen: der Glaube, dass die Emanzipation der Individuen durch die Summe voneinander unabhängiger individueller Emanzipationsschritte geschehen könne - weswegen es nur noch um Beschäftigung und Chancengleichheit, um individuelles Fordern und Fördern gehe. Aber nein: Die weitere Emanzipation der Individuen kann nicht durch die Entfesselung der Konkurrenz zwischen ihnen, sondern nur durch Solidarität gewährende soziale Strukturen befördert werden.

In Saarbrücken, Erfurt und Potsdam wird sich erweisen, ob die SPD - und das heißt auch der angeblich gereifte Steinmeier - bereit ist, von jenem Irrweg abzukehren, der in Schröders Musikwunsch beim Abschiedszapfenstreich der Bundeswehr zum Ausdruck kam: Frank Sinatras "I did it my way!"

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19 Kommentare

 / 
  • KH
    Klaus Hoffman

    Ich lach mich tot.

    Schwarz/Gelb ????

    Jetzt haben 75% der Deutschen ihr eigenes Grab

    gegraben.

  • E
    Edelweiß

    Das Wahlergebnis ist real und es ist ein gutes Ergebnis. Übrigens sind Nichtwähler keine SPD- Wähler. Die Agenda 2010 scheint erst jetzt richtig zu wirken und die Folgen werden die SPD noch Jahrzehnte beschäftigen.

     

    Was von dem angekündigten Richtungswechsel zu halten ist, kann man derzeit in gut Thüringen beobachten.

     

    Auch die "neue" Parteispitze in der Steinmeier als Fraktionchef und der Agenda-Verfechter Olfa Scholz als Parteivize vertreten sind, zeigt deutlich das es sich um eine Mogelpackung handelt.

    Hauptsache der Seeheimer Kreis ist zufieden. Weiter so!

  • MH
    Michael Heinen-Anders

    Nicht vergessen werden, darf, dass das Konzept von Hartz IV von einem Automanager stammte, der als Zielgruppe den ungelernten Arbeiter im Kopf hatte.

     

    Tatsächlich aber sind viele ALG II-Empfänger sehr qualiiziert, das Märchen vom bildungsfernen Arbeitslosen hat noch nie gestimmt. Und auch unter Clement und Schröder wurde es nicht stimmiger.

     

    Die Krux an Hartz IV war, das man den ganzen Teil

    der gut qualifizierten Arbeitslosen einfach abgeschrieben hat. Und diese rächten sich jetzt durch Wahlenthaltung oder Abwanderung zur Linkspartei.

     

    Bislang hat die SPD kein Rezept für den Arbeitsmarkt, dass wirklich integrierend statt

    disziplinierend wirkt.

     

    Daher ist z.B. im eher liberal-konservativen Spektrum mit der Idee vom bedingungslosen Grundeinkommen eine konkurrierende Idee zur schleichenden Aushöhlung des Sozialstaatsprinzips entstanden, das nicht ohne weiteres ignoriert zu werden erlaubt. Auch die Grünen seien erinnert, dass derartige Ideen zu dem Fundus gehörten, aus dem sich die ökologische Bewegung vor ihrem abdriften in den neoliberalen Mainstream, gesellschaftlich konstituiert hat.

  • H
    Hamlet

    So kotzen wir Dich also an.

    Ich denke mal Du kotzt Dich nur selber an.

     

    Anscheinend bist Du unfähig Ursache und Wirkung

    des Wahlergebnisses zu analysieren.

    Hilflos mit den Armen rudern kann zunächst gegen

    weiteres Retardieren eines infantilen Gemüts

    helfen.

    Die Linke ist nur Ausdruck einer Dialektik mehr

    nicht.Sie ist Gegenreaktion auf die Agenda 2010.

    Die SPD war bereits Geburtshelfer der Grünen.

    Ursache war die Ignoranz und Lernunfähigkeit

    der neoliberal gewendeten SPD.

     

    Die SPD hat sich selber in diesen jetzigen

    Zustand hineingeführt.Sie ist ihr ureigenes

    Produkt.

    Fast solch ein Kunstprodukt wie Micheal Jackson.

  • GF
    Georg Fries

    Sehr interessant, wenn man den Artikel mit Micha Brumliks alten Artikeln vergleicht. Er schrieb gerne, früher, persönlich enttäuscht von "der Linken", die Zukunft sei "konservativ". In all den Jahren, als, für alle sichtbar, der Rechtsruck in Deutschland offensichtlich wurde, kam von Brumlik, wie von so vielen Kommentatoren, kein Wort dazu. Schon erstaunlich. Diese Art von Kommentaren hinkt jahrelang hinter der Realität hinterher, und auf solche Kommentatoren wird sich kein Aufbäumen gegen die drohende 2/3-Gesellschaft, die unter Schröder, Clement und Müntefering mit Hilfe der Grünen geschaffen wurde, zeigen. Selbstkritik wäre nötig, auch bei der taz, der FR oder der Süddeutschen, auch bei Brumlik, und die fehlt voll und ganz. Neue KommentatorInnen braucht eine um Gerechtigkeit kämpfende Minderheit.

  • T
    treichl-schorsch

    Ich (eigentlich grün) kann dieses ewige Genörgel an der SPD nicht mehr hören. Ich habe am Sonntag zum ersten Mal rot gewählt WEGEN Steinmeier! Ich fand es zutiefst unfair, dass die Partei, die in den letzten vier Jahren maßgeblich vernünftige Politik in Dtl. gestaltet hatte (und das war nicht die Union!) abgestraft werden sollte. Nur es kam dann doch noch viel schlimmer!

    Die Agenda 2010 war zu dem damaligen Zeitpunkt richtig. Kosovo war richtig, Afghanistan ebenso, Anti-Irak auch. Falsch waren v.a. unzählige taktische Dummheiten:

    a) Schröder in der Elefanten-Runde 2005 (vielleicht hätte man Merkel weg gekriegt, die viele Leute mit Politik-Verstand damals schon als sehr gefährliche Langzeit-Kanzlerin befürchtet hatten)

    b) die falsche Pokertaktik vor Beginn der Koalition 2005: Hätte die SPD sich erst mal massiv allen Unions-Drängen verschlossen, wäre die FDP vielleicht doch irgendwann umgefallen. Die SPD musste sich definitiv nicht als erstes bewegen. Münte & Co. haben es aber gemacht, weil sie dachten, Hauptsache dicke Ministerien, dann machen wir Angie schon platt!

    c) die peinliche Selbstverleugnung während der Regierungszeit: Die Parole "erst das Land, dann die Partei" im Zshang mit Hartz-Gesetzen ist definitiv nur deshalb ein Problem geworden, weil die SPD eben nicht dazu gestanden hat, dass Schröder an irgendeinem Punkt der Kanzler aller Deutschen gewesen ist.

    d) Andauernde und massive Unsolidarität unter den SPD-FührungspolitikerInnen

    e) das ungeklärte Verhältnis zur Linkspartei: mehr geprägt von persönlichen Animositäten gegenüber Lafontaine, der Angst vor der Unions-Rote-Socken-Kampagne und einem wenig analytischen Ansatz was zu tun ist.

    f) die falsche Pokertaktik in Hessen: Hätte Ypsilanti sich erst mal nicht bewegt und abgewartet, wäre der Druck auf Koch aus der Wirtschaft irgendwann so groß geworden, dass Koch abtreten hätte müssen. Es wäre der Weg frei gewesen für diverse Koalitionsmöglichkeiten ohne Wortbruch. Ypsilanti hat einfach die Nerven verloren. Plus Punkt d) Unsolidarität Plus Punkt e) ungeklärtes Verhältnis zur Linkspartei.

    g) einen u.U. pädophilen Ex-Internet-Experten in der Partei, der im entscheidenden Moment aus dem Weg geräumt wurde und damit koalitionsintern den Weg frei machte für die letzten Attacken gegen die Internet-Freiheit.

     

    FAZIT: Jetzt haben wir - auch wegen der ganzen tollen hyperkritischen Pseudolinken, die sich nicht erblödeten sogar massenhaft die Piratenpartei zu wählen - die FDP im Sattel, keinen ordentlichen Umweltminister auf der Konferenz in Kopenhagen, eine Renaissance der Atomlobby / -kraft sowie massenhafte Geschenke an reiche Erben.

     

    Ich danke allen komplett entsolidarisierten SPD-Bashern der letzten Jahre! Toll gemacht.

    Ich kann gar nicht soviel essen, wie ich ... möchte. Ich liebe Euch alle :-(

  • A
    Andreas

    Ein weiterer Aspekt wäre vielleicht, zu analysieren, warum die SPD nicht auf Signale (allen voran die zahlreichen Niederlagen nach der Agenda 2010) reagieren kann. Erst am Dienstag hat sich Steinmeier zum Fraktionsvorsitzenden wählen lassen, weil in der Fraktion eine Mitte-Rechts-Mehrheit vorhanden ist.

    Offenbar hat Steinmeier immer noch nicht realisiert, was Brumlik hier schreibt, dass die SPD in der großen Koalition satt verloren hat, dass die SPD schon vor vier Jahren sich hätte in der Opposition finden müssen.

    Aber das tat die SPD bzw. deren Führungsriege nicht, die setzten sich in Limousinen und an gedeckte Tische, freuten sich über Amtsbonus und Vergütungen, schienen nicht erreichbar für ihre Wähler und die blieben dann irgendwann zuhause oder wechselten.

    Ich denke, dass die SPD jetzt ein Problem mit ihren Reaktionsmustern hat. Die Entwicklungen sind bei einem Teil der Funktionäre und Mandatsträger gar nicht mehr wichtig, es wird einfach so getan, als wäre die Partei mehr als die Menschen, die sie wählen, die sie unterstützen und letztlich auch die, die bei ihr mitmachen. Die eklatanten Austrittswellen scheinen bei der SPD selber gar keine Reaktionen hervorgerufen zu haben.

    Jedenfalls wirkt die Partei so, als ob es normal ist, von fast einer Million Mitglieder unter die CDU/CSU zu rutschen.

    Ob dieser interne Abschottungsprozess oder NIcht-Reaktionsmusterprozess durch Landesregierunge unter Koalition mit den Linken durchbrochen werden können? Da habe ich meine Zweifel. Die SPD hat gerade gelitten, aber das war als Schock wohl noch nicht deutlich genug, mindestens für die 80 Prozent der SPD-Fraktion, die Steinmeier gewählt haben, obwohl 100 Prozent von denen wissen, dass er nicht die Statur eines Oppositionsführers hat. Steinmeier wird dadurch nochmals die Chance erhalten, die SPD weiter zu beerdigen, als ob sein verschlafener Wahlkampf nicht schon Ausfall genug gewesen wäre.

    Und das ist bei der SPD ein Prozess, der präzise bei der Flucht von Oskar Lafontaine aus dem Amt und Ämtern begann und seither die Partei prägt. Sie schottet sich gegen Erdbeben und Explosionen einfach ab. Steinmeier fehlt zu viel, warum er sich überhaupt das Amt des Fraktionsvorsitzenden sichert, weiss vermutlich nur er selber. Aus dem Lager von Müntefering/Steinmeier war zudem zu lesen, er hätte vorher auch den Parteivorsitz fordern sollen. Nach dem Motto alles in einer sicheren Hand.

    Aber diese Hand führ nur zu Niederlagen und Niedergang - wie ist es zu erklären, dass Politiker, die eine langjährige Erfahrung haben, einfach nicht verstehen wollen, dass ihr Kurs ins Nichts, in die Bedeutungslosigkeit führt?

    Viele Mitglieder der SPD-Fraktion werden in den nächsten Monaten staunen, wenn sie feststellen werden, dass sie in einer harten-bitteren Konkurrenz zu Profi-Oppositionellen (Grüne, Linke) stehen und dass diese Leute überhaupt nicht bereit sind, auf die SPD zuzugehen.

    Es wird mit harten Bandagen um Aufmerksamkeit, um Anerkennung und um inhaltliche Punkte gekämpft werden. Die SPD unter Steinmeier wird in einen extremen Stress geraten, weil es vielen Journalisten und Analytikern, vielen Wählern und Mitglieder gänzlich egal sein wird, ob gerade Nahles, Gabriel, Scholz oder Kahrs eine Fehde mit oder gegen oder im Verbund gegen X und Y austrägt. Die Reaktion wird einfach sein: Wer nicht im Ring steht, spielt auch keine Rolle. Begründungen interessieren nicht mehr.

    Die Politiker der SPD sind einfach mit dem Prozess nachlassender Macht nicht vertraut, dabei gibt es auch hier eine einfache Essenz: Es gibt weniger Spielräume.

    Wer weniger Macht hat, beeinflusst folglich auch weniger Entscheidungen, beeeinflusst weniger Wähler, Sympathisanten und hat nur bei den eigenen Mitgliedern ein Monopol. Für Steinmeier wird dies ein Lernprozess in einem Amt werden, dass er eigentlich so ausfüllen soll, als ob er nun aus der Situation das Beste machen will. Er wird das aber nicht verstehen können, sondern sich an Merkel, Westerwelle und Guttenberg aufhängen, auch wenn das ins Leere gehen muss. Der Punkt ist eben die Nicht-Einsichtigkeit der SPD-Spitze in den gegenwärtigen Macht- und Gestaltungsverlust der eigenen Partei. Lieber ignorieren, als reagieren führt zur Bedeutungslosigkeit.

  • RK
    Rüdiger Kalupner

    @Klaus Kosiek

    Das Projekt für das 21. Jahrhundert, nach dem Sie fragen, ist den deutschen Machtspitzen und auch der SPD- und LINKE-Spitze bekannt.

     

    Es besteht aus zwei Teilen: dem Exodus aus dem 2%-Wachstumszwang-Regime der HIGHTECH-Kapitalstockmaximierer und aus dem Übergang auf den KREATIVEN Akzelerationpfad des Evolutionsprozess-Systems. Letztere ist identisch mit der machtsystem-freien, KREATIVEN Gesellschaftsordnung mit allseits sich entwickelnden Menschen. Die uralte Utopie des Abendlandes steht also auf der Agenda der Weltpolitik-raus-aus-der-Wachstumabsturzkrise.

     

    Das Wirtschaftssteuerungsinstrumentarium dieser KREATIVEN Gesellschaftsordnung besteht in der evolutionsprozess-logisch zu Ende gedachten ÖKOLOGISCHEN Umfinanzierung der staatlichen und sozialen Leistungen - weg vom Faktor Arbeit und hin zu Energie- und Sachkapitalsteuern. Dieser Lösungsansatz beendet alle sozialen und politischen Fehlentwicklungen in den Industriestaaten - und damit die Machtgrundlagen vieler Institutionen.

     

    Das Wissen alle Partei- und IGMetall-Vorstände. Doch mit der Diskussion dieses Wissens riskieren sie die Auflösung der derzeitigen Parteienlandschaft und der wirtschaftlichen Macht-Lobby-Machtclans - einschl. der IGMetall-Vorständemacht. Deshalb schweigen alle.

     

    Da auch die Spitzen der GRÜNEN und auch Lafontaine schweigen, läuft alles auf Angela Merkel zu. Sie kann als einzige gewinnen, wenn sie den Gordischen Knoten im Rahmen der Lösungsversuche zur Beendigung der 6%-Wachstumsabsturzkrise zerschlägt. Sie müßte nur über ihr Exodus- und Übergangsprojekt-Wissen öffentlich reden.

     

    Wahrscheinlich wird sie vor den SPD-Wissenden tun.

  • BE
    Bitte einen Notarzt!

    Ist hier villeicht ein Arzt? Oder Ärztin? Wir haben da vielleicht gleich einen Notfall.

     

    Celine, Celine, mir ists ja auch manchmal zum Schreien, aber das bringt nichts, höchstens einen Herzkasper. Angenommen, die 1.4 Millionen SPD-Wähler, die es vorgezogen haben, bei der Linken und den Grünen ins Asyl zugehen, wären so wie die restlichen paar Millionen auch zuhause geblieben: Dann hätte Schwarz-Gelb jetzt nochmals zwei Prozente mehr.

     

    Und nur so am Rande: mein linker Bazillen-Vorsitzender hat am Wahlabend keine übertriebene Freude gezeigt, dass es der SPD so schlecht geht. Wer wieder eine linke Mehrheit will, sollte sich schon um seine Wähler kümmern, und nicht rumschreien, dass die anderen schuld sind. Gell? Und dann erstmal tiiieeef durchatmen.

  • KK
    Klaus Kosiek

    Die Analyse von Brumlik erscheint mir plausibel. Allerdings wäre es falsch, die Verantwortung für das Desaster allein Schröder und Steinmeier zuzuschreiben; sie waren und sind nur die Exponenten einer allgemeinen Desorientierung des Führungspersonals der SPD, das den Spitzengenossen begeistert auf dem Weg in die Selbstvernichtung gefolgt ist. Die von Brumlik geforderte Öffnung zu politischen Bündnissen mit der LINKEN ist gegenwärtig die einzig realistische Machtperspektive für die SPD.Aber reicht das Argument der Macht für diese Neuorientierung? Dem jetzigen Führungspersonal vielleicht, dem Publikum wohl nicht. Und ich wüsste doch gern, was Brumlik unter einem "sozialdemokratischen Projekt für das 21.Jahrhundert" versteht.

  • R
    reblek

    Schon richtig, dass die asoziale Politik einer der Gründe für den Niedergang der SPD und die Ruinierung durch Schröder war. Aber auch wenn die angebliche Nichtbeteiligung Deutschlands am Irak-Krieg SPD und B52-Grünen 2002 die Regierungsmehrheit noch einmal gerettet hat: Die Bedeutung des verfassungswidrigen Angriffskriegs gegen Serbien für den Niedergang der SPD sollte nicht unterschätzt werden. Erstaunlich ist allerdings die Tatsache, dass den B52-Grünen, die unter ihrem Führer Fischer all das, was Schröder wollte, mitgemacht haben, dies nicht auf dieselbe oder zumindest ähnliche Weise vergolten wurde wie der SPD, was ziemlich schreckliche Schlüsse darauf zulässt, wie die WählerInnen dieser Partei sozial- und friedenspolitisch denken: asozial und kriegerisch.

  • L
    Lothar

    Lieber Herr Brumlik, ich kann Ihnen nicht folgen. Meinen Sie denn ernsthaft, das Drama der SPD ließe sich auf Herrn Schröder reduzieren?

     

    1. Leidet denn die SPD denn nicht wie alle Volksparteien (und andere Grossarganisationen) unter der generellen Entsolidarisierung, Partikularisierung und Vernischung der Gesellschaft? Da haben es nun mal Klientelparteien leichter.

     

    2. Kann man sich denn so einfach um die Tatsache herummogeln, dass ohne Agenda 2010 die Lage heute noch viel schlimmer wäre. Mir wäre kein Wirtschaftswissenschaftler bekannt, der nicht den dramatischen Rückgang der Arbeitslosigkeit in einen engen Zusammenhang mit der Agenda 2010 stellt. Was wäre denn die Alternative gewesen? Was wäre heute, wenn wir in die aktuelle Krise mit fast 6 statt mit 3 Mio Arbeitslosen gestartet wären? Endlich mal Rabatz im Land, wie man es sich vielleicht von ganz Links und ganz Rechts wünscht? Das Drama ist doch wohl eher, dass eines der erfolgreichsten Reformprogramme der Geschichte der Republik nicht als solches verkauft werden konnte. Dank Die Linke. Aber sicher auch Dank des linken Flügels der SPD. Und jetzt wieder Rente mit 65? Das unter Akademikern wie Praktikern in seiner Notwendigkeit am wenigsten umstrittene Reformprojekt der 67er-Rente zerschiessen - weil sich die diversen Lobbies (der Transfersleistungsempfänger) mit kurzsichtiger Kientelpolitik bemerkbar machen?

     

    Ihr Kommentar hat aus meiner Sicht an diesen Punkten den Tenor: Passen wir halt die Wirklichkeit der Ideologie an - statt umgekehrt. Hauptsache die (sozialdemokratische) Lehre und das Gewissen bleiben rein. Wenn man nur irgendwie linke Mehrheiten organisiert wird alles wieder gut.

  • RD
    Richard Detzer

    Richtig scheint, daß SPD schon länger keine sozialdemokratischen Themen, vielmehr irgendwelche Personen mit entsprechend persönlichen Interessen transportiert. Das ist aber nicht ein Produkt der SPD, vielmehr ein Produkt des abgehobenen Parlamentarismus. Da heißt es, SPD ist Teil, ist Partei. Das ist der Fehler. Ehrlich gesagt, warum soll man solche Fehler am Leben halten.

  • C
    celine

    GUT GEMACHT IHR LINKEN SPINNER - KOMMUNISTEN - UND SOZIALSCHMAROTZER...

     

    JETZT WO IHR HIRNLOSEN HETZER DIE SOZIALDEMOKRATIE ENDGÜLTIG GEGEN DIE WAND GEFAHREN HABT, KÖNNT IHR JA SCHON MAL EURE KOMMUNISTISCHEN KOMMUNEN UND EUER PARLAMENT FÜR EUREN GROSSEN PARTEIVORSITZENDEN EINRICHTEN MIT EUREN 11 PROZENT!!!

     

    IHR LINKEN BAZILLEN KOTZT MICH SOWAS VON AN!!!!

  • A
    axel

    vergessen werden über aller berechtigter kritik am agenda-kurs der spd sollte aber nicht die mitbeteiligung und mitverantwortung der grünen.

    in trauter gemeinsamkeit tummelten und kuschelten dann mit unsozialer und kriegerischer politik cdu/csu/spd/grpüne und fdp.

  • BB
    Bodo Bender

    Also muss mal wieder Micha Brumlik ran, um eine präzise Analyse zu liefern, die ich eigentlich von der Redaktion (Chefredakteurin?) der taz erwartet hätte. Das taz-Profil erscheint mir zunehmend diffus.

  • A
    AlexL

    Das, was der SPD jetzt widerfährt ist die Folge von dem was Schröder verzapft hat, als er immer weiter in die Mitte gedrängt hat, bis links ein Vakuum entstanden ist. Heute gibt es "Die Linke", die dieses Vakuum ausfüllt. Schade für die SPD! Solange die Heldenverehrung von Schröder in der SPD nicht abgeklungen ist, ist auch kein Neuanfang möglich.

  • H
    heine

    ich schäm mich jemals spd gewählt zu haben. so ein haufen von jammerlappen. kaum sind sie in der regierung, will der blödhaufen auch nur die kohle. was aus ihren versprechen wird, weiß immer niemand. manchmal hab ich schon gedacht, die wollen wieder absichtlich in die opposition. was stimmt den da nicht?

  • W
    wubblhug36

    Nach der Wahl noch sagten die Oberen der Partei: "Wir hatten das richtige Programm, den richtigen Spitzenkandidaten und wir haben einen tollen Wahlkampf gemacht"

     

    Bleibt aus Sicht der spd zu hoffen, dass diese geistige Übernachtung sehr zügig einem neuen Morgen weicht.